Gutes Geschäft mit Kleinbauern

Gentech-Lobbyisten südlich der Sahara

Die Region südlich der Sahara scheint derzeit ein Eldorado für ausländische Gentech-Lobbyisten und selbsternannte Weltenretter zu sein.

Afrika verfügt über mehr einheimische Getreidearten als jeder andere Kontinent. Nirgendwo sonst gibt es neben einer eigenen Spezies von Reis derart viele Sorten von Hirse - Fingerhirse, Fonio, Perlhirse, Sorghum, Teff, Guineahirse ... Hinzu kommen mehrere Dutzend wilder Getreide mit Körnern, die essbar sind. Dieses bis zu den Ursprüngen der Menschheit zurückreichende Erbe hat die Menschen vor Ort von Generation zu Generation ernährt. Es ist ein lokales Vermächtnis des genetischen und agrikulturellen Reichtums, auf dem eine solide Ernährungssicherheit für die Zukunft aufgebaut werden könnte. Dies erklären die Autoren von „The Lost Crops of Africa“, einem Buch, das in Erinnerung ruft welch enormes Potenzial an einheimischen Nahrungspflanzen Afrika südlich der Sahara besitzt. Doch seltsamerweise wird dieser Reichtum des Kontinents und seiner verschiedenen ökologischen Zonen in den internationalen Debatten um die Sicherung der Ernährung weitgehend ausgelassen. Die Fülle an einheimischen Feldfrüchten wird vernachlässigt, deren Anbau mitunter gar als rückständig geschmäht - zugunsten der lukrativen Weltmarktpflanzen Mais, Soja, Weizen und Reis.

Nothilfelieferungen …

Trotz positiver Wachstumsraten auch innerhalb der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und ungeachtet des enormen Potenzials der Region, ausreichend Nahrung für seine BewohnerInnen zu erzeugen, werden erhebliche Mengen an Nahrungsmittelhilfe eingeführt. Die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit bleiben instabil. Klar ist, dass die SADC-Staaten ihre nationale Ernährungssouveränität nicht durch Nahrungsmittelhilfe erreichen werden. Dazu braucht es eine angemessene Entwicklungsagenda mit entsprechenden Strategien und rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies erfordert auch, die Nahrungsmittelhilfe zu regulieren und dafür zu sorgen, dass die Lieferungen nicht die Fähigkeiten zur lokalen Produktion untergraben. Saatgut-Spenden etwa, die in manchen afrikanischen Staaten routinemäßig abgegeben werden, können die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Märkte verhindern und dazu führen, dass LandwirtInnen das Interesse daran verlieren, Sämereien wieder eigenständig zu vermehren. Nicht selten auch stammen Hilfslieferungen von Nahrungsmitteln und Saatgut wie Mais oder Soja von Märkten außerhalb der Region. Solcherart Saatgut entspricht oftmals nicht den agronomischen Gegebenheiten und den Bedürfnissen der jeweiligen lokalen Gemeinschaften. In der EU wird inzwischen darauf geachtet, dass Nothilfe auf lokalen Märkten erworben wird, um so den landwirtschaftlichen Handel neu zu beleben. Dagegen wird noch immer gut die Hälfte der US-Notlieferungen aus Agrarüberschüssen im eigenen Land gekauft. Dazu muss man wissen, dass US-FarmerInnen heute auf rund 90 Prozent der Mais- und Sojaflächen gentechnische Sorten anbauen. Infolgedessen sind nahezu alle Lieferungen von Mais oder Sojabohnen aus den USA mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verunreinigt.

... und neue Allianzen

Während in der SADC-Region allein Südafrika die Produktion gentechnisch veränderter Kulturen von Mais, Soja und Baumwolle kommerzialisiert hat, erschließen neue internationale Allianzen derzeit die afrikanischen Agrar- und Nahrungsmittel-Märkte für Unternehmen aus Europa, den USA und Japan. Seitdem die Gates-Stiftung im Jahr 2006 die „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA) ins Leben rief, sind immer neue Initiativen und Organisationen aus Politik und Privatwirtschaft dazu gestoßen. Reformvorhaben wie das US-Programm „Feed the Future“ und auch die G8-Initiative „New Alliance for Food Security and Nutrition“ zielen ebenso wie AGRA auf den flächendeckenden Umbau von Agrarstrukturen und Ernährungsmustern ab. Deren Kooperationspartner kommen aus Reihen multinationaler Konzerne, in deren Portfolio sich transgene Nutzpflanzen samt entsprechender Inputs wie Düngemittel und Pestizide befinden. Zu ihnen zählen Unternehmen aus der Agrochemie-, Saatgut- und Betriebsmittelbranche, darunter
Bayer, DuPont, Monsanto und Syngenta (Agrochemie & Saatgut) • Cargill (Handel mit Saatgut, Futtermitteln, nachwachsenden Rohstoffe) • Yara (Düngemittel) • Archer Daniel Midland (Getreide & Ölsaaten) und • Bunge (Getreide & Speiseöle).

Gentech-Lobbyisten im SADC

Nach dem Streit im südlichen Afrika um gentechnisch verunreinigte Nahrungsmittelhilfe aus den USA im Jahr 2002 hat in der SADC-Region die Lobbyarbeit aus dem Ausland deutlich zugenommen. Seit langem schon steht die Förderung der nationalen Saatgutindustrie, insbesondere die Agro-Gentechnik, weit vorn auf der globalen Agenda des US-Außenministeriums. Als Reaktion auf die seinerzeitige Annahmeverweigerung der kontaminierten Lieferungen von Körnermais wurden die Lobby-Aktivitäten in den betreffenden Ländern spürbar ausgebaut. Mit Medien-Kampagnen, technischer und juristischer Beratung und mit gezielter Beratung in bestimmten Politikbereichen wird nun versucht, Einfluss auf die jeweiligen Regularien und die Meinungsbildung zu nehmen. Um in den portugiesischsprachigen Ländern voranzukommen, wird dabei mit Brasilien kooperiert. Immerhin firmiert das Land nach den USA und vor Argentinien an zweiter Stelle der Liga der weltgrößten Erzeuger transgener Kulturen und verfügt selbst über beträchtliche Forschungskapazitäten in diesem Bereich. Mit Blick auf die SADC-Region zeigt ein aktueller Bericht der kritischen US-Initiative Food & Water Watch, wie vehement das State Department besonders in afrikanischen Staaten auf die Einführung einer gentechnikfreundlichen Gesetzgebung drängt.1 Schließlich gilt Afrika dort als „final frontier“. Der Report „Biotech Ambassadors“ beruht wesentlich auf den Memos aus Diplomatenkreisen, die zwischen 2005 und 2009 auf der Plattform Wikileaks veröffentlicht wurden. Darin wird ersichtlich, welch intensive diplomatische Öffentlichkeitsarbeit für die Gentech-Industrie unter Hillary Clinton im State Department und in zahlreichen US-Botschaften jeweils vor Ort entfaltet wurde. Und anders als die sonst übliche mediale Hilfs- und Förder-Rhetorik lassen die Notizen aus der US-Administration wenig Raum für Interpretationen:
• Im Jahr 2005 informierte die US-Botschaft in Südafrika die Unternehmen Monsanto und Pioneer darüber, dass kürzlich zwei Stellen in der südafrikanischen Regulierungsbehörde für Biotechnologie frei geworden waren.
• In einem Memo aus Mosambik wird berichtet, dass im Jahr 2008 hochrangige Entscheidungsträger, die für die Gestaltung der Biotech-Politik zuständig sind, an einem akzeptanzfördernden Workshop teilnahmen. Anfang 2009 schlug die US-Botschaft in Sambia die Ausstrahlung von Pro-Gentech-Dokumentationen zur besten Sendezeit vor.
• Und im Oktober 2009 bat die US-Regierung Brasilien in bilateralen Gesprächen darum, sich angesichts der „kulturellen und sprachlichen Beziehungen zu einigen afrikanischen Nationen“ dort stärker in Sachen Gentechnik-Akzeptanz zu engagieren. Erwogen wurde auch eine trilaterale Zusammenarbeit zur Ernährungssicherheit in Ländern Afrikas sowie in weiteren Entwicklungsländern.2

Mosambiks neues Soja-Modell

Nach dem Desaster mit der kontaminierten Nahrungsmittelhilfe steht bei den Lobbyisten in der Region mittlerweile weniger der gentechnisch veränderte Mais auf Platz eins der Agenda. Denn anders als etwa in den USA ist Mais neben Hirse, Sorghum oder Cassava im südlichen Afrika ein Grundnahrungsmittel. Vielmehr macht jetzt der industrielle Soja-Komplex mit Kampagnen für den Anbau und für seine Produkte mobil. Unternehmen der Branche aus den USA und Südafrika kooperieren mit einer eigens dafür bestellten gemeinnützigen Beratungsorganisation namens TechnoServe. Über Konferenzen wie die Soy Innovation Africa und Informationsdienste wie Soy Southern Africa werden Regierungen ebenso wie den im ländlichen Raum aktiven Verbänden und Organisationen Technikberatung und Training angeboten. Die Wirkung bleibt nicht aus. In Sambia und Mosambik wird seit Mai 2010 ein auf vier Jahre projektiertes Modell-Vorhaben zur Ausweitung des Soja-Anbaus erprobt. Dieses soll später auf andere Länder übertragen werden. Initiiert wurde es von der Gates-Stiftung und AGRA mit einem Zuschuss in Höhe von acht Millionen US-Dollar für den Aufbau einer Soja-Wertschöpfungskette, vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Vermarktung. In Mosambik beteiligen sich an dem Soja-Modell neben AGRA auch der Rohstoffhandels-Riese Cargill sowie die vor Ort arbeitende US-Organisation CLUSA (Cooperative League of the USA) und BeraterInnen von TechnoServe. Sie sorgen für den Organisationsaufbau und vermitteln den lokalen LandwirtInnen unternehmerische Fähigkeiten. Zudem liefert N2Africa, ein von der Universität Wageningen und der Gates-Stiftung lanciertes Projekt, agronomisches Knowhow für die verbesserte Stickstoffbindung im Boden. Vorgesehen ist, in den nördlichen Provinzen sowohl die Produktivität von Soja als auch die Anbauflächen zu steigern und gleichzeitig eine Nachfrage nach Sojaprodukten im gesamten Land zu schaffen. Bisher spielt die Ölsaat in Mosambik nur eine marginale Rolle. Künftig will man damit die heimische Geflügelindustrie, eventuell auch die Fisch- und Schweinezucht, beliefern, zudem soll ein Markt für Sojaöl entstehen. Zwar heißt es bei TechnoServe, die derzeit in Sambia und Mosambik angebauten Sojasaaten seien nicht gentechnisch verändert. Gleichzeitig wird jedoch darüber geklagt, dass Südafrika derzeit, aufgrund der restriktiven Politik in den Nachbarländern transgenen Kulturen gegenüber in der SADC-Region keine Soja als Rohware absetzen kann. Öl und Ölkuchen hingegen werden geliefert. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Sojaanbau in Ländern Lateinamerikas ist in der Tat zu erwarten, dass afrikanischen LandwirtInnen am Ende keine andere Wahl bleiben wird, als im Rahmen des industrieaffinen Gates-Projektes gentechnisches Saatgut zu übernehmen. Derweil breitet sich schon jetzt die transgene Verunreinigung in der Region aus und bedroht die lokalen Sorten von Mais und Sojabohnen. Vor einer weiteren Gefahr warnten Fachleute der FAO (Welternährungsorganisation) in einem Bericht aus dem Jahr 2010 zur Ernährungssituation in Mosambik: Angesichts guter Maisernten in den Vorjahren, jedoch fehlender Lagerkapazitäten in den Anbauregionen, blieben viele ErzeugerInnen auf großen Mengen an Mais sitzen. Vor allem in abgelegeneren Regionen mangele es an kleinen, dezentralen Speichern, wo die Bäuerinnen und Bauern ihren Mais lagern könnten, bis die Preise wieder stiegen. Schlechte Straßen und hohe Transportkosten täten ein Übriges, um zu verhindern, dass die Überschüsse aus dem Norden in die weiter südlich gelegenen Regionen gelangen. Zudem nutzten größere Mühlen wegen dessen besserer Qualität und einheitlichem Feuchtigkeitsgehalt gern den aus Südafrika eingeführten Trockenmais. Zwar plant das Agrarministerium, die Vermarktungschancen für die lokalen Bauernfamilien in den Überschuss produzierenden Regionen durch den Ausbau von Kapazitäten für Trocknung und Lagerung zu verbessern. Unterm Strich werde jedoch der Maisanbau mancherorts zunehmend unattraktiv. Von vielen der LandwirtInnen sei zu hören, dass sie deshalb den Wechsel zu lukrativeren Kulturen wie Sesam oder Soja erwögen. Sollte sich in den kommenden Jahren die Ausweitung insbesondere der Sojaproduktion auf Kosten des Anbaus von Mais durchsetzen, so der FAO-Bericht, dann könnte dies langfristig die Ernährungssicherheit in Mosambik gefährden. Offenkundig sind die Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage, was die Sicherung und Souveränität der Ernährung - einschließlich des Zugangs zu Saatgut, Anbautechniken und Märkten - angeht, vor Ort recht komplex. Auch wenn die eingängigen Antworten und vordergründige Erfolgsgeschichten aus Reihen finanzstarker, philanthropischer Stiftungen und globaler Allianzen zur Ernährung der Welt uns hier etwas anderes auftischen wollen.


Literatur: Andrew Mushita and Carol Thompson (2013): More Ominous than Climate Change?African Studies Quarterly, Band 13, Ausgabe 4, im Netz unter www.ctdt.co.zw oder www.kurzlink.de/gid223_q. Ute Sprenger (2012): Genopoly in Afrika. Das Agrobusiness und die Gentechnik. In: Politische Ökologie, März 2012, im Netz unter http://home.snafu.de oder www.kurzlink.de/gid223_o. Haidee Swanby (2010): The Gates Foundation and Cargill push Soya onto Africa. ACB Briefing Paper Nr. 20, im Netz unter www.acbio.org.za oder www.kurzlink.de/gid223_p.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
223
vom Mai 2014
Seite 27 - 29

Ute Sprenger ist Soziologin und freie Publizistin. Sie arbeitet zudem als Beraterin, Trainerin und Gutachterin in der internationalen Zusammenarbeit und in der Technikfolgenabschätzung.

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