Schwangerschaftsabbrüche in Zeiten der Corona-Pandemie

Probleme der Rechts- und Versorgungslage

Neben der Behandlung von Corona-Patient*innen muss auch der Erhalt medizinischer Grundversorgung gewährleistet werden. Doch die Sicherung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen als notwendige medizinische Maßnahme ist derzeit nur bedingt gewährleistet.

Stimmrecht gegen Unrecht

Das Kollektiv Stimmrecht gegen Unrecht fordert mit seiner change.org-Petition schnelle politische Entscheidungen. Foto: © Petition: #AbortionInCrisis

Die aktuell durch die Pandemie ausgelöste Krisensituation entlarvt die Umständlichkeit der geltenden Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Die Gesetze bevormunden ungewollt schwangere Menschen und behindern die Arbeit von Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen und über dieses Leistungsangebot informieren wollen.1

Die Zahl der Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, hat laut Angaben des Statistischen Bundesamtes innerhalb von 10 Jahren um 40 Prozent abgenommen.2 Bereits ohne Coronakrise müssen ungewollt Schwangere häufig weite Wege auf sich nehmen, um einen Abbruch vornehmen lassen zu können. Wenn nun Praxen vorübergehend schließen, ist mit einer noch schlechteren Versorgungslage zu rechnen. So berichtet beispielsweise Thoralf Fricke, bayrischer Landesgeschäftsführer von Pro Familia, dass der einzige Arzt, der in Ostbayern Abbrüche nach der 10. Schwangerschaftswoche durchführt, seine Praxis geschlossen hat. Denn er selbst gehört – wie viele andere Ärzt*innen, die Abbrüche anbieten – aufgrund seines Alters zur Risikogruppe.3

Eine am 8. April veröffentliche internationale Stellungnahme4 zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen fordert die europäischen Regierungen dazu auf, den „sicheren und rechtzeitigen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen während der Covid-19 Pandemie“ sicherzustellen. Die Unterzeichner*innen fordern unter anderem die Aussetzung von Pflichtberatungen und Wartefristen, sowie die Erlaubnis zur Durchführung medikamentöser Schwangerschaftsabbrüche auch zuhause ohne ärztliche Aufsicht. Diese Forderungen stützen sich auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zu Schwangerschaftsabbrüchen. Außerdem rufen sie alle europäischen Politiker*innen dazu auf, Anträge abzulehnen, die eine Verschärfung des geltenden Rechts zu Schwangerschaftsabbrüchen bedeuten würden.

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. und der Pro Familia- Bundesverband sind Unterzeichner*innen dieser Stellungnahme. Weitere Fachverbände und Organisationen, beispielsweise Doctors for Choice Germany, beobachten die Entwicklungen hierzulande kritisch und fordern konkrete Maßnahmen zur Sicherung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen auch in Zeiten von Corona.5

  • 1Ich spreche von schwangeren oder gebärfähigen Menschen, um die geschlechtliche Vielfalt dieser Gruppe aufzuzeigen. Nicht nur Cis-Frauen (also Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet wurde und die sich mit diesem Geschlecht identifizieren) können schwanger werden, sondern auch Menschen anderer Geschlechter, wie beispielsweise transmännliche oder nicht-binäre Personen.
  • 2ARD Kontraste (2018): Immer weniger Ärzte bieten Schwangerschaftsabbrüche an. Online: www.kurzlink.de/gid253_j [letzter Zugriff: 19.04.2020].
  • 3Süddeutsche Zeitung (16.04.2020): „Wir müssen jetzt Frauenleben retten“. Online: www.kurzlink.de/gid253_k [letzter Zugriff: 19.04.2020].
  • 4Joint Civil Society Statement (08.04.2020): European governments must ensure safe and timely access to abortion care during the COVID- 19 pandemic. Online: www.kurzlink.de/gid253_l [letzter Zugriff 19.04.2020].
  • 5Pressemitteilung (20.03.2020): Schwangerschaftsabbrüche in Zeiten der Corona-Krise. Online: www.kurzlink.de/gid253_m [letzter Zugriff: 19.04.2020].
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
253
vom Mai 2020
Seite 33

Taleo Stüwe ist Mediziner*in und Mitarbeiter*in des GeN.

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