Mais spielt keine Rolle

Interview mit Alexandra Mühr (VERBIO AG).

Die VERBIO AG gehört zu den grössten Herstellern von Bioethanol und Biodiesel in Deutschland. Der GID führte ein Gespräch, in dem es unter anderem um den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen bei der Produktion von Agrar-Kraftstoffen und eine nicht mehr bestehende Koexistenz-Vereinbarung mit Monsanto geht.

Könnten Sie einen Überblick geben, in welchen Geschäftsfeldern die Verbio AG mit welchen Produkten beziehungsweise Produktionskapazitäten aktiv ist? Gibt es in Deutschland - oder in anderen Ländern - weitere Expansionsabsichten, die Sie hier nennen können?

Die Verbio AG hat derzeit Produktionskapazitäten von etwa 300.000 Jahres-Tonnen Bioethanol und etwa 380.000 JT Tonnen Biodiesel. Unsere Kunden sind zum Großteil, das heißt zu rund 70 Prozent, große Mineralölgesellschaften, die unsere Produkte mineralischen Kraftstoffen beimischen. Die restlichen rund 30 Prozent verkaufen wir im so genannten Straßengeschäft, das heißt an mittelständische Mineralölgesellschaften und an mittelständische Tankstellen- und Flottenbetreiber. Die Produkte werden dort entweder ebenfalls beigemischt oder als Rapsöl, das bei uns B100-Kraftstoff genannt wird, direkt in die Kraftfahrzeuge getankt. Im Moment setzen wir weiter auf Expansion. Neben unseren derzeit drei Produktionsstandorten in Schwedt in Brandenburg, Greppin und Zörbig - beide in Sachsen-Anhalt - ist ein weiteres Bioethanolwerk in Wismar in Mecklenburg-Vorpommern geplant. Außerdem wollen wir in Zukunft vermehrt Bioethanol in Osteuropa herstellen. Zudem planen wir, in Süd- und Westeuropa Biodiesel zu produzieren.

Welche pflanzlichen Rohstoffe werden dafür eingesetzt? Woher werden diese Rohstoffe bezogen? Welche Rolle spielt insbesondere der Mais in diesem Zusammenhang?

Wir fahren eine so genannte Multi-Feedstock-Strategie, das heißt, es kommen verschiedene Rohstoffe zum Einsatz. Bei der Biodiesel-Produktion sind dies überwiegend Rapsöl und zu geringeren Teilen auch Sojaöl und Fettsäuren aus anderen pflanzlichen Rohstoffen. Beim Bioethanol verwenden wir Roggen, Weizen, Gerste und Triticale. Wir können alle Getreidesorten verarbeiten, inklusive Mais. Aber Mais spielt bisher und auch in absehbarer Zukunft keine Rolle. Unsere Strategie ist, die Rohstoffe unmittelbar aus der Umgebung unserer Anlagen zu beziehen, und diese liegen überwiegend in Roggen-Anbaugebieten. Entsprechend sind wir mit dem Einsatz von Roggen gestartet, da unser Werk in Schwedt, wegen der Boden- und Klimaverhältnisse, in einem solchen Roggen-Anbaugebiet liegt. Üblich ist in unseren Breitengraden eigentlich eher der Weizen, bei dem der Prozess zum Ethanol leichter ist. Unser Mitbewerber, die CropEnergies, wird Zuckerrüben verwenden.

Ist die Verbio AG auch in anderen Bereichen des Energie-Marktes aus pflanzlichen (organischen) Rohstoffen aktiv? Kommt zum Beispiel auch Gülle als Rohstoff für die Bioethanol- oder Biodiesel-Anlagen in Frage? Welche Rolle spielt global importierte Ware? Zum Beispiel Soja oder Palmöl?

Nein, Verbio ist in keinem anderen Bereich aktiv. Zum Einsatz kommen nur die oben genannten Rohstoffe. Importierte Ware spielt keine Rolle. Wir beziehen bisher alles aus Deutschland beziehungsweise aus anderen EU-Ländern. Palmöl wird nicht eingesetzt. Eine Ausnahme ist das Soja-Öl, das wir in Deutschland kaufen. Das Öl entsteht, wenn die Sojabohnen zu Presskuchen verarbeitet werden, die in die Tierfütterung gehen.

Führt die Verbio AG selbst Forschung im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe durch? Wohin geht Ihrer Meinung nach die Entwicklung? Die Frage ist zum einen so zu verstehen, dass es verschiedene technische Ansätze für die Gewinnung der Energie gibt, zum anderen werden zum Beispiel auch andere Pflanzen ins Spiel gebracht - nicht zuletzt mehrjährige Gräser oder auch Gehölze.

Nein, wir selbst machen keine Forschung im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Wir beobachten die Versuche mit den so genannten Biokraftstoffen der zweiten Generation. Dabei werden die Pflanzen vollständig verwertet, was ja im Moment noch nicht der Fall ist. Derzeit verwenden wir bei der Bioethanol-Herstellung nur die Körner des Getreides. Jedoch gehen wir davon aus, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis ein interessantes Verfahren entwickelt ist. Inwieweit sich eine industrielle Produktion dann lohnt, ist derzeit nach unserer Einschätzung nicht abzusehen.

Sie haben gesagt, dass sie versuchen, die Rohstoffe möglichst aus der „Umgebung“ Ihrer Anlagen zu beziehen? Was heißt das konkret? Werden eher längerfristige Liefervereinbarungen getroffen, oder eher von Jahr zu Jahr neue?

Wir beziehen unsere Rohstoffe aus einem Umkreis von rund 100 Kilometern. Wir arbeiten mit Händlern zusammen, die für uns mit den Landwirten Energiepflanzenverträge abschließen. Diese Verträge laufen in der Regel ein Jahr und verlängern sich automatisch.

Welchen Mengenbedarf an pflanzlichen Rohstoffen haben die Anlagen der Verbio AG?

Wir benötigen rund 900.000 Tonnen Getreide und etwa 380.000 Tonnen so genanntes Raps-Raffinat, bei dem es sich um ein Folgeprodukt des Rapsöls handelt.

Welche Politik verfolgt die Verbio AG im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Pflanzen?

Wir setzen keine Rohstoffe aus gentechnisch veränderten Pflanzen ein, mit Ausnahme von geringen Mengen Sojaöl. Dieses Sojaöl wird aber in einem völlig getrennten Kreislauf verarbeitet und nur für Beimischung in Diesel verwendet.

Wie verfährt die Sauter Verpachtungsgesellschaft 1 mit dem so genannten Märka-Modell zur Gewährleistung der Koexistenz von gentechnisch veränderten mit konventionellen Pflanzen? Hat die Sauter Verpachtungsgesellschaft - oder eine Tochtergesellschaft et cetera - diese Absprache mit Monsanto übernommen?

Die Sauter Verpachtungsgesellschaft hat die Märka übernommen. Das Geschäft der Märka bezieht sich auf die Einbringung, die Lagerung und den Transport von Getreide und Ölsaaten. Es bestehen keine Verbindungen oder Absprachen mit Monsanto - weder seitens der Märka noch seitens anderer Tochtergesellschaften der Sauter Verpachtungsgesellschaft. Anlässlich der EU-Festlegung auf eine zehn-prozentige Beimischung von Biodiesel oder Bioethanol in mineralischen Kraftstoffen bis 2020, der entsprechenden Umsetzung in deutsches Recht mit dem so genannten Biokraftstoffquotengesetz und bereits zuvor bei der Verabschiedung des Erneuerbare Energien Gesetzes ist auch in Deutschland die Diskussion um die zukünftige Verwendung von Agrarprodukten neu und heftig entfacht. Die Frage ist: Nahrungsmittel oder Kraftstoffe? Wie verortet sich die Verbio AG in dieser Diskussion? Wir halten diese Diskussion für wenig fundiert. Es wird ein Wettbewerb unterstellt zwischen Anbauflächen für die Nahrungsmittelindustrie und für die Kraftstoff-Industrie. Dabei wird völlig vergessen, dass wir mit teurem Geld immer noch Brachflächen subventionieren. Es gibt noch keine Übersicht oder Bilanz, wie sich die tatsächlichen Anbaugepflogenheiten verändert haben beziehungsweise verändern werden. Hinzu kommt, dass speziell für die Bioethanol-Herstellung Getreide verwendet wird, dass die Qualitätsstandards der Nahrungsmittelindustrie nicht erfüllt.

Frau Mühr, wir danken für das Gespräch.


Das Interview führte Christof Potthof.

  • 1Die Sauter Verpachtungsgesellschaft ist personell insofern mit der Verbio AG verbunden, als dass Herr Bernd Sauter im Aufsichtsrat der Verbio und in der Geschäftsführung der Sauter Verpachtungsgesellschaft sitzt. Die Unternehmen sind aber formell nicht miteinander verbunden. Frau Mühr ist in der Lage und berechtigt, bestimmte Aussagen über die Geschäftspolitik der Sauter Verpachtungsgesellschaft zu machen.

Energie aus pflanzlichen Rohstoffen

Der Hype um Ethanol und Diesel aus Pflanzen hat zunehmend auch kritische Stimmen auf den Plan gerufen. Im Vordergrund steht die Frage, ob es möglich ist, die erforderliche Biomasse unter nachhaltigen Kriterien zu erzeugen. Dazu sind eine Reihe von Untersuchungen und Berichte erschienen erschienen. Hier eine Auswahl: -Das Grüne Gold Welthandel mit Bioenergie - Märkte, Macht und Monopole von Thomas Fritz. FDCL, Berlin, 2007 (www.fdcl.de) -Bioethanol als Kraftstoff - Stand und Perspektiven von Norbert Schmitz, Meó Consulting Team (www.itas.fzk.de/tatup/061/schm06a.htm) -Sustainability Standards for Bioenergy. WWF Germany, Frankfurt am Main, November 2006 (www.wwf.de) -Erneuerbare Energien zur Armutsbekämpfung - flächendeckend, dauerhaft und finanzierbar, November 2006 (www.forumue.de) -Flächenkonkurrenz bei der weltweiten Bioenergieproduktion - Kurzstudie im Auftrag des Forums Umwelt und Entwicklung, Wuppertal/Bonn 2006 (http://www.forumue.de)
Zusammenstellung: Christof Potthof

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
183
vom August 2007
Seite 11 - 13

Alexandra Mühr ist Mitarbeiterin der VERBIO AG, Zörbig (Sachsen-Anhalt) und zuständig für Presse und Investorenkontakte.

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