Kältetoleranter Eukalyptus
Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Bäumen
Im Mai genehmigte das US-Landwirtschaftsministerium Freilandversuche mit bis zu 260.000 gentechnisch veränderten Eukalyptus-Bäumen. Die Genehmigung vermittelt einen Vorgeschmack auf zukünftige Auseinandersetzungen im Kontext der globalen Produktion von so genannten Bioenergien: Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird groß, der Schutz der Umwelt dagegen klein geschrieben.
Seit Jahren werden in den USA gentechnisch veränderte (gv) Bäume in Freilandversuchen getestet. Mit dem Antrag der US-Firma ArborGen, bis zu 260.000 gentechnisch veränderte Eukalyptus-Bäume freizusetzen, wurde auch die internationale Öffentlichkeit aufmerksam. Sowohl die für einen Versuch ungewöhnliche Größe, als auch die Erkenntnis, dass sich die schon heute problematischen Eukalyptus-Plantagen in Zukunft noch weiter ausbreiten werden, erschreckte. Das Genehmigungsverfahren für die Freisetzung dieser Eukalyptus-Bäume zeigt zudem auf, wie sehr der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in den USA von Geheimhaltung geprägt ist: Weder die Details der gentechnischen Veränderungen, noch die auf 7 Bundesstaaten verteilten 28 Standorte sind der Öffentlichkeit bekannt. Beides ist für eine fundierte wissenschaftliche Kritik an den Versuchen selbstredend von immenser Bedeutung. Ein Blick über die aktuellen Freisetzungsversuche hinaus zeigt aber auch, dass die Dynamik, die sich aus dem Zusammenspiel von Gentechnik und Bioenergie-Produktion ergibt, der Diskussion um die Gentechnik eine neue Dimension gibt.
Biomasse-Bedarf steigt und steigt
Weltweit steigt der Bedarf an Pflanzen, deren Biomasse genutzt werden kann, massiv an. Bei den Bäumen, die sich wegen ihrer Produktivität großer Beliebtheit erfreuen, geht es weniger um das Holz als solches, sondern um Holzfasern für die Herstellung von Zellstoff für Papier und Verpackungsmaterialien 1, um das Verbrennen von Holz-Biomasse zur Energiegewinnung und zunehmend auch um die Weiterverarbeitung von Biomasse zu Ethanol als Agrar-Kraftstoff. Dadurch findet die Diskussion um Vor- und Nachteile von Biomasseproduktion in mehreren Zusammenhängen gleichzeitig statt: Es geht um positive und negative Effekte auf den Klimawandel, um die Konkurrenz von Energiepflanzen und Nahrungsmittelproduktion, um Landrechte und mehr.2
Eukalyptus - kein unbeschriebenes Blatt
Eukalyptus zählt zu den wichtigsten Baumarten in der Biomasseproduktion. Probleme mit Eukalyptus-Plantagen sind schon seit langem bekannt, so ihr vergleichsweise sehr hoher Wasserverbrauch. Dieser würde sich bei der Nutzung der - von den GentechnikerInnen angekündigten - schneller wachsenden Sorten weiter verstärken. Die Blätter von Eukalyptus produzieren teilweise giftige Substanzen und wegen ihrer leichten Brennbarkeit haben die Bäume in Australien und im US-Bundesstaat Kalifornien die Entstehung von Waldbränden befördert. Vor allem Eucalyptus grandis, der Große Eukalyptus, gilt in Florida, Kalifornien und Südafrika als invasive und problematische Art. Mit wenigen Ausnahmen sind die etwa 700 bekannten Eukalyptus-Arten vor allem in Australien und Ozeanien heimisch. Drei von ihnen werden weltweit in großem Stil auf Plantagen angebaut. In der Zellstoffproduktion werden die Bäume bereits nach sieben Jahren geerntet, und Firmen wie Aracruz (Brasilien) und ArborGen (USA, Brasilien, Neuseeland) arbeiten daran, diese Rotationszeit auf vier Jahre zu verkürzen. Damit würden Bäumen, die traditionell in langfristig angelegter Forstwirtschaft gepflanzt werden (der Begriff „Nachhaltigkeit“ kommt nicht zufällig aus der Forstwirtschaft), endgültig zu „cash crops“ für die internationalen Energie- und Biomassemärkte. Gleichzeitig gibt es deutliche Proteste gegen Eukalyptus-Plantagen. Unter anderem in Brasilien gehen Organisationen indigener Gemeinschaften mit immer größerer Verzweiflung gegen die Schaffung von „green deserts“, grünen Wüsten, wie die Plantagen wegen ihrer Artenarmut auch genannt werden, und gegen damit verbundene Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen vor.3
Weniger empfindlich
Bis dato ist die Kälteempfindlichkeit ein begrenzender Faktor beim Anbau von Eukalyptus-Sorten. Eucalyptus grandis verträgt zum Beispiel nur gelegentlichen Frost bis etwa minus drei bis minus fünf Grad Celsius. Der Große Eukalyptus ist damit auf warme Gebiete und niedrige Höhenlagen beschränkt. Selbst in Florida wächst der Baum nur im Süden und im Zentrum, nicht aber im Norden. Gentechnisch eingefügte Kältetoleranz soll das ändern. ArborGen strebt mit seinen derzeit in den USA freigesetzten gv-Eukalyptus-Bäumen (Hybride aus E. grandis und E. urophylla) eine Kältetoleranz von bis zu minus acht Grad Celsius an. Damit erweitert sich das potentielle Anbaugebiet von Eukalyptus deutlich, wie ArborGen in einer Darstellung zum Vermarktungspotential zeigt.4 Ein Teil der seit 2005 von ArborGen in den USA im Freiland getesten Eukalyptus-Bäume trägt auch andere gentechnische Veränderungen. Dies sind zum Beispiel ein verringerter Ligningehalt im Holz und eine veränderte Pollenbildung. Genaue Aussagen lassen sich nicht machen, da die detaillierten Informationen als Geschäftsgeheimnis vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden. Sicher ist jedoch, dass alle Bäume auch das Antibiotikaresistenz-Markergen „nptII“ tragen. Dieses sorgte im Verlauf der europäischen Anbauzulassung der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel für Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ihr Einsatz ungewünschte Effekte in der Anwendung mehrerer Antibiotika haben wird.5
Schnelle Vermarktung geplant
Wie sehr es bei der Entwicklung von ArborGens Eukalyptusbäumen um kommerzielle Beweggründe geht, und wie wenig ökologische Überlegungen eine Rolle spielen, zeigt die kurze aber internationale Geschichte ihrer Entwicklung: Ein brasilianisches Tochterunternehmen von ArborGen in Brasilien kreuzte aus E. grandis und E. urophylla einen Hybrid, der als Klon EH1 dann von einem neuseeländischen Tochterunternehmen gentechnisch verändert wurde. Da in Neuseeland keine Freisetzungen erlaubt sind, wurden die Setzlinge 2005 in die USA gebracht und dort erstmals in zwei Bundesstaaten im Freiland angebaut. Dieser erste Versuch läuft laut Antrag noch bis 2012. In den Folgejahren wurden weitere Freisetzungen genehmigt, bei denen zum Teil auch zugestanden wurde, dass die Bäume blühen und damit potentiell auch Samen bilden dürfen. 2008 wurden die zwei oben genannten - im Mai genehmigten - Anträge gestellt. In 28 Standorten in sieben Bundesstaaten sollen auf knapp 130 Hektar bis zu 260.000 Bäume gepflanzt werden. Fast gleichzeitig stellte ArborGen im Frühjahr 2008 einen so genannten „Antrag auf Deregulierung“, wodurch der unbeschränkte, kommerzielle Anbau möglich würde. Dass ArborGen eine schnelle Vermarktung plant, ist angesichts dieser Daten deutlich: der erstmalige Import in die USA, die ersten Freisetzungen, der Deregulierungsantrag und großflächige Freisetzungen - das alles dauerte noch nicht einmal fünf Jahre. Selbst für eine schnell wachsende Baumart wie Eukalyptus, der bereits nach sieben Jahren im Plantagenanbau geerntert wird, heißt dies, dass bis dato die Antragstellung noch nicht einmal eine einzige Anbauperiode umfasst. Ausreichende Daten für eine Abschätzung von Umweltrisiken lassen sich so nicht erheben. Ganz außer Acht gelassen wird auch die deutlich höhere Lebensdauer, die Eukalyptusbäume außerhalb von Plantagen erreichen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund großer - auch wissenschaftlicher - Unsicherheiten bei der Bewertung der Langzeitwirkungen von gv-Bäumen mehr als überraschend. Wegen der Langlebigkeit von Bäumen und Gehölzen muss bei den Freisetzungsversuchen geprüft werden, ob die beabsichtigten gentechnischen Veränderungen zum Beispiel über die Jahre stabil funktionieren. Bei einem auf bis zu 20 Jahre geplanten Versuch mit gentechnisch verändertem Wein in Deutschland war nach wenigen Jahren zum Beispiel das gentechnisch veränderte Konstrukt überhaupt nicht mehr nachweisbar.6 Dennoch bezieht sich die Zulassungsbehörde APHIS in dem Verfahren für die Versuchsfreisetzungen nur ganz spezifisch auf die 28 Freisetzungsstandorte und den beschränkten Versuchszeitraum. Fragen wie Auskreuzung, Verwilderung und Feuergefährlichkeit werden über den Versuchsrahmen hinaus nicht berücksichtigt. Die Frage nach Invasivität wird unter anderem mit dem Argument abgetan, dass dieser Hybrid nicht als invasiv bekannt sei. Das mag stimmen: Vor 2005 wurde der Hybrid nicht in den USA angebaut und bis dato kommt er nicht in der entsprechenden APHIS-Datenbank vor. Gleichzeitig wird E. grandis, eine der Elternarten des Hybrids, als „invasiv“ eingestuft. Es wird angeraten, ihn nur unter bestimmten Bedingungen anzubauen, was in Florida unter anderem bedeutet, dass die Bäume geerntet werden sollen, bevor sie blühen.7 Für ArborGens gv-Eukalyptus wird jedoch gerade das Blühen explizit erlaubt.
Monsanto-Connection
Auch manch anderes in dieser Geschichte lässt wenig Gutes erahnen. ArborGens Geschäftsführerin Barbara Wells hat eine lange Erfahrung mit gv-Pflanzen: Sie war 18 Jahre als Leiterin des RoundupReady-Soja-Teams im Monsanto-Management in Brasilien tätig. Und mehr Transparenz ist von der Firma auch in Zukunft nicht zu erwarten: Luke Moriarty, Geschäftsführer von Rubicon, einer der Gründerfirmen von ArborGen, betonte erst 2009 nicht ohne Stolz gegenüber AktionärInnen, ArborGen habe durch seine Forschungsaktivitäten nicht nur einen Vorteil gegenüber anderen Firmen. Moriarty zufolge werde dieser Vorteil auch „durch Geschäftsgeheimnisse, Patente und innovative Strategien zum Schutz des geistigen Eigentums aggressiv“ bewahrt.8
Aus den USA in die Welt
Der potentielle Markt für die gv-Bäume liegt nicht nur in den USA. Einmal zugelassen steht zu erwarten, dass kältetoleranter Eukalyptus mit oder ohne weitere gentechnische Veränderungen schnell seinen Weg auf Baumplantagen in anderen Ländern finden wird. Anschließend wird seine Biomasse für VerbraucherInnen unsichtbar ihren Weg in die weltweiten Energie- und Papiermärkte finden. Und je nach Verlauf der UN-Klimaverhandlungen könnten die Konzerne, die die gv-Bäume auf den Markt bringen, langfristig selbst vom Handel mit Emissionszertifikaten profitieren, wie dies zum Beispiel unter bestimmten Bedingungen für Palmölplantagen möglich ist. Schon jetzt geht es in der Debatte um die gentechnisch veränderten Eukalyptus-Bäume also nicht mehr nur um die Frage, wo die Freisetzungen in den USA durchgeführt werden, sondern ganz grundsätzlich darum, wie den Problemen von holzbasierter Energiegewinnung begegnet werden kann. Für den Moment ist das Verfahren wieder gestoppt. US-Nichtregierungsorganisationen haben am 1. Juli Klage gegen die Genehmigung erhoben.
- 1Zu den Problemen der Zellstoffproduktion - „paper and pulp“ im Englischen - siehe zum Beispiel den Bericht von Chris Lang (2008): Plantations, Poverty and Power; World Rainforest Movement. Im Netz unter: http://chrislang.org/2009/02/06/plantations-pover….
- 2Siehe zum Beispiel Global Forest Coalition (2010): Wood-based Bioenergy: The Green Lie. www.globalforestcoalition.org/img/userpics/File/b… und Friends of the Earth International & World Rainforest Movement (2009): Women raise their voices against tree plantations. Im Netz unter: www.foei.org/en/resources/publications/pdfs/2009.
- 3Siehe Fußnote 2.
- 4ArborGen (2009): Freeze-Tolerant Eucalyptus for the Southeastern United States. Präsentation von Mike Cunningham auf der Southern Forest Tree Improvement Conference. Im Netz unter: http://arborgen.us/uploads/presentations/southern….
- 5Siehe die Freisetzungsanträge 08-011-106RM und 08-014-101RM in der Datenbank der US-Behörde APHIS unter www.isb.vt.edu/cfdocs/fieldtests1.cfm, sowie in den Materialien eines US-Netzwerks von Nichtregierungsorganisationen unter http://globaljusticeecology.org/stopgetrees.php?t…. Zu den Diskussionen um die Verwendung des Antibiotikaresistenz-Markergens in der Amflora-Kartoffel siehe zum Beispiel den Beitrag „Unrühmlicher Start“ von Mute Schimpf und Antje Kölling im Gen-ethischen Informationsdienst (GID) 199, April 2010.
- 6Siehe auch R. Steinbrecher & A. Lorch (2008): Genetically Engineered Trees & Risk Assessment: An overview of risk assessment and risk management issues. VWD. Im Netz unter: www.econexus.info/pdf/GE-Tree_FGS_2008.pdf.
- 7Kommentar des Florida Exotic Pest Plant Council gegen die gv-Eucalyptus-Freisetzungsanträge (2009). Im Netz unter www.globaljusticeecology.org/files/FL%20Exotic%20….
- 8Luke Moriarty (2009): Rede auf dem jährlichen Treffen der Rubicon Anteilseigner, 24. November 2009. Im Netz unter www.rubicon-nz.com/pdf/Rubicon_ASM_2009_CEOs_spee….
Antje Lorch ist freiberufliche Beraterin im Bereich Agro-Gentechnik. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Gen-ethischen Netzwerk e.V. Zu ihren Veröffentlichungen siehe www.ifrik.org.