DIYbio.org
Die Mailing-Liste der Do-it-yourself-Biotech-Szene
Die Mailing-Liste der Do-it-yourself-Biotech-Szene
Dorfladen und Bibliothek, Beratungszentrum und Debattierclub, Kontakt- und Terminbörse sowie Schwarzes Brett der globalen Do-it-yourself-Biotech-Szene - das alles und noch so manches mehr verbirgt sich hinter der DIYbio-Mailingliste.1 Die Mailingliste und das zugehörige Webportal wurden 2008 von Mackenzie Cowell und Jason Bobe gegründet. Aktuell sollen etwa 3.300 Abonnentinnen und Abonnenten in die Liste eingetragen sein. Davon, so schreiben die AutorInnen eines im November 2013 erschienenen Berichtes, sei ein Drittel erst seit der zweiten Hälfte 2012 hinzugekommen.2 In der Zeit von 2008 bis Anfang Dezember 2013 sind auf der Archiv-Internetseite der Liste mehr als 4.000 sogenannte Themen zusammengekommen. ein Thema ist hier praktisch jede über die Liste verschickte Mail zusammen mit den Reaktionen, die sie hervorgerufen hat. Einzelne Themen entwickeln sich zu wahren Quoten-Highlights und werden tausendfach geklickt, andere finden als kleine Notizen oder Links, Erzählungen über ein Experiment oder ähnliches weniger Beachtung. Um einen Eindruck vom Treiben auf der Mailingliste beziehungsweise der Seite zu vermitteln, hier einige Beispiele aus den letzten drei Monaten:
[Betreff: „who is into food & beverage hacking“]
(etwa: Wer beschäftigt sich mit dem Hacken von Essen und Getränken?) fragt zum Beispiel F.A.A. von der Gruppe Food Hacking Base. Sie plant auf dem Kongress des Chaos Computer Club im Dezember in Hamburg einen Workshop anzubieten beziehungsweise eine experimentelle Küche zu betreiben. Dabei geht es weniger um gentechnisch verändertes Essen, als vielmehr um die Modernisierung von traditionellen Methoden, wie zum Beispiel die Fermentation. Um das Vorhaben mit finanziellen Ressourcen auszustatten, hat die Gruppe auf dem Internet-Portal www.indiegogo.com eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Anfang Dezember war von den angestrebten 1.500 Euro ein knappes Drittel beisammen.
[Betreff: „Ask a Biosafety Expert: A new service from DIYbio.org to get some free advice from biosafety experts“]
(Frage einen Biosicherheits-Experten: Ein neuer Service von diy.org, um kostenfreie Beratung von Biosicherheits-Experten zu bekommen) ist ein Angebot, das von dem prominenten DIY-Biotech-Akteur Jason Bobe offeriert wird, einem der beiden genannten Gründer von DIYbio.org. Unter der Internetadresse ask.diybio.org können Fragen an die Expertinnen und Experten geschickt werden. Wie weit dieser Versuch trägt, wie gut er angenommen wird oder wie viele Anfragen tatsächlich bearbeitet werden können, werde die Zukunft zeigen, schreibt Bobe.
[Betreff: „censoring science “]
(Wissenschaft zensieren) In diesem Beitrag - und den Reaktionen darauf - wird die Frage diskutiert, ob es sinnvoll ist, wissenschaftliche Ergebnisse in bestimmten Fällen geheim zu halten. Zu dem hier diskutierten Beispiel der Forschungsarbeiten des niederländischen Forschers Ron Fouchier mit Vogelgrippe-Viren werden sehr gegensätzliche Positionen vertreten. Obwohl der DIY-Szene eigentlich nachgesagt wird, dass sie sich für die Öffnung der Wissenschaften einsetzt und weitgehende Transparenz fordert, hat mindestens einer der Diskutanten Verständnis dafür, dass Forschungsergebnisse im Falle der Gefahr von Missbrauch zurückgehalten werden können.
[Betreff: „diy longevity biology“]
(etwa: Do-it-yourself-Biologie der Langlebigkeit) heißt es in einer eMail von A.K. Es werden Auszüge aus einem Interview präsentiert, das anlässlich eines wissenschaftlichen Projektes zur Langlebigkeit von Mäusen geführt wurde. In der sich anschließenden Diskussion beklagt einer der Beteiligten die Tatsache, dass es scheinbar leichter sei, für einen Film über Forschung dieser Art Geld zu besorgen als für die Forschung selbst. Auch wenn in dem genannten Interviewauszug Sympathie für die DIY-Biotech-Szene zum Ausdruck gebracht wird, bleibt mehr oder weniger im Dunkeln, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
[Betreff: „Extract egg cells from "monthly"? Possible? Ethical?]
(Extraktion einer Eizelle aus der Monatsblutung? Ist es möglich? Ist es ethisch vertretbar?) Eine eher technische Diskussion mit mehr als 30 Beiträgen schließt sich dieser Frage an. Zu der bereits im Betreff formulierten Frage, ob eine Kultivierung von Eizellen ethisch vertretbar ist oder nicht, äußert sich niemand.
[Betreff: „We aren't giving away GMO seeds at Genspace...“]
(Wir von Genspace geben kein gentechnisch verändertes Saatgut ab) So ist eine eMail von Ellen Jorgensen, der Direktorin des Genspace-Labors (siehe Seite 11 in diesem Heft), überschrieben. Sie ist wohl als kritischer Kommentar zu dem Glowing-Plants-Projekt auf der Crowdfunding-Internetseite kickstarter.com zu verstehen, da sich die Autorin darüber beklagt, dass das Genspace-Projekt zum Barcoding - eine molekularbiologische Charakterisierung von Pflanzen aus Alaska - nicht ausfinanziert werden konnte. Demgegenüber war das Glowing-Plant-Projekt mit einer Gesamtsumme von über 400.000 US-Dollar weit überfinanziert, was Jorgensen auf den Umstand zurückzuführen scheint, dass dort nach Abschluss gentechnisch veränderte Samen verteilt werden sollten.3
(pau)
- 1Siehe www.diybio.org bzw. http://groups.google.com/group/diybio.
- 2Synthetic Biology Project und Wilson Center (Hg.): „Seven Myths & Realities about Do-It-Yourself Biology“. Autoren: Daniel Grushkin, Todd Kuiken, Piers Millet. Kostenfreier Download unter www.wilsoncenter.org oder www.kurzlink.de/gid221_q.
- 3Zum Glowing-Plant-Projekt siehe „Kickstarter.com: Kein Crowdfunding für Synthetische Biologie“ unter Kurz notiert im GID 219, August 2013, S.38 und das Interview mit Rüdiger Trojok auf Seite 16 in diesem Heft.