Rezension: Follow the Science?
Ein Slogan, den Autor Peter Schneider kategorisch ablehnt. Der Psychoanalytiker stellt sich in seinem Essay klar gegen antiwissenschaftliche Grundeinstellungen, die methodischen Erkenntnisgewinn als einen Glauben unter vielen propagieren. Gleichzeitig schießt er gegen Verfechter*innen der Wissenschaft, die diesen Haltungen mit einem idealisierten Bild der Wahrheitsschöpfung entgegentreten – einem Bild, das längst als obsolet gehandelt wird. Obwohl er diesen Verfechter*innen im Grunde die Hand reichen will, wählt Schneider keinen allzu versöhnlichen Ton. In lockerer, oft amüsanter, teils recht anspruchsvoller Sprache diskutiert er das Wesen, die Wahrnehmung und die Rolle der Wissenschaften. Kurze, kurios betitelte Kapitel zeigen auf, dass die Kultur jedes wissenschaftlichen Tuns in einen sozialdynamischen Kontext eingebettet ist. Die Wissenschaft sei keine normierbare Monokultur, sondern ein artenreiches Beet voll methodischer Blüten. Mit historischen und zeitgenössischen Inhalten diverser Fachgebiete gelingt es Schneider, Leser*innen verschiedenster Hintergründe anzusprechen. Die interdisziplinäre Rundfahrt am Puls der Zeit lohnt sich für alle, die das Wesen der Wissenschaften näher ergründen möchten. Manche*r mag über ungewohnte Anglizismen stolpern, die kurzweilige Streitschrift lädt jedoch zum wiederholten Lesen ein.
➤ Schneider, Peter (2020): Follow the science? Plädoyer gegen die wissenschaftsphilosophische Verdummung und für die wissenschaftliche Artenvielfalt. Berlin: Edition Tiamat, 111 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-89320-267-6.
Theresa Roy war von Oktober 2020 bis April 2021 Redakteurin des GID und Mitarbeiterin im GeN.