Systemische Lösungen statt Wunderpflanzen
Unbeachtete Möglichkeiten im Umgang mit Wasserknappheit
Die Landwirtschaft müsse sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen und das ginge nur mit CRISPR-Cas und Co. So die Stimmen von Befürworter*innen der neuen Gentechnik. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die sich als erfolgreich bewährt haben, aber in der Debatte völlig außer Acht gelassen werden.

Bei der Umsetzung von Keyline Designs werden Landschaften und der Wasserfluss anhand der Geomorphologie analysiert und Oberflächen- als auch Bodenwasser entlang der Geländekontur geleitet, um besser aufgenommen, verteilt und gespeichert zu werden. Foto: Pablo Ruiz Lavalle (CC BY-SA 4.0)
Das Versprechen der Gentechnikindustrie, dürreresistente Pflanzen herzustellen, ist praktisch so alt wie diese Technologie selbst. Und trotzdem ist in all den Jahrzehnten keine dieser Wunderpflanzen auf den Markt gekommen. Stattdessen sind diejenigen Züchtungen, die diesem Ziel am nächsten kommen, allesamt mit Kreuzung und Rekombination entstanden – nicht aber mit Gentechnik. Jetzt wird dasselbe Versprechen erneut für Verfahren gegeben, die präziser als die alten Technologien ins Genom der Pflanzen eingreifen, also zum Beispiel CRISPR-Cas9. Nur soll es jetzt viel schneller gehen, weil man ja jetzt Genome so einfach verändern kann, wie man Texte wie diesen schreibt. Weshalb für diese neuen Technologien die schöne Bezeichnung „Genome Editing“ erfunden wurde. Tatsächlich wird wohl Grundlagenforschung an einzelnen Genen unter Stressbedingungen angestellt – aber bisher sind noch keine verwendbaren Sorten entstanden. Möglicherweise hängen solche Eigenschaften an zu vielen verschiedenen Genen, die ihrerseits in Wechselwirkung miteinander stehen, sodass ihre „Editierung“ eben nicht so einfach möglich ist wie bei der Herstellung von Herbizidtoleranz. Oder sollten Rentabilitätsgesichtspunkte eine Rolle spielen, weil dort, wo Dürretoleranz gebraucht wird, Patenteinnahmen weniger leicht zu erzielen sind?
Gegen den Klimawandel helfen nur intakte Ökosysteme
Die viel wichtigere Frage allerdings ist: Welchen Beitrag könnten dürreresistente Sorten leisten, damit sich die Landwirtschaft besser an den Klimawandel anpassen kann? Diese Frage stellt sich ja schon deshalb, weil die Folgen des Klimawandels vor allem extremere Wetterereignisse sind. Also keineswegs nur hohe Temperaturen und das Ausbleiben von Niederschlägen. Auch in 2022 mussten wir erleben, wie unmittelbar auf solche Verhältnisse Dauerregen und Überschwemmungen folgen können. Dann jedoch nützt die dürreresistente Pflanze gar nichts mehr – insbesondere, wenn sie unter feuchten Bedingungen in Ertrag und Qualität nicht mehr punkten kann oder sogar hinter anderen Sorten zurückbleibt.
Entscheidend ist deshalb nicht die Sorte, sondern das gesamte System, in dem die Pflanze angebaut wird. Dessen wichtigster Faktor ist der Boden. Kann er in hoher Geschwindigkeit große Wassermengen aufnehmen oder läuft es auf ihm davon und zu Tale und nimmt dabei die wertvolle Bodenkrume gleich mit? Erstaunlich vielen Menschen ist nicht bewusst, dass es Ackerboden ist, der sich in braunen Fluten durch überschwemmte Dörfer und die Wohnzimmer der Häuser wälzt.
Wie viel Wasser ein Boden aufnehmen kann, hängt mit seiner Struktur, seinem Humusgehalt und seinem Bewuchs zusammen. Böden, die in ungünstigem Zustand – also wenn sie zu nass sind – mit schweren Maschinen befahren werden, sind verdichtet und weniger durchlässig für Wasser. Das ist vor allem bei sehr feinen Böden so. Sand ist weniger empfindlich als Lehm oder gar Ton. Breite Reifen können zwar das Gewicht auf eine größere Fläche verteilen und verdichten deshalb die oberen Bodenschichten weniger. Aber das Gewicht bewirkt trotzdem Verdichtungen – nur fatalerweise in den tieferen Bodenschichten, wo lockernde Geräte nicht mehr hinunter reichen.
Die wirkliche Wunderwaffe heißt Humus
Der Humusgehalt spielt deshalb eine so große Rolle, weil die organische Substanz im Boden das mehrfache ihres eigenen Gewichtes an Wasser aufnehmen kann. Damit wirkt der Komplex, den sie mit den mineralischen Bestandteilen des Bodens eingeht, wie ein Schwamm, der Niederschläge festhält und den Pflanzenwurzeln wieder zur Verfügung stellt. Humus ist auch ein Bindemittel, das die Bodenkrümel stabilisiert. Stabile Bodenkrümel sind wichtig, um das „Zerfließen“ des Bodens zu verhindern, denn das verschließt die Poren, durch die Wasser eindringen kann. Und nur ein stabiler Boden besitzt Gegenkräfte gegen Abschwemmung, also Erosion durch Regen. Allerdings ist Humus nicht etwa eine Ansammlung von totem organischem Material, sondern das Ergebnis sehr komplexer Stoffwechselprozesse. Milliarden von Bodenlebewesen – von den großen Regenwürmern bis zu Bakterien und Einzellern – beschäftigen sich mit dem Abbau dieser Pflanzenreste und bauen auch Kohlenstoff, der von den Pflanzenwurzeln an das Bodenleben weitergeleitet wird, in langkettige organische Verbindungen um: So entsteht Zucker, der in der Fotosynthese gewonnen wird und den Bedarf der Pflanzen für ihr eigenes Wachstum übersteigt. Schon diese stark vereinfachte Darstellung des Prozesses vom molekularen Stickstoff der Luft über die Pflanzen und das Bodenleben bis hin zu den Humusverbindungen zeigt, wie komplex dieser Vorgang ist. Er hängt unmittelbar von der Vielfalt der Lebewesen ab, die das Bodenleben bilden und der Funktionsfähigkeit des Ökosystems unter unseren Füßen, das wir nur ansatzweise zu verstehen in der Lage sind. Leider aber ist der Verlust an Biodiversität nicht auf den für uns sichtbaren Bereich bei Insekten oder Feldvögeln begrenzt. Er findet in allen Ökosystemen – beispielsweise in Bächen und im Boden – ganz genauso statt. Und damit sinkt auch die Leistungsfähigkeit des Systems Boden. Leicht vorzustellen ist, dass das Ausbringen chemisch synthetischer Pestizide auf den Boden hieran seinen Anteil hat. Denn all die Substanzen werden nun schon über Jahrzehnte ausgebracht. Sie oder ihre Abbauprodukte sind mitunter sehr langlebig und reichern sich in manchen Fällen immer weiter an. Nur wer sich weigert, über die unendlich komplizierten Zusammenhänge in Ökosystemen nachzudenken, kann annehmen, dass sie nur die Pilze, Insekten oder Unkräuter abtöten, für die sie gedacht sind, für alle anderen Organismen aber ohne Wirkung bleiben. Ein gutes Beispiel ist das sattsam bekannte Glyphosat, das nicht nur grüne Pflanzen zum Absterben bringt, sondern auch Bakterien und alle möglichen anderen Kleinstlebewesen. Denn es ist ein Antibiotikum – eine Eigenschaft der Substanz, auf die seine Entwicklerfirma Monsanto im Jahr 2000 ein Patent angemeldet hat.1 Weltweit ist Glyphosat das meist genutzte Herbizid und soll aktuell für weitere zehn Jahre in der EU zugelassen werden.2 Auch einseitige Fruchtfolgen oder die Düngung ausschließlich mit mineralischem Stickstoff („Kunstdünger“) schädigen den Humus. So ist es nicht verwunderlich, wenn eine Modellierung im Rahmen der nationalen Bodenzustandserhebung durch das staatliche Thünen Institut zur Schlussfolgerung kommt, dass der Humusabbau auf den deutschen Ackerflächen gegenüber dem -aufbau überwiegt.
Böden müssen Wasser trinken
Beides – die Bodenstruktur und der Zustand des Humus – sind nicht nur für die Wasserhaltefähigkeit des Bodens von Bedeutung, sondern bestimmen auch, wie schnell Böden Wasser aufnehmen und in den Untergrund ableiten können. In Zeiten von immer häufigeren Starkregenereignissen, die der Klimawandel mit sich bringt, ist das eine Eigenschaft von zentraler Bedeutung. Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat gezeigt, dass bereits verschiedene Fruchtfolgen hier gewaltige Unterschiede verursachen.3 Eine vielfältige Fruchtfolge unter Einschluss von Weizen kann mehr als doppelt so viel Niederschlag innerhalb einer Stunde verdauen als ein Acker, auf dem Jahr für Jahr nur Weizen steht. Silomais, bei dessen Ernte sehr schwere Maschinen im Einsatz sind, hinterlässt Flächen, auf denen nur noch ein Viertel versickert und wird er jedes Jahr auf dem gleichen Acker angebaut, dann fließt fast das gesamte Regenwasser oberflächlich ab. Man braucht nur die Nachrichten über die Überschwemmungen der letzten Jahre verfolgt zu haben, um zu verstehen, was das für eine relevante Rolle spielt. Nicht, dass die Katastrophen im Ahrtal oder im Osten von Griechenland ausgeblieben wären, wenn man die Böden im Wassereinzugsgebiet richtig behandelt hätte – das will ich hier nicht behaupten. Dass aber die Konsequenzen solcher Ereignisse damit abgemildert werden können, liegt auf der Hand.
Auch der Bewuchs des Bodens spielt dafür eine Rolle. Wenn reichlich Pflanzenteile flach in den Oberboden eingemischt sind oder gar noch lebende Pflanzen dort wachsen, wird der Abfluss des Wassers gebremst und sein Eindringen erleichtert. Unlängst wurde auf unserem landwirtschaftlichen Familienbetrieb Hofgut Habitzheim auf einem Acker, auf dem wir zusammen mit dem Weizen eine sogenannte Untersaat aus Klee und Gräsern ausgebracht hatten, die das Wachstum nahtlos übernimmt, wenn das Getreide gedroschen ist, ein kleiner Versuch angestellt: In ein Rohr, das auf dem Boden aufgestellt wird, wird eine definierte Menge Wasser gegossen und dann gemessen, wie lange es braucht, bis es versickert ist. Das gleiche machten die Vertreter*innen des Wasserschutzprojektes auf dem Acker mit reiner Weizenstoppel ein paar Meter weiter. Dort dauerte es 240 Sekunden. Bei uns nur 25 Sekunden! Im Gegensatz zum geschilderten bayerischen Versuch war das kein wissenschaftliches Ergebnis. Aber diese Anekdote bestätigt die Bedeutung von Struktur, Humus und Bewuchs für die Versorgung der Vegetation und des Grundwassers mit dem kostbaren Nass.
Vom Boden zur Klimalandschaft
Dass den Böden die entscheidende Rolle zukommt, wenn es um Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der globalen Klimaveränderungen geht, ist hoffentlich hinreichend dargelegt. Es sei erwähnt, dass Humusaufbau immer auch die Fixierung von atmosphärischem Kohlenstoff bedeutet, der wirksamer und günstiger ist als technische Verfahren zur CO2-Speicherung, auch wenn das nicht zu meinem Thema gehört. Immerhin würde die weltweite Anhebung des Humusgehaltes landwirtschaftlich genutzter Böden um gerade einmal vier Promille so viel CO2 binden, wie dem jährlichen Ausstoß des Treibhausgases entspricht.4
Aber die Reaktionsmöglichkeiten in der Gestaltung der landwirtschaftlich genutzten Flächen beschränken sich nicht auf das, was unter der Oberfläche liegt. Auch die Formung von Agrarlandschaften zu „Klimalandschaften“ kann und muss zu einem wirkmächtigen Instrument der Klima-Anpassung, ja der Klima-Kühlung werden. Das hängt damit zusammen, dass grüne Pflanzen bei der Fotosynthese Wasser verdunsten und somit Verdunstungskälte produzieren. Die kann bei ausgewachsenen Bäumen der Kühlungsleistung von vier Standard-Klimaanlagen entsprechen. Was wir alle wissen, denn im Schatten eines Schirmes ist es nun mal nicht so kühl wie in dem eines Baumes und wer bei großer Hitze in den Wald gerät, kann die wohltuende Abkühlung dort erleben. Vor allem in den großräumigen Agrarlandschaften, wie wir sie im Osten Deutschlands, im Norden Frankreichs, im Süden Spaniens und an vielen anderen Orten haben, endet die Fotosynthese mit dem Abreifen der Ernte. Ab dann ist Schluss mit der Kühlung, die erst wieder einsetzt, wenn im Herbst die neue Aussaat zart ergrünt. Bäume sind nicht nur länger grün – vor allem während der heißen Zeit. Sie können auch noch mehr: Von ihren Blättern steigen mit der Feuchtigkeit der Verdunstung auch unzählige Bakterien in die Atmosphäre auf. Sie werden in den Wolken zu Kristallisationskernen für den Wasserdampf, so dass Tropfen und daraus Regen entstehen. Hier sprechen wir natürlich über großräumige Wirkungen, deren Bedeutung allerdings nicht nur im Amazonas deutlich wird. Immerhin entstehen 40 Prozent der Feuchtigkeit, die den Wasserkreislauf nährt, nicht über dem Meer, sondern auf dem Land. Wenn es also darum geht, welche Innovationen uns angesichts des Klimawandels weiterhelfen, ist es auch hier nicht das Genom einzelner Pflanzen, sondern die sinnvolle Gestaltung von Systemen. Agroforst heißt diese Innovation, die in Wirklichkeit gar nicht so ganz neu ist. Aber nachdem wir Jahrzehnte lang die Agrarlandschaften von Bäumen und Hecken freigeräumt haben, um sie geeigneter für große Maschinen zu machen, findet sich in den letzten Jahren zunehmend Interesse und Engagement dafür, Bäume dorthin zurückzubringen. Und zwar so, dass sie den Maschinen nicht im Wege stehen, sondern in deren Arbeitsrichtung gepflanzt werden. Ihre Funktion ist vielfältig. Begrünung und Kühlung ist nur ein Aspekt davon. Das Brechen des Windes, um Austrocknung zu verlangsamen ist ein weiterer. Die Bildung von Humus durch den Laubfall ein dritter. Natürlich auch die Produktion von Hackschnitzeln, Wertholz, Obst oder Nüssen. Aber auch das Bremsen des Wasserabflusses.
Slow Water statt Entwässerung
Seit Jahrhunderten haben wir es als eine zentrale Kulturleistung empfunden, Wasser so schnell wie möglich aus der Landschaft zu entfernen. Durch Drainagerohre unter der Bearbeitungstiefe in den Feldern. Durch Gräben an deren Rand, durch Begradigung von Bächen und Flüssen, durch Trockenlegung von Mooren. Jetzt, wo uns das Wasser einmal fehlt, ein anderes Mal aber in Übermengen allzu schnell abfließt wird klar: Wir müssen umdenken. Wir müssen den Wasserabfluss bremsen, damit möglichst viel des kostbaren Nass in den Untergrund abläuft und dort das Grundwasser nährt. Und das müssen wir auf jedem Quadratmeter – wie oben ausführlich beschrieben, aber auch durch Hecken, durch Barrieren in Bächen, durch Versickerungsteiche und ähnliche Strukturen. Ich selbst habe im Norden von Äthiopien, im knochentrockenen Tigray gesehen, wie solche Maßnahmen längst versiegte Quellen zum Sprudeln und deren Umgebung zum Ergrünen bringen können. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.
- 1United States Patent and Trademark Office (2010): Glyphosate formulations and their use for the inhibition of 5-enolpyruvylshikimate-3-phosphate synthase. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskq [letzter Zugriff: 20.10.23].
- 2Coordination Gegen Bayer (21.09.2023): Zulassungsverlängerung für Glyphosat. Online: www.cbgnetwork.org/8221.html [letzter Zugriff: 05.10.23].
- 3Bayrische Landesanstalt für Landwirtschaft (o.D.): Studie zu Humus in der Landwirtschaft. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskr [letzter Zugriff: 05.10.23].
- 4Don, A. et al. (2018): Die 4-Promille-Initiative „Böden für Ernährungssicherung und Klima“ – Wissenschaftliche Bewertung und Diskussion möglicher Beiträge in Deutschland. In: Thünen Working Paper 112. Online: www.kurzelinks.de/gid267-psks [letzter Zugriff: 20.10.23].
Felix Prinz zu Löwenstein ist Agrarwissenschaftler und Landwirt. Über 20 Jahre war er im Vorstand von Naturland, des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau und als Vorsitzender des BÖLW-Vorstandes Vertreter der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland.