Auf deutscher Scholle – Landwirtschaft von rechts

Völkische Tradition und aktuelle Strategien

Rechte Gruppen besetzen Themen des Ökolandbaus und der Selbstversorgung. Ihre neuen Strategien knüpfen dabei an völkische Ideologien vor der NS-Zeit an. Bestehende Strukturen im ländlichen Raum begünstigen die Verbreitung von rechtem Gedankengut über Nahraum und Engagement.

Brauner Acker

Foto: Judith Düesberg (c)

 

Öko-Faschist, so nannte sich der Attentäter im neuseeländischen Christchurch und forderte den „Schutz und die Erhaltung [unserer] Länder“.(2) Die sich völkisch inszenierende Partei Der Dritte Weg spricht sich für regional produzierte Nahrungsmittel, eine autarke, ökologisch verträgliche Landwirtschaft aus und lehnt Gentechnik ab. Und auch die AfD (Alternative für Deutschland) gibt in ihrem Grundsatzprogramm 2018 an, den ländlichen Raum und landwirtschaftliche Flächen schützen zu wollen. Auch wenn Naturschutz und Landwirtschaft meist nicht zu den Themen gehören, mit denen rechte Akteur*innen am offensivsten werben, spielen sie doch vor allem in der Ideologie völkisch orientierter rechter Gruppierungen eine zentrale Rolle.

Völkische Traditionen im rechten Denken

In rechten Argumentationen zu Landwirtschaft und zum ländlichen Raum lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen, die auf die Tradition völkischer Ideologie hinweisen. Diese haben die Diskurse um Umwelt-, Tier- und Naturschutz sowie Landwirtschaft lange Zeit stark geprägt. Der völkischen Ideologie liegt die biologistische Annahme zugrunde, dass der Mensch von den geografischen Gegebenheiten, in denen er geboren wurde und aufwächst stark geprägt ist. So würde die geografische Herkunft sämtliche seiner Charakter- und Verhaltensweisen bestimmen. Die Zugehörigkeit zu diesen homogen gedachten Gruppen wird an rassistische Kriterien, wie ein vermeintliches gemeinsames „Blut“ oder Phänotyp, gebunden.
Diese „Blut und Boden“-Ideologie stellte ein Kernelement der nationalsozialistischen Ideologie dar und wurde vor allem von jenen Funktionären des NS-Staates propagiert, die sich in der völkischen Bewegung engagiert hatten. Die dort vertretenen Vorstellungen einer Kolonisierung ländlicher Regionen beeinflussten die nationalsozialistische Besiedlungs- und Germanisierungspolitik der eroberten Gebiete im Osten. Sie waren daher bedeutsam für die Dynamik des Massenmordes des Zweiten Weltkrieges.

Kontinuitäten

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die völkische Ideologie im rechten Denken zentral. Getragen wird sie zum einen dadurch, dass sie der*dem Einzelnen das Angebot macht, sich selbst dadurch aufzuwerten, zu einer überlegenen und höherwertigen Gemeinschaft zu gehören. Zum anderen wird ein Bedrohungsszenario entworfen, in dem innere und äußere Feinde danach trachten würden, das „deutsche Volk“ zu unterwerfen oder zu vernichten. Diese Feinde müssen demnach bekämpft werden. Für den Erhalt „des Volkes“ ist es also notwendig, das Land, welches den Charakter des „Volkes“ präge, zu schützen. Um dies zu gewährleisten, wird eine umweltschonende Produktionsweise, wie die biologische Landwirtschaft, und ein Leben auf dem Land favorisiert sowie moderne Technologien abgelehnt. Dabei wird sich in der Argumentation gegen Kernenergie oder Gentechnik oftmals antisemitischen Stereotypen bedient.

Die landwirtschaftliche Arbeit und der ländliche Raum werden stark romantisiert und idealisiert. So gilt „der Bauer“, der fest mit der Scholle, dem Land, das er kultiviert, verbunden ist, als Sinnbild für das „deutsche Volk“, welches diese Bindung wiederherstellen müsse. Landwirtschaftliche Arbeit wird, ebenso wie Handwerksarbeit, als „schaffende“ Arbeit wahrgenommen. Diese wird in der antisemitischen Logik der „raffenden“ Arbeit internationaler, globaler Akteur*innen gegenübergestellt, die mit dem Judentum assoziiert werden. Jene würden sich moderner, kapitalistischer Produktionsweisen bedienen, um von der Arbeit anderer zu profitieren und das „deutsche Volk“ somit versklaven. Landwirtschaft wird als Instrument angesehen, eine wirtschaftliche Autarkie herzustellen und sich so dem Einfluss internationaler Akteur*innen entziehen zu können. Daher lassen sich heutige rechte Akteur*innen, auch „völkische Siedler“ genannt, gezielt im ländlichen Raum nieder, um dort Landwirtschaft zu betreiben und ein eigenes Versorgungssystem aufzubauen.

Strategien heutiger rechter Akteur*innen

Der ländliche Raum gilt als idealer Aktionsort von rechter Agitation. Viele Bilder auf die sich die völkische und rechte Ideologie beziehen, sollen hier wiedergefunden werden: Nähe zur Natur, die „Verwurzelung“ der Bevölkerung in „ihrem“ Land und ein vermeintliches von den negativen Einflüssen der Globalisierung und Urbanisierung verschont gebliebenes ländliches Leben. Rechte versprechen sich besonders in Gegenden, aus denen sich Parteien und zivilgesellschaftliche Akteur*innen zurückgezogen haben, in denen eine höhere Arbeitslosigkeit herrscht, die Bevölkerung vergleichsweise homogen ist und durch den Wegzug junger, qualifizierter Menschen zusehends überaltert, Erfolge für ihre politischen Ziele.

Völkische Rechte verfolgen das langfristige Ziel, die Dorfstruktur in ihrem Sinn beeinflussen zu können. Dafür vermeiden sie ein offenes Auftreten als Rechte und geben sich als „Kümmerer“ und freundliche Nachbar*innen. Durch ein betont unpolitisches Auftreten versuchen sie das Vertrauen anderer Dorfbewohner*innen zu gewinnen. Den Einstieg wählen sie dabei oft über Themen, die in der Öffentlichkeit nicht als eindeutig rechts besetzt wahrgenommen werden, wie Familie, Naturschutz, biologische Landwirtschaft oder ein Engagement gegen Atomkraft oder Gentechnik. Rechte versuchen diese Themen argumentativ als Einfallstore zu nutzen, indem sie zunächst Allgemeinplätze formulieren, zu denen sie sich Zustimmung erhoffen. Erst in weiteren Schritten lassen sie rechte Ideologie einfließen. Daher ist es wichtig, sensibel für rechte Gesprächsstrategien zu sein und auch bei politischen Forderungen, die geteilt werden, den ideologischen Hintergrund der Forderung zu beachten.

Im direkten Kontakt

Der ländliche Raum bietet einen speziellen Resonanzboden, in dem sich rechte Gesinnungen einfacher durchsetzen können. Im direkten Kontakt im sozialen, nachbarschaftlichen Nahraum, dem Berufsleben oder politischen Initiativen sind verschiedene Akteur*innen mit rechten Positionen konfrontiert und reagieren oftmals verunsichert. Eine ausbleibende kritische Distanzierung normalisiert Menschenfeindlichkeit und bestärkt Rechte in ihrem Handeln.

Im Umgang und in der Auseinandersetzung mit rechten Positionen im eigenen sozialen Nahraum ist zu empfehlen, sich zu positionieren, gegenüber rechtem Gedankengut abzugrenzen und diesem die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft entgegenzusetzen. Zivilgesellschaftliche Initiativen sollten mit ihrem politischen Engagement eine klare Formulierung der eigenen Vorstellungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens verbinden und deutlich machen, dass ein gemeinsames Handeln mit rechten Ideolog*innen ausgeschlossen ist.

Die Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung berät und schult mit einem Fokus auf Gender im Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.


Weiterführende Literatur der Stiftung:
Amadeu Antonio Stiftung (2014): Völkische Siedler/innen im ländlichen Raum. Basiswissen und Handlungsstrategien. www.amadeu-antonio-stiftung.de oder www.kurzlink.de/gid249_zz
Amadeu Antonio Stiftung (2017): „Die letzten von gestern, die ersten von morgen“. Völkischer Rechtsextremismus in Niedersachsen. www.amadeu-antonio-stiftung.de oder www.kurzlink.de/gid249_zx

 

Fußnoten:
(1)    GMF bedeutet gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Der sozialwissenschaftliche Begriff versucht verschiedenste Unwertigkeitsideologien zusammenzudenken.
(2)    Vgl. Tarrant, Brenton (2019): The Great Replacement. S.14, 29.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
249
vom Mai 2019
Seite 13 - 14

Marius Hellwig, Referent zum Thema völkischer Rechtsextremismus im ländlichen Raum der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung.

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