Stärketest mit Biss

Feldbefreier und BASF: Stelldichein am Kartoffelfeld

In Zepkow liegt das einzige Amflora-Feld in ganz Deutschland. Ehrensache, dass das die FeldbefreierInnen von Gendreck-weg auf den Plan ruft. Die BASF reagiert mit einer neuen Strategie: Sie schickt ihre MitarbeiterInnen zum Demonstrieren ins mecklenburgische Feld.

Der Biss in die Kartoffel, der hätte nun wirklich nicht sein müssen. Aber Timo Böhme, Mitarbeiter der BASF, der sich selbst als „Doktor der Pflanzenzüchtung“ bezeichnet, ließ es sich nicht nehmen, dem berühmten Vorbild von Klaus Töpfer zu folgen. Das Bad des ehemaligen Bundesumweltministers im Rhein sollte - so lautet die Legende - damals glauben helfen, dass der Fluss wieder sauber ist. (Töpfer behauptete übrigens später, er habe nur eine verlorene Wette einlösen wollen. Mit der Wasserqualität des Rheins habe das Bad nichts zu tun gehabt.) Die meisten, die sich daran erinnern, dürften mittlerweile mindestens an den Schläfen ergraut sein. Timo Böhme wollte und musste - Umstehende konnten sich davon überzeugen - seinen Worten, denen seines Arbeitgebers und auch denen der fleißigen BASF-Pressesprecherin Nachdruck und Zuverlässigkeit verleihen. Der Mann ist sich seiner Kartoffel so sicher, dass er den Test macht und mit der eigenen Gesundheit, ja mit dem eigenen Leben büßen würde, wenn er uns hier und jetzt nicht die Wahrheit gesagt hätte: Amflora ist sicher, Amflora ist nicht gefährlich. Aber das war ja erst fast ganz am Schluss, also nochmals zurück: Es ist morgens halb elf in Zepkow, einem Dorf bei Waren an der Müritz. Die Sonne bahnt sich gerade ihren Weg durch den wolkenverhangenen Himmel. Die Initiative Gendreck-weg hat für heute eine Feldbefreiung angekündigt, öffentlich und mit den Namen der Beteiligten. Diese Strategie verfolgt Gendreck-weg von Anfang an. Heute sind es Karl Braig und Holger Isabelle Jänicke, die sich auf den Acker machen. Andere haben ihre Unterstützung zugesagt.

Feldbefreiung ...

Wer endlose Schlangen von Protestierenden und lautes Proklamieren von Demonstrations-Lyrik erwartet hat, wird enttäuscht. Alles ist ruhig. Eine holprige Landstraße, Felder und genau vor uns parken auffällig viele Autos am Straßenrand. Einer der ersten Wagen ist groß und grün - das hatten wir erwartet. Die Polizei ist also auch schon vor Ort. Wie schrieben es die Feldbefreier von Gendreck-weg in einer ihrer Ankündigungen: „Ja wat denn? Amflora ist zugelassen und noch keine öffentliche Feldbefreiung? Datt geiht ja nu gar nich!“ - eben, und eine Feldbefreiung ohne Polizei, das ist eben auch keine richtige Feldbefreiung.

... oder BASF-Welt?

Irgendwer muss aufpassen auf diese Kartoffeln. Schließlich befinden wir uns in der Welt der BASF - unschwer zu erkennen an BASF-Werbeschildern, BASF-Werbepostkarten, BASF-Werbesprüchen, BASF-T-Shirts, BASF-Baseball-Kappen, BASF-Partyzelten, BASF-Luftballons und BASF-Menschen. Aber Moment mal - Feldbefreiung? BASF-Welt? „Verkehrte Welt” kommt uns da eher in den Sinn! Die meisten der Männer und Frauen mit den blauen BASF-Mützen, die sich an diesem Morgen versammelt haben, haben ihre Rolle für den Tag noch nicht gefunden - höchstens unter den BASF-Partyzelten und nur, wenn neben ihnen - möglichst auf beiden Seiten - ein BASF-Kollege oder eine BASF-Kollegin sitzt. Der Weltkonzern hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von allen deutschen Stand­orten seiner Pflanzenbiotechnologie-Tochterunternehmen hierher gebracht. Ihre Aufgabe: für die Gentechnik in der Landwirtschaft demonstrieren. Da bekommt der Begriff „Berufsdemonstrant“ doch eine ganz neue Note... Die Menschenansammlung, die sich am Rande des umstrittenen Ackers versammelt hat, spaltet sich in zwei Lager - jeweils 20 bis 30 Personen. Links stehen und sitzen die BASF-Angestellten und ihre Sympathisanten, rechts die Unterstützerinnen und Unterstützer der Initiative Gendreck-weg. Unterbrochen wird diese Ordnung von den Kommunikationsexpertinnen und -experten beider Gruppen und einem guten Dutzend Journalisten, die sich behend durch die Gruppen schlängeln und gute Miene machen. Neuankömmlinge werden auf ihrer Seite freudig begrüßt - man ist froh über jede Unterstützung. Das ganze Schauspiel wird skeptisch-interessiert beäugt von wenigen Dorfbewohnern. Man wartet gespannt darauf, zu erfahren, was denn nun passiert. Gekommen sind alle aus demselben Grund: Auf dem vor uns liegenden, ehemals 15 Hektar großen Feld wächst seit April dieses Jahres Amflora. Die gentechnisch veränderte Kartoffel des Chemiekonzerns wurde im Frühjahr von der EU-Kommision für den Anbau in der Europäischen Union zugelassen. Die Zulassung ist auch im Nachhinein mehr als umstritten und einige Länder der EU haben den Amflora-Anbau in ihren Grenzen verboten. Deutschland jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die BASF-Kartoffel mit einer Erwähnung in ihrem Koalitionsvertrag geadelt, woran eine der Amflora-Sympathisantinnen, die es am heutigen Tag nach Zepkow verschlagen hat, nicht ganz unschuldig sein dürfte: Christel Happach-Kassan, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion.

Zeichen setzen

Die Aktivisten von Gendreck-weg sind sich sicher: Das Feld muss weg. Ein Hektar ist bereits Anfang Juli einer nächtlichen Attacke zum Opfer gefallen, die auch Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld des Versuches (die hier zu ihrem persönlichen Schutz nicht näher genannt werden sollen) einen gewissen Respekt abgefordert hat. Und so soll es dem Rest des Feldes auch ergehen. Selbst wenn allen klar ist, dass die Gruppe heute nicht in der Lage sein wird, die verbliebenen 14 Hektar zu „befreien”, so ist es doch wichtig, dass Zeichen gesetzt werden. Und genau ein solches Zeichen setzen Karl Braig und Holger Isabelle Jänicke dann auch. Wie versprochen, schaffen sie es, ausgerüstet mit weißen Schutzanzügen, trotz der überall lauernden Polizisten, Wachschützer und BASF-Mitarbeiter, auf das Feld zu kommen und Amflora-Pflanzen auszureißen. Neben den beiden Männern werden im Laufe des Tages fünf weitere Aktivistinnen und Aktivisten von der Polizei zur Aufnahme ihrer Personalien in die gemütliche Kleinstadt Röbel und die dortige Polizeiwache gebracht. Die Tagesschau wird hierüber berichten - für die Aktivisten also eine gelungene Aktion.

Unsere Wünsche für die Grüne Gentechnik

Was die BASF im Anschluss an die Feldbefreiung neben dem Acker in Zepkow veranstaltet, mutet dagegen ein biss­chen wie eine Mischung aus dem Pfarrfest einer kleinen Kirchengemeinde und einem Kindergeburtstag an: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter drängt es nun danach, ihre „Wünsche für die Grüne Gentechnik“ zunächst auf eine bisher weiß gebliebene Plakatwand zu kleben. Später werden noch die Amflora-Werbepostkarten mit diesen Wünschen versehen, die dann, an Luftballons gebunden, durch die Luft fliegen. Wünsche wie: „Ich bin gegen den Welthunger“ oder „Nachhaltigkeit, damit wir auch in der Zukunft Lebensgrundlagen haben“ können im genannten Sinne leider nicht gewertet werden, da es sich bei diesen nicht wirklich um Wünsche für die Grüne Gentechnik handeln kann. Schon besser sind da: „Gene gegen Ertragsverlust“ und „Dass Fortschritt nicht länger das ist, was in anderen Ländern geschieht“. Die beiden persönlichen Favoriten der Autoren dieser Zeilen sind „Zukunft für die Menschheit“ und „Dialog statt Vandalismus“. Schön! Danach gibt es Kuchen für alle. Besonders hervorgehoben werden soll an dieser Stelle noch der junge Mann von der neuen Gentech-Lobbygruppe Forum Grüne Vernunft. Das Forum hat sich erst vor wenigen Wochen gegründet.1 Der Besuch auf dem Zepkower Acker war die erste der angekündigten Aktionen, mit welchen der Verein, in dem bisher vor allem der Gentechnik-Branche nahestehende Un-Ruheständler zusammenkommen, für die Gentechnik werben will. Auf dem selbst gemalten Schild des Forum-Mannes stand: „Grüne Vernunft gegen Feldzerstörung“. Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BASF hat er sich prima verstanden.

Kuschel-Taktik ohne Erfolg

Die BASF wird an ihrer Dialog-Strategie weiter feilen müssen. Die Kuschel-Taktik, mit eigenen Aktionen, eigener Demonstration und eigenen Leuten vor Ort präsent zu sein, hat zumindest für heute nicht funktioniert - die BASF wird am Ende des Tages nicht in der Tagesschau gewesen sein. Sie wird auf ihrem Amflora-Blog (www.amflora.de) berichten, dass sie und ihre MitarbeiterInnen auf Dialog und Vernunft gesetzt haben. Timo Böhme wird sagen, dass es wichtig sei, miteinander zu sprechen: „Der Dialog ist eigentlich das, was uns weiterbringen kann. Und der hat heute stattgefunden und das finde ich klasse.“ Der Blog wird vermutlich nicht ganz die Reichweite der Tagesschau haben, aber wenn die BASF jedeN ihrer Angestellten ermuntert, zehnmal auf die Seite zu klicken, kämen auch ganz ordentliche Zahlen zusammen.

Erschienen in
GID-Ausgabe
201
vom September 2010
Seite 42 - 44

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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Sulane Mustafa

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Amflora

Die gentechnisch veränderte Kartoffel „Amflora“ ist in diesem Frühjahr von der Europäischen Kommission für den Anbau in der EU zugelassen worden. In Deutschland wird die von der BASF vertriebene Kartoffel, die für die Stärkeindustrie vorgesehen ist, auf einem einzigen Acker im mecklenburgischen Zepkow angebaut. Kritisiert wird unter anderem, dass es keine abgestimmten Regeln (gute fachliche Praxis) für diesen Anbau gibt. Österreich hat die gv-Kartoffel in den eigenen Grenzen verboten.
(Christof Potthof)