APHIS - Report

In den USA werden Freisetzungen von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Einhaltung der entsprechenden Regeln durchgeführt. Die zuständigen Behörden sind mit der Situation überfordert, zum Teil wissen nicht einmal die freisetzenden Firmen selbst, wo die Pflanzen stehen.

Das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium hat bis zum April 2005 insgesamt mehr als 10.600 Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen genehmigt. Sie sind an fast 50.000 Orten durchgeführt worden. Entsprechend den Regeln sollten zwei Behörden des Landwirtschaftsministeriums diese Versuche kontrollieren. Ein Bericht, der nun vom Büro des General-Inspekteurs des Ministeriums (OIG) veröffentlicht worden ist, bringt die völlige Überforderung der Behörde zutage. Im Landwirtschaftsministerium ist grundsätzlich APHIS - Animal and Plant Health Inspection Service - verantwortlich für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen. Dies betrifft die Freisetzung zu nicht-kommerziellen Versuchszwecken. APHIS delegiert die Kontrollen an zwei ihr unterstellte Behörden: BRS (Biotech Regulatory Services) und PPQ (Plant Protection and Quarantine).

Aktueller Ansatz nicht ausreichend

Schon der erste Absatz in dem Bericht des General-Inspekteurs hat es in sich: "APHIS versichert der Öffentlichkeit, dass das Kontrollsystem der Freisetzungen strikt und effektiv sei. Nichtsdestotrotz stellte sich heraus, dass der aktuelle Ansatz nicht ausreichend ist, um die Freisetzungen zu managen. (...) APHIS fehlen klare, umfassende Anforderungen und effektive interne Kontrollen, um die unbeabsichtigte Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt zu minimieren". Dem Bericht des OIG zufolge ist es den Kontrolleuren zum Beispiel nicht gelungen, jede Fläche zu lokalisieren, auf denen die nicht zugelassenen Pflanzen, in der Sprache der US-Behörden: nicht de-regulierten Pflanzen, stehen sollten. Zum Teil konnten auch die Unternehmen, die die Freisetzungen beantragt und/oder durchgeführt hatten, nicht helfen - sie wussten nicht, wo sie ihre Pflanzen ausgebracht hatten. Zudem gibt es nach Aussage der Kontrolleure keinen lückenlosen formellen Fahrplan, an dem sich die Firmen orientieren könnten. Zum Bespiel fehlen klare Vorschriften, mit deren Hilfe die Öffentlichkeit vor gentechnisch veränderten essbaren Nutzpflanzen geschützt werden könnte.

Verschärfung bleibt ohne Folgen

In den USA ist in den vergangenen Jahren das Verfahren zur Kontrolle von Freisetzungen verschärft worden, nachdem bei Freisetzungsversuchen mit gv-Mais zur Herstellung von pharmakologisch wirksamen Stoffen eine Verunreinigung in den Pflanzen des Folgejahres entdeckt worden war. Die Firma Prodigene aus College Station im US-Bundesstaat Texas hatte es versäumt, wieder auskeimende gv-Maiskörner auf den Testflächen zu kontrollieren. Diese wurden erst später in der regulären Ernte von konventionellen Sojabohnen entdeckt. An anderer Stelle hatte die gleiche Firma die vorgesehenen Abstände zwischen ihren gv-Pflanzungen und konventionellen Feldern nicht eingehalten. Um einer Verunreinigung durch den Pollenflug der Pharma-Maispflanzen vorzubeugen, wurden die umliegenden Felder abgemäht und gesondert behandelt. Beide Fälle waren im Jahre 2002 publik geworden.(1) Die im Anschluss vom US-amerikanischen Lanswirtschaftsministerium festgelegten häufigeren Kontrollbesuche wurden aber, wie sich jetzt heraussstellte, von den APHIS-Mitarbeitern nicht durchgeführt. In einem etwas merkwürdigem Licht erscheint deshalb die Reaktion einer Sprecherin der Biotechnology Industry Organization (BIO), Lisa Dry, wenn sie über den im Dezember veröffentlichten Bericht sagt, er sei "mehr oder minder obsolet", da die Änderungen bereits auf den Weg gebracht seien.(2) BIO ist die größte Lobby-Organisation im Bereich der Biotechnologie in den USA und weltweit, sie vertritt - nach eigenen Angaben - mehr als 1.000 Biotech-Firmen und beschäftigt über 100 Mitarbeiter.

Unsicherer Transport

Auf dem Weg zu den Testfeldern wird systematisch missachtet, was die Regulierungsbehörde als Transportbehältnis für das Saatgut vorschreibt: Nicht einer der 199 kontrollierten Transporte wurde in den dafür vorgesehenen Metallcontainern durchgeführt. Sechs Transporte verfügten wenigstens über eine in diesem Fall mögliche Ausnahme-Genehmigung. Die US-Genehmigungs-Behörden unterscheiden zwei verschiedene Verfahren, nach denen der Regulierungsprozess durchgeführt wird: "Notification" und "permit" (siehe Kasten), das heißt, von den Behörden als potentiell weniger risikoreich eingestufte gv-Pflanzen müssen nur notifiziert (angezeigt) werden, Versuche mit potentiell gefährlicheren transgenen Pflanzen bedürfen einer gesonderten Genehmigung (Permit). 79 der unter illegalen Bedingungen transportierten Saaten gehörten in diese zweite Gruppe. Um die Fehler der beteiligten Behörden während der ganzen Wachstums-Saison der Pflanzen zu vervollständigen: Die Autoren des Berichtes bemängeln, dass die zuständige Behörde BRS - und die beteiligten Firmen und Landwirte - nicht in ausreichender Weise dafür Sorge tragen, gegebenenfalls mit Unsicherheiten behaftetes Erntegut den Regeln konform zu behandeln. In zwei Fällen lagerte dieses - als Überbleibsel eines Versuches mit gv-Pharmapflanzen - in Vorratsbehältnissen ("storage facility"), von denen die Behörde - die BRS - nichts wusste, geschweige denn, dass sie diese legitimiert hätte. Gefunden wurde die Ernte mehr als ein Jahr nach Beendigung der Freisetzungsversuche. Ein weiterer kritisierter Punkt im Verfahren ist die fehlende, nicht ausreichende oder mangelhafte Dokumentation des genauen Ablaufs der Freisetzung durch die zwei APHIS direkt und dem Landwirtschaftsministerium indirekt unterstehenden Behörden BRS (Biotech Regulatory Services) und PPQ (Plant Protection and Quarantine). Die BRS trägt zwar die generelle Verantwortung und Federführung über die Freisetzungsversuche. Nichtsdestotrotz werden die meisten Vorort-Kontrollen von der PPQ durchgeführt und verantwortet. Dazu heißt es in dem Bericht: "APHIS muss die internen Vorgänge zur Regulierung und Durchführung (managing) der Freisetzungen stärken." Die Behörde APHIS habe zwar die Verantwortung auf diese zwei Behörden (PPQ und BRS) verteilt, es aber versäumt, die Zuständigkeiten zu regeln.

Keine Verfolgung von Fehlverhalten

Da sich die Behörden nicht an ihre eigenen Vorschriften zur Dokumentation halten, kommt es nicht zur Verfolgung von Fehlverhalten. Teilweise ist dies der Tatsache geschuldet, dass eine der Behörden die Informationen der anderen nicht in die eigene Datenbank überführt hat. Elf solcher nicht korrekten Vorgänge wurden gefunden, nur einer davon war weitergehend untersucht worden. Nicht zu vergessen die Fälle, in denen die zuständigen Mitarbeiter es unterlassen hatten, die Regelüberschreitungen überhaupt zu dokumentieren ... Der Bericht hatte bereits vor seiner Veröffentlichung die erste Runde der Kommunikation zwischen den Kontrolleuren und dem Animal and Plant Health Inspection Service (APHIS) durchlaufen. Die kritisierte Behörde mit ihren zwei Untereinheiten hat den Kritikpunkten im Großen und Ganzen zugestimmt und Verbesserungen auf den Weg gebracht oder entsprechende Pläne in Angriff genommen. Insofern liest sich die Kommunikation zwischen den verschiedenen Seiten teilweise wie Eitel-Sonnenschein, dies gilt insbesondere für die 23 der 28 von den Kontrolleuren vorgebrachten Empfehlungen, die praktisch direkt und kommentarlos akzepiert worden sind. Doch gibt es durchaus Widersprüche zwischen der APHIS, ihren beiden Fachbehörden BRS und PPQ und den Kontrolleuren aus dem Ministerium.

Mündliche Absprachen

So zeigten die Inspeukteure des OIG - des Generalinspekteurs des Landwirtschaftsministeriums - wenig Verständnis für die fehlenden Berichte zu den Freisetzungen (nach Notifizierung). Dazu hatten sie 90 Schriftwechsel zur Anzeige (notification - siehe Kasten) kontrolliert. Sie bemängeln, dass den freisetzenden Unternehmen oder anderen Einrichtungen in allen diesen Fällen erlaubt worden war, mündlich darüber zu berichten, in welcher Form die Feldversuche durchgeführt worden sind (oder gegebenfalls noch durchgeführt werden). Die Regeln der APHIS sehen zwar die Erstellung eines Ablaufplans für die Durchführung der Freisetzung vor. Ob dies schriftlich oder mündlich gemacht werden muss, wird aber nicht konkretisiert. Da die Genehmigungen aber auf der Basis dieses bestimmten Ablaufplans erteilt werden, gibt es - ohne schriftliche Ausarbeitung - bei der Kontrolle der Durchführung keine Gewähr, dass dieser tatsächlich eingehalten wird. Die Kontrolleure beklagen außerdem, dass APHIS nicht in ausreichender Weise von Sanktionen Gebrauch macht. "Impose sanctions" - Verhängen Sie Strafen - heißt es schlicht in den Empfehlungen. Insbesondere die Verweigerung weiterer und der Rückzug bestehender Genehmigungen für Freisetzungen werden nicht als Druckmittel eingesetzt. Die erste Frage, die sich förmlich aufdrängt, ist, ob es durch die beschriebenen Fehler zu unbeabsichtigten Freisetzungen oder Einmischungen von gentechnisch veränderten Organismen in Nahrungsmittel gekommen ist. Viel zentraler aber ist, ob überhaupt angemessen danach gesucht wurde.

Fußnoten:

  1. Zum Prodigene-Fall siehe unter anderem: Gen-ethischer Informationsdienst (GID) 155 und 156 (Dezember 2002/Januar 2003 und Februar/März 2003)
  2. New York Times, 03.01.06

Quellen:

Audit Report - Animal and Plant Health Inspection Service (APHIS) "Controls Over Issuance of Genetically Engineered Organism Release Permits". U.S. Department of Agriculture (USDA), Office of Inspector General (OIG), Southwest Region. Dezember 2005, im Netz unter: www.usda.gov/oig/webdocs/50601-08-TE.pdf.

Notifizierung oder Genehmigung?

In den USA werden von den Genehmigungsbehörden zwei Arten von Verfahren angewendet, um Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen (zu Testzwecken) zu gestatten.

  1. Notifizierung (notification): In diesem Fall muss der Antragsteller der zuständigen Behörde nur eine Mitteilung zukommen lassen, dass eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen geplant ist. Die Notifizierung muss spätestens dreißig Tage vor der geplanten Freisetzung eingereicht worden sein. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn die gentechnisch veränderten Pflanzen sechs Kriterien erfüllen: Sie dürfen ... - nicht als Unkraut in der für den Anbau geplanten Region gelistet sein, - nicht in der Weise gentechnisch verändert sein, dass das eingefügte genetische Material nicht fest integriert ist, - keine unbekannten Gene enthalten, - keine infektiösen Partikel (zum Beispiel Viren) produzieren, giftig sein oder für eine pharmakologische Verwendung gedacht sein, - kein Risiko in sich bergen, ein neues Pflanzenvirus zu produzieren und - kein genetisches Material von tierischen oder humane Giftstoffen enthalten. Zudem gibt es ein Set von Regeln für die Kultivierung, die gewährleisten, dass die Pflanzen selbst oder ihre Nachkommen in die Umwelt entweichen. Im Jahre 2004 wurden 930 von 959 (97 Prozent) der genehmigten Freisetzungen in den USA unter diesem Prozedere reguliert.
  2. Genehmigung (permit): In diesem Fall muss der Antragsteller um eine Genehmigung ersuchen. Der Antrag muss spätestens 120 Tage vor der geplanten Freisetzung vorliegen. Dazu müssen detailliertere Angaben zu dem GVO bereitgestellt werden. Es wird angenommen, dass der Organismus und die gentechnische Veränderung nicht bekannt und die unter 1. genannten Kriterien nicht erfüllt sind. Alle Freisetzungen von Organismen, die keine Pflanzen sind, müssen genehmigt werden.

(Hannah Laup)

Erschienen in
GID-Ausgabe
174
vom Februar 2006
Seite 28 - 30

Hannah Laup ist freie Journalistin und lebt in Halle an der Saale.

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