Rezension: Inklusion gleich Utopie?
Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention bedeutet die volle „Einbeziehung in die Gesellschaft“. Behinderte dürfen demnach nicht vom regulären Bildungssystem ausgeschlossen werden und müssen Arbeit auf einem „zugänglichen Arbeitsmarkt“ wählen können. Uwe Beckers wirft der Bundesregierung Utopismus vor. Man erkläre, der Utopie verpflichtet zu sein, stelle ihre Umsetzung aber unter Finanzierungsvorbehalt. „Radikale Anfragen an ordnungspolitische Grundsätze“, also wirkliche Veränderungen, würden regelmäßig mit dem Verweis auf Sachzwänge abgewehrt. Diesem richtigen Punkt stellt Becker nicht die Tatsachen der Ausgrenzung gegenüber. Die Behindertenwerkstätten kritisiert er nur zurückhaltend und beklagt den Verlust von „Schonräumen“. Missstände, wie Zwangsunterbringungen oder den Ausschluss behinderter Flüchtlinge von regulären Gesundheitsleistungen, erwähnt er nicht. Stattdessen befasst er sich allgemein mit neoliberaler Politik und verliert sein Thema aus den Augen. Becker ist Vorstandsmitglied der Diakonie Rheinland Westfalen-Lippe. Vielleicht thematisiert er deshalb nicht, dass sich Inklusion auch kritisch gegen die Behindertenhilfe richtet.
Michael Zander
➤ Uwe Becker: Die Inklusionslüge. Behinderung im flexiblen Kapitalismus. transcript (2015), Bielefeld, 208 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-8376-3056-5.