Glückwunsch!
Zum Jubiläum von „Kein Patent auf Leben!"
Seit 20 Jahren ist „Kein Patent auf Leben!" nun aktiv. Aber eine Initiative ist nichts ohne die Menschen, die aktiv sind und eine Idee, eine Kampagne, eine Aktion mit Leben füllen. Bei Kein Patent auf Leben! waren in der Vergangenheit viele Menschen aktiv - doch zwei sind die Gesichter. Ein paar freundliche Worte.
Der gute Ritter
Das Europäische Patentamt ist für viele wie ein verwunschenes Schloss: Umwuchert von Gesetzesparagraphen in Juristenchinesisch, beschützt durch bärbeißige Sicherheitsleute und verteidigt durch ein Heer von Patentanwälten und Industrielobbyisten. Doch es gibt einen Ritter, der sich immer wieder in das Innerste des Schlosses durchkämpfen kann und das System dort mit spitzen Stichen trifft. Dieser gute Ritter ist seit 20 Jahren Kein Patent auf Leben! und allen voran Ruth Tippe. Ihr gehört unser Dank, dass sie uns seit Jahren die Funktionsweise des Patentamtes erklärt, Patente aufdeckt, die es in dieser Form nie geben dürfte und Einsprüche koordiniert, die so manches unsägliche Patent zu Fall gebracht haben. Es gibt wohl kaum eine andere Organisation, die mit so wenig Ressourcen so viel erreicht. Herzblut und eine immenses Engagement machen hier den entscheidenden Unterschied. Wären Monsanto, Syngenta und Co. so effizient wie Kein Patent auf Leben!, stünde es schlecht um unsere Welt. Die Taten der Vergangenheit sind ein Versprechen für die Zukunft. Es gibt noch viel zu tun beim Patentamt. Und es ist schön, dass wir dafür auch weiterhin auf Kein Patent auf Leben!, auf Ruth Tippe und ihre Knappen zählen dürfen.
François Meienberg, Erklärung von Bern
Interventionen!
Am Anfang war das Krebsmauspatent. In schneller Folge wurden seither immer neue Patente erteilt: auf Tiere und Pflanzen und auf Saatgut, auf menschliche Gene und sogar auf Embryonen, auf Lebensmittel und auf Zuchtverfahren. Vielleicht hätte kaum jemand bemerkt, was da geschieht in dem großen Haus an der Isar. Aus den Patenten wären klammheimlich juristische und ökonomische Fakten geworden, die unglaublichsten Veränderungen an Lebewesen wären als Eigentumsrechte sanktioniert und zu Geld gemacht worden ... wenn, ja wenn nicht zwei engagierte Menschen - Christoph Then und Ruth Tippe - diese Praxis öffentlich gemacht und entschiedenen Widerspruch dagegen formuliert hätten: Kein Patent auf Leben! Doch wie viel Arbeit steckt hinter diesen Interventionen! Die Erteilung „falscher“ Patente muss entdeckt, die Einsprüche formuliert und in Verhandlungen möglichst durchgesetzt werden. Zu den rechtlichen Interventionen kamen die Aktionen: Vor dem Europäischen Patentamt in München gab es phantasievolle Auftritte mit großen und kleinen Organisationen, vereint im Protest gegen Patente auf Leben: mit der Power von Greenpeace und mit den Landwirten, die ihre Tiere mitbrachten, mit echten Schweinen, die ungeplant und schnell die Rasenkunsthügel des Patentamtes umpflügten. Es gab Obst, Gemüse und aufblasbare Riesen-Tomaten, es gab zugemauerte Türen und eingefrorene Puppen, Aktionen mit Kuhmist und mit Neembäumen, mit fliegenden Aktenordnern und mit Kunstwesen wie der eierlegenden Wollmilchsau und den trojanischen Mäusen. Und immer wieder - buchstäblich bei jedem Wetter - kamen hunderte Bürgerinnen und Bürger, die ihren Protest selbst zum Patentamt tragen wollten. „Wenn die Wissenschaft sich schneller entwickelt als unser moralisches Verstehen, wie das heute der Fall ist, tun sich die Menschen schwer, ihre Beunruhigung in Worte zu fassen.“ (Michael Sandel) (1) Diese Beunruhigung in Worte zu fassen, ist Ruth Tippe und Christoph Then (nicht nur) bei der Patentierung von Lebewesen gelungen. Sie haben aber noch mehr erreicht: Transparenz und gelungenen Widerstand. Liebe Ruth, lieber Christoph, ich weiss - Lob ist Euch suspekt. Ihr sagt: „Wir machen nur unsere Arbeit.“ Genau das ist es aber, was Euch ausmacht: Eure Sachlichkeit, Euer Wissen, Euer Engagement, der Biss und die Energie, die Ihr in diese Arbeit, diese Berufung steckt. Dafür danke ich Euch herzlich!
Sylvia Hamberger, Gesellschaft für ökologische Forschung
Quelle: (1) Michael Sandel (2008): Plädoyer gegen die Perfektion. Ethik im Zeitalter der genetischen Technik, Berlin.
Krebsmaus und Mikrowellenherd
20 Jahre seit dem ersten großen Einspruch gegen das so genannte Krebsmauspatent! Es ist dies eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte, obwohl wir viele Einsprüche gegen Patente auf Lebewesen und Gensequenzen verloren haben - manche haben wir auch gewonnen! Und diese Erfolgsgeschichte verdanken wir vor allem zwei Personen: Ruth und Christoph, die unermüdlich, hartnäckig und unentwegt zwanzig Jahre lang drangeblieben sind und sich inzwischen eine Riesenexpertise angeeignet haben, während andere (zum Beispiel ich) sich mit der Zeit in andere Gefilde verzogen und sehr, sehr froh waren, dass diese beiden mit immer neuen Koalitionspartnern weitermachten. Denn kaum je hat eine Kampagne so auf den Punkt gebracht, um was es geht: um Macht und Kontrolle - und um den (abhandengekommenen) Respekt gegenüber dem Lebenden. Um ein Patent zu erhalten, müssen drei Grundbedingungen erfüllt sein: 1. Es muss eine Erfindung sein, nicht bloss eine Entdeckung. 2. Der Patentgegenstand muss genau beschrieben werden, so dass 3. eine Fachperson diesen Patentgegenstand nachbauen kann. Das ist quasi der philosophische Hintergrund des Patentsystems. Doch ist nicht genau dies der fundamentale, großartige Unterschied zwischen einer Krebsmaus und einem Mikrowellenherd, zwischen Leben und Nichtleben: dass Leben NICHT erfunden, NICHT beschrieben und NICHT nachgebaut werden kann?
Florianne Köchlin, Blauen-Institut
In der Erhardstraße
... und dann stehen wir wieder zusammen in der Erhardtstraße in München vor dem Europäischen Patentamt. Ein paar hundert Menschen, manchmal waren wir auch über 1.000, protestieren gegen Patente auf Brokkoli, Melonen, Schweine, Kühe, Sonnenblumen, Krebsmaus, Neem und, und, und... Das ist immer wieder schön, auch wenn die Anlässe eher dazu geeignet sind, sehr wütend zu werden. Hinter diesen Aktionen steht vor allem die Arbeit von Ruth Tippe und Christoph Then. Unterschiedlichste Menschen in unterschiedlichsten Koalitionen haben sie schon mit den Ergebnissen ihrer Recherchen nach München gelockt. Und wenn man die beiden dann bei einer dieser Aktionen zusammen sieht, mit ihrer freundlichen, zugewandten und bescheidenen Un-Eitelkeit - dann kann man einen Eindruck davon bekommen, warum Kein Patent auf Leben! schon so lange so wichtige Arbeit mit derart geringen Ressourcen leisten kann. Für das Gen-ethische Netzwerk ist es in erster Linie eine Ehre, dass wir der - politisch unabhängigen - Initiative Kein Patent auf Leben! formelle Unterstützung geben können. Vielen herzlichen Dank Euch beiden und allen anderen, die geholfen haben und helfen werden!
Gen-ethisches Netzwerk e.V., Berlin
Ans Licht der Öffentlichkeit
Wir führen als Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. und als IG Nachbau die Auseinandersetzung um Gentechnik in der Landwirtschaft, um Patente auf Leben und für das jahrhundertealte Recht auf Nachbau. Das soll den Bauern genommen werden. Uns geht es um die Verteidigung von bäuerlichen Rechten und deren jahrtausende lange Züchtungsarbeit. Industriekonzerne und wissenschaftliche Institute werden nicht müde, das „geistige Eigentum“ bei Pflanzen und Tieren für sich zu deklarieren. Da müssen wir gegenhalten. Pflanzen und Tiere sind keine Erfindungen des Menschen sondern Leben gehört sich selbst. Natur und die Grundlagen unsere Ernährung, die genetischen Ressourcen unserer Nutzpflanzen und Tiere dürfen nicht patentiert und monopolisiert werden. Das Funktionieren der Patentmaschinerie ist durch die Recherchen unzähliger Beispiele umfassend von Kein Patent auf Leben! ans Licht der Öffentlichkeit gebracht worden. Das ist an sich schon ein großer Erfolg. Auch dass die Politik sich nun öffentlich gegen Patente auf Leben äußert und parteiübergreifende Beschlüsse im Bundestag und im Europäischen und anderen Parlamenten fasst, zeigt, dass in den letzten Jahren wirklich etwas in Bewegung gekommen ist. Kein Patent auf Leben! hat an dieser Entwicklung einen großen Anteil, den wir sehr schätzen. Dem undemokratischen Verfahren des Europäischen Patentamtes, das als Steigbügelhalter der Industriekonzerne fungiert, muss ein Riegel vorgeschoben werden und Gesetzeslücken müssen geschlossen werden. Es ist ein gewaltiges dickes Brett, das hier zu bohren ist. Ein sehr zuverlässiger Bohrer und ein Partner, mit dem wir unheimlich gerne diesen Kampf führen, ist Kein Patent auf Leben!. Wir wissen, was wir an Ruth Tippe und Christoph Then haben. Vielen Dank für Euren unermüdlichen Kampfesgeist!
Georg Janßen (AbL e.V.) Gerhard Portz (IG-Nachbau) Annemarie Volling (AbL e.V.)
Kampf gegen Biopiraterie!
Über Jahrzehnte haben multinationale Saatgutkonzerne versucht, die Gültigkeit der Rechte auf geistiges Eigentum auf das Saatgut in den sich entwickelnden Ländern auszuweiten - diese Art von Recht hatte dort zuvor praktisch keinerlei Bedeutung. Es gelang der Saatgutindustrie weitgehend, dieses Recht international zu vereinheitlichen - insbesondere mit der Gründung eigener Verbände, der Verabschiedung des UPOV-Abkommens von 1991 und internationalen Patent-Regimen. Um diese Veränderungen in Afrika zu beschleunigen, wurden zunächst bilaterale Abkommen abgeschlossen - insbesondere mit der Europäischen Union und den USA. Die Länder nutzten ihre wirtschaftliche Macht rücksichtslos aus, um in diesen Abkommen strikte Schutzrechte für landwirtschaftlich genutzte Sorten durchzusetzen. In einem zweiten Schritt wurden dann regionale wirtschaftliche Zusammenschlüsse afrikanischer Staaten gedrängt, ihre Saatgutrechtssysteme zu harmonisieren. In der Konsequenz wurden diese fast so zwingend wie das Patentrecht. Tatsächlich scheint es für die Patentierbarkeit keine Grenzen zu geben: egal ob es sich um einzelne Gene oder Fragmente von ihnen, Mikroorganismen oder Menschen, Viren bis vollständige Pflanzen und transgene Tiere und Entwicklungsprozesse, aus denen Organismen entstehen, handelt. Neue Verfahren in der Gentechnologie betreffen die Organellen in den Zellen, zum Beispiel die Chloroplasten - in denen die Photosynthese abläuft - oder die Mitochondrien - die als die Kraftwerke bezeichnet werden - bis hin zu künstlich synthetisierten so genannten Mini-Chromosomen. Das ist die Bandbreite an Lebewesen, Zellen, Organen, Organellen, Gen-Material und Stoffwechsel-Prozessen, die heute als patentierbare Erfindungen angesehen wird. Was das für die Industrie so reizvoll macht? Dass dies alles patentiert werden und damit Geld verdient werden kann. In enger Kooperation haben wir 2010 gemeinsam mit Kein Patent auf Leben! und mit der Unterstützung weiterer Freundinnen und Freunde das Patent der Firma Schwabe auf Pelargonium zu Fall gebracht. Vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg ist gerade beim Kampf gegen Biopiraterie von entscheidender Bedeutung. Die Unwissenheit über die wirtschaftlichen Potentiale von Naturstoffen in den südlichen Ländern auf der einen Seite, aber eben auch die rücksichtslose Aneignung der genetischen Ressourcen durch Unternehmen in den Industrienationen auf der anderen Seite machen Biopiraterie zu einem lukrativen Geschäft. Kein Patent auf Leben! mit Ruth Tippe und Christoph Then setzt sich dafür ein, diesen Geschäften einen Riegel vorzuschieben.
Mariam Mayet, Direktorin des African Center for Biosafety (Südafrika)
Freundinnen und Freunde
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