Bt-Mais vielerorts verboten

Gerichte bestätigen: Es handelt sich um ein Biozid

Verwaltungsgerichte in Brandenburg bestätigten im Sommer die Anordnung der Behörden an einen Landwirt, seinen gentechnisch veränderten Mais unterzupflügen. Er hatte die transgene Saat in einem Schutzgebiet ausgebracht, in dem Biozide nicht gestattet sind.
In der Öffentlichkeit entsteht immer wieder der Eindruck, Bt-Mais, der das Gift des bodenlebenden Bakteriums Bacillus thuringiensis produziert, sei weniger schädlich für die Umwelt, als mit Insektiziden behandelter konventioneller Mais. Grund für die weit verbreitete Annahme ist der Umstand, dass bei dem Anbau der transgenen Pflanzen kein Insektengift aufgespritzt werden muss. Dieser Eindruck trügt, denn Bt-Pflanzen tragen das Gift bereits in sich, so dass sich ein Aufspritzen auf die Pflanzen erübrigt. Wegen der damit zusammenhängenden Risiken ist der Anbau von gentechnisch verändertem MON810-Mais der Firma Monsanto seit Jahren in etlichen EU-Mitgliedstaaten wie Österreich oder Ungarn ganz verboten. In Deutschland darf die Pflanze zwar grundsätzlich noch angebaut werden, aber nur bei Einhaltung eines strengen Beobachtungsplans, der im Moment vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Gentechnik-Konzern Monsanto ausgehandelt wird.(1)

Biozide nicht gestattet

Selbst dieses eingeschränkte Anbaurecht ist von dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder im Juli 2007 noch einmal erheblich reduziert worden.(2) Der brandenburgische Landwirt Jörg Piprek hatte seinen Mais in und in der Nähe von einem nach deutschem und europäischem Recht gesicherten Schutzgebiets in der Märkischen Schweiz ausgebracht. Die brandenburgische Landesregierung befürchtete eine Beeinträchtigung dieses Gebietes durch das Gift in den Pflanzen und wies daher das Landratsamt an, den Anbau zu untersagen.(3) Der Monsanto-Bauer weigerte sich jedoch, säte trotzdem aus und klagte gegen das Verbot. Die brandenburgische Landesregierung beauftragte das Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen mit der Ausarbeitung der juristischen und naturschutzfachlichen Verteidigungsstrategie und erstritt das erste gerichtlich bestätigte

Anbauverbot für Gen-Pflanzen in Deutschland.

MON810 stellt demzufolge wegen des gentechnisch eingebauten Insektengifts ein verbotenes Biozid im Sinne des Naturschutzrechts dar. Außerdem handelte es sich bei den Gebieten um Schutzgebiete im Sinne des EU-Rechts, was die Position des Monsanto-Bauers weiter verschlechterte. Das bedeutet nämlich, dass der MON810-Einsatz auch auf Grund des Rechts der Europäischen Union (EU) entweder ganz verboten oder nur nach Durchführung einer für den Durchschnitts-Landwirt nicht bezahlbaren Verträglichkeitsprüfung zulässig war. Wegen drohenden Pollenflugs wurde auch der Anbau solcher Pflanzen verboten, die sich lediglich in der Nähe des Schutzgebiets befanden. Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg blieb erfolglos. Das Urteil wurde durch Unterpflügen der Maispflanzen vom Landwirt selbst vollstreckt. Der Beschluss bedeutet einen großen Rückschlag für den Anbau von Gen-Pflanzen, da das Gericht weder in der Zulassung von MON810 noch in der bisher nicht erfolgten Umsetzung des EU-Rechts beziehungsweise des Paragrafen 34a des Bundesnaturschutzgesetzes (BnatSchG) einen Grund gegen dieses Anbauverbot sah. Damit wies das Gericht zwei immer wieder angeführte Generalargumente gegen solche Anbauverbote zurück.(4) Der Beschluss wird derzeit in Fachkreisen und anderen Landesbehörden intensiv diskutiert und könnte in Zukunft Grundlage für etliche Verbotsverfügungen sein. Dass die Entscheidung nur im Eilverfahren gefällt wurde, ändert an ihrer Bedeutung für das nächste Jahr nichts. Denn die meisten Prozesse dieser Art werden nur im Eilverfahren ausgefochten. Und in den Fällen, in denen es doch zum Hauptsacheverfahren kommt, bestätigen die Gerichte fast immer die im Eilverfahren getroffene Entscheidung. Nach Auffassung des Tübinger Instituts dürfte dieser Präzedenzfall für eine erhebliche Verunsicherung der Landwirte im Anbaujahr 2008 führen. Denn die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für den Anbau in den zahlreichen ausdrücklich ausgewiesenen Schutzgebieten. In einer neuen Entscheidung verlangt der Europäische Gerichtshof auch einen effektiven Schutz solcher Flächen vor negativen Einflüssen von außen, die im gegebenen Fall zum Beispiel durch Pollenflug entstehen könnten. Die Umsetzung dieser Rechtssprechung macht entsprechend große Pufferzonen zu solchen Schutzgebieten erforderlich.(5)

Auch Abstände zu Schutzgebieten notwendig

Außerdem gilt europäisches Naturschutzrecht nicht nur für explizit ausgewiesene Schutzgebiete, sondern auch für solche Gebiete, die ausgewiesen werden müssten, es aber nicht sind (potentielle Schutzgebiete). Ein weiterer Anwendungsbereich für Anbauverbote sind die Reserveflächen für so genannte Ausgleichs- und Kohärenzmaßnahmen. Solche Reserveflächen braucht man dann, wenn aus Gründen der Infrastruktursicherung zum Beispiel eine Autobahn oder ein Flughafen unter Inanspruchnahme von Schutzgebieten gebaut wird. In diesem Fall schreibt nämlich das EU-Recht als Ausgleich für die zerstörten Gebiete die Ausweisung neuer Schutzgebiete vor. Sind diese aber durch Gen-Pflanzen geschädigt, kommen sie als Ausgleichsflächen nicht mehr in Betracht.(6)

Landwirte haften für Biodiversitätsschäden

Schließlich droht dem Landwirt - wenn es durch Gen-Pflanzen zu Biodiversitätsschäden kommt - eine Haftung nach der neuen Umwelthaftungsrichtlinie der EU und deren deutscher Umsetzung, dem Umweltschadensgesetz. Da die Gefahren durch Bt-Pflanzen spätestens seit dem Vermarktungsverbot des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit allgemein bekannt sind (1), handelt jeder Landwirt schuldhaft, der vor der Aussaat nicht genau prüft, ob er durch seinen geplanten Anbau einen Biodiversitätsschaden verursacht. Diese Haftung gilt sogar unabhängig von Schutzgebieten für alle im Europäischen Naturschutzrecht besonders geschützten Arten und Lebensräume. Das Naturschutzrecht stellt damit - neben den Maßnahmen zur Koexistenzsicherung (7) - einen wichtigen Pfeiler zur hoheitlichen Absicherung gentechnikfreier Regionen dar.

Durchsetzung der Anbauverbote

Die Durchsetzung von Anbauverboten wie Haftungsansprüchen obliegt den Naturschutzbehörden der Länder beziehungsweise den Landesumweltministerien. Verstoßen diese ihrerseits gegen Europäisches Naturschutzrecht, weil sie Gen-Pflanzen unter Mißachtung von Anbauverboten dulden oder die Landwirte für Schäden nicht regresspflichtig machen, kommt auch eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland in Betracht. Auch Umweltverbände haben die Möglichkeit, Anbauverbote wie Haftungsansprüche durchzusetzen, allerdings ist die dafür notwendige juristische Expertise nicht zu unterschätzen.
  • Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Auflage eines Monitoringsplans für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais MON810 vom 3.5.2007, BVL 47/2007/4. Siehe dazu auch den Beitrag „MON810 vor dem Aus“ von Christof Potthof im Gen-ethischen Informationsdienst (GID), Juni 2007.
  • VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 13.7.2007, Natur und Recht 2007, S. 626 ff.
  • Ordnungsverfügung des Landratsamts Märkisch-Oderland vom 16.5.2007.
  • Zu den Grundzügen der Argumentation, auf denen dieses Rechts- und Fachgutachten aufbaute, siehe Palme/Schumacher, Die Regelungen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung bei Freisetzung oder Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen in § 34a BNatSchG, Natur und Recht 2007, S. 16 ff.
  • Palme, Neue Rechtsprechung von EuGH und EuG zum Natur- und Artenschutzrecht, Natur und Recht 2007, S. 243 ff., 244.
  • Zu dieser so genannten Dragaggi-Rechtsprechung siehe Schumacher/Palme, Das Dragaggi-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und seine Auswirkungen auf das deutsche Habitatschutzrecht, Europäisches Umwelt- und Planungsrecht 2005, S. 175 ff.
  • Hierzu im einzelnen unter Berücksichtigung des Oberösterreich-Urteils der EU siehe Palme, Nationaler Naturschutz und Europäisches Gentechnikrecht, Natur und Recht 2006, S. 76 ff.
  • Seite 23 - 24

    Dr. iur. Christoph Palme hat eine große Anzahl von wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Publikationen insbesondere zu Fragen des Gentechnik- und des Umweltrechts veröffentlicht.

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