Der neue Bt-Mais von Monsanto
Heutzutage sind mehrere hundert Resistenzen von landwirtschaftlichen Schädlingen gegen Insektizide bekannt. Auf landwirtschaftliche Systeme zugeschnittene Resistenzmanagement-Programme in den USA dienen dazu, Resistenzentwicklungen der Schädlinge zu vermeiden beziehungsweise hinauszuzögern. Was aber, wenn die Festlegung einer Refugien-Strategie auf dünner wissenschaftlicher Basis erfolgt und die Bauern die Vorschriften teilweise ignorieren?
Ende Februar 2003 genehmigte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) eine neue gentechnisch veränderte (gv) Maislinie (Mon863; YieldGard Rootworm Corn) zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers. Die gv Maispflanze bildet ein Bt-Toxin gegen den Schädling, der ein großes Problem in den Maisanbauregionen des Mittleren Westens darstellt. Das eingeführte Gen (cry3Bb1) stammt von einer Unterart von Bacillus thuringiensis (Bt) und wurde schon 2001 von der EPA bewertet. Ähnlich wie bei der Genehmigung der Maislinie, die Bt-Toxine gegen den Maiszünsler bildet, wurde Mon863 befristet und unter Auflagen zugelassen, da die längerfristige Wirkung der GVO-Pflanze auf Mensch und Umwelt einer erneuten Prüfung unterzogen werden soll. Zur Verzögerung einer Resistenzbildung bei den Schadinsekten soll eine Refugienstrategie verfolgt werden. Darüber hinaus muss ein Resistenzmonitoring stattfinden, um frühzeitig resistente Wurzelbohrerexemplare zu entdecken.
Die durch den Schädling verursachten Ertragsverluste in den USA belaufen sich nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums auf 800 Millionen US-Dollar jährlich. Daher nimmt es nicht wunder, dass der Wurzelbohrer im konventionellen Landbau durch einen intensiven Insektizid-Einsatz bekämpft wird. Die Insektizide enthalten zahlreiche so genannte Organophosphate, die Mensch und Umwelt im hohen Maße schädigen können. Eine Fruchtfolge mit Sojabohnen, die den Insektizideinsatz reduzieren könnte, stellte sich in einigen Regionen als nicht mehr wirkungsvoll heraus. Darüber hinaus liegen zum Beispiel in Nebraska teilweise schon Resistenzen gegen bewährte Insektizide vor.
Der Zulassung der neuen Maislinie ging eine Beratung in einem wissenschaftlichen Ausschuss der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA voraus. Die Ausschuss-Mitglieder erachteten ein adäquates Resistenzmanagement als sehr wichtig. In früheren Laborversuchen war der Schädling in der Lage, gegenüber Insektiziden Resistenzen auszubilden. Es ist bekannt, dass die Schadinsekten durch einen großflächigen Anbau von Bt-Pflanzen einem kontinuierlichen Selektionsdruck ausgesetzt sind, was die Resistenzentwicklung beschleunigt. Somit besteht die Gefahr, dass Resistenzen sich innerhalb weniger Insektengenerationen aufbauen können. Die Aussagen bezüglich der Zeitdauer sind allerdings widersprüchlich. Die EPA kalkuliert, dass eine Resistenz selbst bei einem hundertprozentigen Anbau von Bt-Mais sich erst nach sieben bis fünfzehn Jahren einstellt. Weiterhin können so genannte Kreuzresistenzen (das heißt: Ein Resistenzmechanismus gegen ein Bt-Toxin kann eine Resistenz gegen ein anderes Bt-Toxin hervorrufen) auftreten, da längerfristig weitere Bt-Maislinien auf den Markt drängen werden und möglicherweise in enger Nachbarschaft angebaut werden. Darüber hinaus ist der wirkungsvolle Einsatz von Bt-Spritzmitteln bedroht. Mikrobielle Bt-Präparate werden seit langem als biologische Pflanzenschutzmittel angewandt; sie sind auch im Ökologischen Landbau zugelassen.
Refugienbildung
Das Bt-Toxin, das in der neuen Maislinie relativ gering dosiert ist, tötet nur 50 bis 80 Prozent der Wurzelbohrerlarven. Um das Risiko der Resistenzbildung zu minimieren, bekam Monsanto die Auflage, dass 20 Prozent der Anbaufläche mit konventionellem Mais (beziehungsweise "nicht-Bt-Mais") bepflanzt werden müssen. Diese Fläche soll als Rückzug für Wurzelbohrerpopulationen dienen, die dem Bt-Toxin nicht unmittelbar ausgesetzt sind, bei denen dann die Möglichkeit einer Resistenz mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit auftritt. Durch die Kreuzung der Bt-resistenten mit den nicht-resistenten Insekten soll die Gesamtzahl von resistenten Wurzelbohrern begrenzt bleiben und die Resistenzbildung hinausgezögert werden. Dies liegt wiederum daran, dass die bisher beobachteten Resistenzen nur an die nächste Generation weiter gegeben werden, wenn beide Eltern sie tragen und selbst dann nicht immer - die Resistenzen werden rezessiv an die nächste Generation vererbt. In dem Refugium kann mit herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln gearbeitet werden.
Streit in der EPA
Die Festlegung der Refugienfläche verlief alles andere als harmonisch. Eine wissenschaftlich begründete behördliche Regelung über die Größe der Refugienfläche im Rahmen des Genehmigungsverfahrens konnte nicht getroffen werden, da ein Großteil der vorgelegten empirischen und theoretischen Untersuchungen auf der Basis eines hochdosierten Einsatzes von Bt-Toxinen durchgeführt worden waren, die Pflanzen das Insektizid aber nur in mittleren bis niedrigen Dosen produzieren.
Bei der Anhörung der wissenschaftlichen Sachverständigen (dem so genannten Scientific Advisory Panel "SAP") durch die EPA im August 2002 hatte sich die Mehrheit des Panels dafür ausgesprochen, dass 50 Prozent der Anbaufläche als Refugium dienen sollen. Da es - nach Meinung der Ausschuss-Mitglieder - anfänglich wegen einer geringen Marktdurchdringung voraussichtlich nur zu einer lokalen Verbreitung der Maislinie kommen werde, die jedoch in den betroffenen Regionen zu einem signifikanten Anstieg der Resistenzhäufigkeit führen könnte, wurde die Festsetzung der Flächengröße auf 20 Prozent als verfrüht angesehen. Die WissenschaftlerInnen hatten weiterhin davor gewarnt, dass die Regelung die Wahl einer größeren Refugienfläche in der Zukunft undurchsetzbar machen könnte, da die Landwirte und Unternehmen nicht mehr bereit wären, ihre gängige Anbaupraxis umzustellen.
Einige Panel-Mitglieder nahmen Bezug auf eine australische Regelung im Zusammenhang mit einer niedrigtoxischen Bt-Baumwolle. Dort lag die ursprüngliche Refugiengröße bei 85 Prozent, um letztendlich auf 70 Prozent reduziert zu werden. Die Mehrheit der Angehörten war der Ansicht, dass ein 50 Prozent-Refugium die Ausbreitung der Resistenz im Maisfeld länger hinauszögern könne als eine 20 Prozent-Fläche. Allerdings stimmten die meisten Sachverständigen auch darin überein, dass trotz der lückenhaften Forschungsergebnisse eine baldige Kommerzialisierung der neuen Monsanto-Maislinie stattfinden solle, da die Vorteile gegenüber herkömmlichen Wurzelbohrerbekämpfungsmaßnahmen als hoch angesehen wurden.
Letztendlich folgte die Behörde nicht dem Rat der Mehrheit des SAP-Gremiums, was ihr den Vorwurf einbrachte, sie würde ihrem - sonst vehement vertretenen - Konzept, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen zu fällen, selbst nicht folgen.(1) Die EPA-Vertreter verteidigten ihre Entscheidung für eine Refugienfläche von 20 Prozent damit, dass die Genehmigung lediglich auf drei Jahre befristet und anfänglich mit einer geringen Marktdurchdringung zu rechnen sei. Nach Gregory Jaffe, dem Direktor des "Biotechnology Project" vom Center for Science in the Public Interest, spielt die EPA mit einer wichtigen öffentlichen Ressource. Dabei hatte sie selbst postuliert, dass der Erhalt der Wirksamkeit von Bt gegen Schadinsekten dem "öffentlichen Wohl" diene.(2)
Dennoch erhielt der neue gv-Mais, wie in der Vergangenheit auch andere Bt-Varianten, eine befristete Genehmigung, deren Vorgaben auf keiner ausreichenden Entscheidungsgrundlage basieren. Die Befristung soll im Nachhinein die Möglichkeit eröffnen, zu evaluieren, ob das Produkt sachgerecht eingesetzt wurde und wie die Folgen des Einsatzes einzuschätzen sind. Diese Vorgehensweise dient anscheinend als Ersatz für eine Datensammlung, die durch traditionelles Monitoring gewonnen werden könnte. "I don't think that's how you do science", kommentierte Fred Gould, ein Populations-Genetiker an der North Carolina State University, das Genehmigungsverfahren. Die Vermutung liegt nahe, dass bei der Entscheidung Firmeninteressen berücksichtigt wurden; Monsanto hatte sich für eine 20 Prozent-Refugiumfläche ausgesprochen.
Übliche landwirtschaftliche Praxis
Eine Prognose von Monsanto lautet, dass die US-amerikanischen Maisproduzenten längerfristig bis zu sechs Millionen Hektar mit Bt-Mais bepflanzen werden. Vielleicht scheuen diese gegenwärtig die höheren Produktionskosten durch die Realisierung der Vorgaben des "Insektenresistenzmanagementplans" (kurz: IRM-Plan), oder die darin geforderte Aufklärung und Kontrolle der Produzenten ist schlicht unzureichend: Neue behördliche Erhebungen belegen, dass die Regelverletzung des IRM-Planes bei den Landwirten durchaus sehr verbreitet ist. Zwischen anderthalb und zwei Millionen Hektar Bt-Mais wurden - entsprechend den letzten Erhebungen - ohne eine Refugienfläche von 20 Prozent angebaut. 80 Prozent davon sind Anbauflächen großer Farmen. Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) hat im Juli 2003 weiterhin konstatiert, dass 21 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in zehn Bundesstaaten des Mittleren Westens, die im Jahr 2002 Bt-Mais anbauten, nicht den verlangten 20 Prozent-Flächenanteil angelegt hatten. 15 Prozent aller Bt-Mais-Farmen hatten überhaupt keine Refugienfläche vorzuweisen.(3)
Sehr bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass große landwirtschaftliche Betriebe, die sich nicht an die Vorgaben halten, die Problematik verschärfen, da die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung des Wurzelbohrers auf zusammenhängenden, riesigen Anbauflächen ohne ausreichende Refugien erhöht wird. Hinzu kommt noch, dass die so genannte NASS-Studie der USDA lediglich die Größe des Refugiums ins Visier nahm und nicht die zusätzlich festgelegte räumliche Nähe der Rückzugsfläche. Es ist zu befürchten, dass auch diese Vorgaben von den Bauern teilweise ignoriert werden. Ein unausgereifter IRM-Plan - ganz im Sinne der Saatgutkonzerne?
Milde Sanktionen
Die vorgesehenen Sanktionen des IRM-Plans für eine unlautere Anbaupraxis fallen äußerst milde aus: Der Farmer kann sein Recht verwirken, weiterhin Bt-Saatgut zu erwerben. Monsanto hat sich verpflichtet, bis Januar 2004 eine Beschreibung seines Resistenzmonitoringplanes inklusive eines "Notfallplanes" (Remedial Action Plan) vorzulegen, der im Fall einer nachgewiesenen Resistenz in Kraft tritt. Außer einem flächendeckenden Insektizideinsatz und einem Verkaufsstopp in der betroffenen Region wird dieser wohl keine weiteren Maßnahmen aufführen denn wie will man einen aktuellen Verlust der Bt-Wirksamkeit bei Zielorganismen bekämpfen?
Der Anbau gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen wird häufig als Beitrag für eine umweltverträglichere Landwirtschaft angepriesen. Allerdings ist der eindeutige Nachweis, dass diese Strategie der Schädlingbekämpfung für Menschen und Umwelt gefahrlos ist, bisher nicht erbracht: Zuletzt wurde in einer Untersuchung eine längere Verweildauer des Giftes nachgewiesen, als bisher angenommen worden war: Danach überdauert das Insektizid bis zu acht Monate im Boden beziehungsweise in der Streu des Maises, die nach der Ernte auf den Feldern verbleibt. Daraus folgt eine längere Gift-Exposition für die im Boden lebenden Organismen. In einer weiteren Untersuchung konnte bei Regenwürmern ein deutlich niedrigeres Gewicht beschrieben werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum von den Resten der Bt-Pflanzen gefüttert wurden. In den sieben Monate dauernden Feld- und Laborversuchen wurden junge und ausgewachsene Regenwürmer mit gentechnisch verändertem und "normalem" Mais gefüttert. Bei den jungen konnte kein Unterschied festgestellt werden, jedoch zeigten die ausgewachsenen Regenwürmer nach 200 Tagen das deutlich geringere Gewicht. Unklar bleibt nach dieser Untersuchung, ob sich dieser Effekt auf die Exposition des Bt-Toxins zurückführen lässt, oder ob möglicherweise noch andere Gründe eine Rolle spielen könnten. So zeigte eine Studie der Universität von New York (USA), dass sich die stoffliche Zusammensetzung der gentechnisch veränderten Mais-Pflanzen im Vergleich mit ihren nicht veränderten Pendants verschiebt. Erstere bilden zum Beispiel mehr Lignin, welches schwer zu verdauen ist und sich möglicherweise negativ auf die Futterqualität, sprich: die Verwertbarkeit der Streu auswirkt.(4)
Was passiert derzeit in Europa?
In der EU wurde 1998 vor Verabschiedung des Moratoriums eine transgene Maissorte zur Bekämpfung des Maiszünslers (Compa CB von Syngenta Seeds) zum Anbau freigegeben. Sie wird ausschließlich in Spanien auf etwa 25.000 Hektar gewerblich eingesetzt. Die Saatgutfirma ist verpflichtet, einen Monitoringplan mit Informationen über Insekten-Refugien und Fruchtwechselfolgen zu erstellen. Syngenta ist nach Auskunft des spanischen Landwirtschaftsministeriums diesen Auflagen nicht nachgekommen.(5) Ein Antrag von Monsanto auf EU-weite Zulassung gemäß der neuen Freisetzungsrichtlinie für den Import der neuen Maislinie und den Kreuzungen der Linien MON 863 und MON 810 (letztere Maislinie enthält ein Bt-Toxin gegen den Maiszünsler) liegt vor. Eine Zulassung ist bisher noch nicht erteilt.
Fußnoten:
(1) Concerns over refuge size for US EPA-approved Bt corn - Nature Biotechnology, Mai 2003
(2) Bt Plant-Incorporated Protectants October 15, 2001 Biopesticides Registration Action Document
(3) "Corn and Biotechnology Special Analysis", NASS, Juli 2003; im Internet unter: http://www.usda.gov/nass/pubs/biocorn.htm
(4) Siehe zum Beispiel Claudia Zwahlen und Angelika Hillbeck, in: Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Gentechnologie, Genschutzzeitung No. 32, September 2003
(5) Info zu Bt-176-Mais im Internet unter: http://info.greenpeace.ch/de/gentech/pressrelease…
Quellen:
Transmittal of Meeting Minutes of the FIFRA Scientific Advisory Panel Meeting; gehalten 27 bis zum 29. August 2002, im Internet unter: http://www.epa.gov/oscpmont/sap/2002/august/augus….
Grower Guide Monsanto, im Internet unter: http://www.monsanto.com/monsanto/us_ag/content/bi…
Insect Resistance Management Grower Survey for Bt Field Corn - 2002 Growing Season, im Internet unter: http://www.ncga.com/biotechnology/pdfs/IRM_exec_s…
Terms and Conditions of the Registration of Mon863 (April 2003) , im Internet unter:
http://www.epa.gov/pesticides/biopesticides/ingre….