Der Staat treibt's voran

Politisch ist es in Deutschland mehr als umstritten, welche Rolle die Gentechnik in der öffentlich finanzierten Forschung spielen soll. Dies verdeutlichten die Diskussionen, wenn Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast mal wieder eine ihrer Forschungsanstalten anwies, von dem einen oder anderen Projekt Abstand zu nehmen. Bei transgenen Gehölzen gibt es im privaten Sektor praktisch überhaupt keine Projekte.

Zum Beispiel Äpfel: Gentechnisch veränderte (gv) Äpfel sollten vor gut zwei Jahren in Dresden-Pillnitz (Sachsen) und Quedlinburg (Sachsen Anhalt) freigesetzt werden. Die Bundesforschungsanstalt für Züchtungsforschung - genau genommen das Institut für Obstzüchtung - hatte die Freisetzung von gv-Apfelsorten zunächst im Sommer 2002 zum ersten Mal beantragt. Ohne Angabe von Gründen ging im Juni 2003, also nach einem Jahr, in dem nicht über den Antrag entschieden worden war, der praktisch unveränderte Antrag an das - seinerzeit noch zuständige - Robert Koch-Institut. Noch vor einer Entscheidung aus der Behörde wurde der Freisetzungsversuch vom Bundesverbraucherministerium gestoppt. Der Versuch mit den Äpfeln war ungewöhnlich weitreichend beantragt worden: Mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren, 8 Genen und etwa 170 verschiedenen Linien gehört er zu umfassendsten Freisetzungsanträgen in Deutschland. Zur Zeit der Beantragung formierte sich insbesondere in Dresden-Pillnitz eine kritische Bewegung gegen die Freisetzung. Da Pillnitz als traditioneller Ort für die Entwicklung von Obstsorten und insbesondere auch Apfelsorten gilt, waren Obstbauern und Bürger aus der Region besorgt um den guten Ruf. Ihre besondere Sorge galt der Sicherheit des Versuches. So zweifelten sie zum Beispiel an der Plausibilität des Antrages, in dem davon ausgegangen wird, dass es möglich ist, die Bäume zu "entblüten", insbesondere wenn es sich im Versuchsverlauf um mehrere tausend Stück handelt.(1) Formell hat die BAZ das RKI (jetzt Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL) gebeten, den Antrag ruhen zu lassen. Dieser kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden, zum Beispiel, wenn im September ein Regierungswechsel stattfindet.

Gv-Wein

Ein Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderten Weinreben ist in diesem Frühjahr aufgegeben worden. Nach Auskunft des zuständigen Leiters am Institut für Rebenzüchtung (der Bundesforschungsanstalt für Züchtungsforschung) in Geilweilerhof, Reinhard Töpfer seien auf alle Fragestellungen Antworten gefunden worden. Insbesondere die Ergebnisse zum Pollenflug und seinem Anteil an der Auskreuzungsrate zeigen nach Töpfers Ansicht, dass keine Probleme zu erwarten seien: Wie erwartet spiele der horizontale Gentransfer bei der Weinrebe keine Rolle. Schließlich seien auch schon in der Vergangenheit weiße und rote Sorten nebeneinander angepflanzt worden. Der Freisetzungsversuch mit den gv-Weinreben war für einen Zeitraum von zwanzig Jahren beantragt und genehmigt worden. Er lief seit 1999 an zwei Orten: in Siebeldingen in der Pfalz und in Würzburg in Franken. Dabei wurden drei Weinsorten mit insgesamt drei verschiedenen gentechnischen Veränderungen freigesetzt. Die Virusresistenz sollte auf Eigenschaften aus der Gerste und aus dem Bakterium Escherichia coli aufbauen, deren Gene in den Wein eingeführt wurden. Die zu untersuchenden Fragestellungen des Versuches wird wie folgt beschrieben: "Insbesondere sollte geklärt werden, ob die eingesetzten Genkonstrukte tatsächlich zu einer erhöhten Widerstandskraft der Reben gegenüber pilzlichen Schaderregern führen."(2) Dazu Professor Töpfer, Geilweilerhof: "Hinsichtlich der Pilzresistenz hat sich bei den gentechnisch veränderten Reben kein Vorteil gegenüber den Kontrollen erkennen lassen". Dieses Ergebnis ist insofern verwunderlich, als dass zu erwarten gewesen wäre, dass es bereits Teil der einer Freisetzung vorausgehenden Untersuchung im Gewächshaus hätte sein können, die vor einer Freisetzung nach den europäischen Regeln für die Freisetzung von GVO sowieso notwendig ist. Töpfer bewertet das Projekt als rundhrerum gelungen, "auch wenn gewisse Kreise eine andere Ansicht verbreiten". Interessant ist an diesem Projekt auch, dass es vom Bundesforschungsministerium (BMBF) mit Mitteln aus dem Topf der Biologischen Sicherheitsforschung gefördert wurde. Über die Frage, ob gentechnische Veränderungen im Dienste der - öffentlich zu fördernden - Sicherheitsforschung stehen, oder eher unter die Kategorie "Produktentwicklung" fallen kann, wurde in den letzten Monaten trefflich gestritten.(3)

Gv-Pappeln - insektenresistent

Die Bundesforschungsanstalt Holz (BfH) kooperiert nach eigenen Angaben schon seit den frühen neunziger Jahren [des letzten Jahrhunderts] mit Gen- und Biotechnologen aus China. Dort werden seit 2002 gentechnisch veränderte Pappeln kommerziell angebaut, die zum Teil auch in der BfH untersucht worden sind. Dabei werden in China zwei Sorten transgener Pappeln angebaut: einerseits insektenresistente Sorten, (bei denen zwei verschiedene Bt-Gene verwendet werden) die die Bäume ihre eigenen Insektizide produzieren lassen. hier stammen die Gene aus dem im Boden lebenden Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt). Andererseits kommen auch herbizidresistente Sorten zum Einsatz. Dietrich Ewald, Mitarbeiter der BfH in Waldsieversdorf war unlängst in China, um sich selbst ein Bild zu machen. Seiner Meinung nach, sollte der Anbau nicht zu Problemen führen. Einerseits seien solche Pappeln ausgewählt worden, die keine Pollen bilden. Außerdem sei eine Verbreitung unwahrscheinlich, da die Samen unter den natürlichen Bedingungen in der Anbauregion nicht keimfähig seien.(4) Die gv-Pappeln in China sollen nach zehn Jahren geerntet werden, die Flächen werden anschließend neu bepflanzt. Insgesamt muss bei dem Anbau von intensiver Plantagenwirtschaft gesprochen werden. Die Flächen werden gedüngt und zum Teil auch bewässert. Nach Angaben in dem österreichischen online-Magazin "profil.at" wird jetzt mit "Mitteln der Gentechnik (...) versucht, die Sünden der Vergangenheit ungeschehen zu machen. Großflächige Abholzungen hatten Schneisen für den Vormarsch der Wüste geschlagen. Im Zuge eines groß angelegten Aufforstungs- programms" seien "in den vergangenen Jahrzehnten mehr als sechs Millionen Hektar Land wieder mit Pappeln bepflanzt. Diese Monokulturen, geschaffen aus zehntausendfach vervielfältigten, genetisch identischen Stecklingen, erwiesen sich als extrem anfällig für blattfressende und den Stamm anbohrende Insekten. Im Zusammenspiel mit Trockenheit und Sandstürmen können so leicht 50 Prozent der Bäume wieder vernichtet werden."(5) Gerade bei den langlebigen GVO, wie Bäumen, ist es notwendig, dass die Genkonstrukte stabil an die Folgegeneration weitergegeben und dort auch über die gesamte Lebensdauer exprimiert werden. Nach Angaben von Ewald ist dies bei den Bt-Pappeln der Fall, in Waldsieversdorf sei dies mit Fütterungsstudien an den Schädlingen getestet worden. Es konnte zumindest für einjährige gv-Pappeln, die in Waldsieversdorf im Gewächshaus gezogen worden waren, Stabilität nachgewiesen werden. Sie hatten ihre Insektengiftigkeit nicht verloren. Gleichzeitig berichtet Ewald von Bt-Pappeln, die er in China gesehen hat, sie haben auch nach elf Jahren das Bt-Gen noch exprimiert. Allerdings werden aus China auch andere Erfahrungen mit Bt-Pappeln berichtet: "Einige der Pflanzen zeigten Störungen in der Chlorophyllbiosynthese (...), andere wiesen nach zwei Jahren Fraßschäden von Insekten auf, die bis dahin keine bedeutenden Schäden verursacht hatten." Besonders interessant im Zusammenhang mit der Stabilität der Genexpression ist aber die Beobachtung, dass sich "mit zunehmendem Alter (...) Veränderungen an Blättern und Rinde" zeigten.(6)

Stabilität der Genexpression

Die Stabilität der Genexpression war das zentrale Thema eines Forschungsprojektes, das vom Land Schleswig Holstein und dem Umweltbundesamt Berlin (später Bundesamt für Naturschutz) koordiniert wurde und im vergangenen Jahr zu Ende ging. Im Rahmen des Verbundprojektes war insbesondere die Langlebigkeit von Gehölzen und die verwandschaftliche Nähe von Kultur- und Wildpopulationen hervor gehoben worden. Aufgrund dieser Besonderheit transgener Gehölze müsste, so Thomas Engelke vom schleswig-holsteinischen Landwirtschafts- und Umweltministerium in seiner Zusammenfassung, der Sterilität der transgenen Gehölze und der Stabilität der Genexpression besondere Bedeutung zukommen.(7) Die Sterilität der Pollen und Samen wird durch eine gentechnische Veränderung herbeigeführt, die notwendigerweise für die Lebenszeit der jeweiligen Gehölze bestand haben muss. Gleichzeitig zeigte sich in dem Projekt, dass es sehr schwierig ist, zuverlässige Daten zu ermitteln. Das größte Hindernis stellte hier die Streuungsbreite der Ergebnisse bei der Darstellung der Genexpression dar. In ihrem Beitrag zum Verbundprojekt "Grundlagen für die Risikobewertung gentechnisch veränderter Gehölze" kommen die Biotechnologie-Berater Thomas Pickard und André de Kathen zu dem Schluss, dass es derzeit nicht möglich ist, die dauerhafte Exprimierung von fremden Genen in Gehölzen zu gewährleisten. In ihrer Untersuchung der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur schreiben sie zusammenfassend, es "ist [zum gegenwärtige Zeitpunkt - CP] von einer nur begrenzten Wirksamkeit biologischer Confinements [(8)] bei vielen Gehölzarten auszugehen. Nichtsdestotrotz gehen sie davon aus, dass dies in der Zukunft möglich sein (könnte/wird). Aber: "auch im Falle zunächst stabiler Linien [besteht - CP] keine 'Garantie' für eine dauerhaft unveränderte Merkmalsausprägung".(9)

Pappeln - Bodensanierung

Ausgehend von Forschungen an der Universität in Freiburg/Breisgau werden in Deutschland auch gentechnisch veränderte (gv) Pappeln freigesetzt, mit denen schwermetallbelastete Böden saniert werden sollen. Die Bäume lagern die aufgenommenen Schwermetalle in den Blättern ab. In Fällen von hoher Bodenbelastung mit - zum Beispiel - Kupfer, wird in den transgenen Pflanzen das neu eingefügte so genannte Glutamylcystein-System aktiviert. Das soll dazu führen, so die Forscher, dass die Unterschiede im Kupfer-Gehalt der Pflanzen zwischen dem Wildtyp und der transgenen Variante auch nur auf diesen Böden signifikant höher ist. Es bleibt zu fragen, was davon zu halten ist, wenn jegliche Investitionen und Forschungen nur aus Mitteln der öffentlichen Hand getätigt werden. Hat die private Wirtschschaft das Innovationspotential der so genannten grünen Gentechnik noch nicht erkannt, liegt dieses Potential noch in zu weiter Ferne oder wird dieses Potential als so klein eingeschätzt, dass sich eigene finanzielle Aufwendungen nicht lohnen? Gibt es dieses Potential überhaupt?

Fußnoten:

  1. Auf der Internet-Seite www.genapfel.de sind umfangreiche Informationen zu den Pillnitzer Äpfeln zu finden.
  2. Siehe zum Beispiel www.biosicherheit.de.
  3. Siehe dazu GID 169, April/Mai 2005 den Artikel "Forschungsunsicherheiten" von Christof Potthof.
  4. Siehe dazu auch den Artikel "Globaler Blick auf transgene Bäume" von Anne Petermann in diesem Heft.
  5. Gentechnik: Bäume nach Maß; im Netz unter: www.profil.at/index.html?/articles/0512/560/10827….
  6. Risikoaspekte der Gentechnik bei Gehölzen; im Netz unter: www.biosicherheit.de/features/printversion.php?id….
  7. Auf der Internetseite des Projektes (www.umwelt.schleswig-holstein.de/servlet/is/21838) finden sich eine Reihe von Powerpoint-Präsentationen, die im vergangenen Jahr auf der Abschlussveranstalung des Projektes gezeigt wurden; zuletzt abgerufen Anfang August 2005. Der schriftliche Abschlussbericht soll, nach Angaben aus dem Bundesamt für Naturschutz, in den nächsten Wochen veröffentlicht werden.
  8. "Confinements" werden die Systeme genannt, die die Verbreitung der Genkonstrukte durch horizontalen Gentransfer gewährleisten sollen (confinement [engl.] = Beschränkung, Einsperrung). Die Systeme, die mit der Biologie des (neuen) Organismus für die Beschränkung sorgen, zum Beispiel durch die Sterilität von Pollen oder Samen, werden konsequenterweise "bioconfinements" genannt. Andere confinement-Systeme können zum Beispiel physikalischer Natur sein, wie Zäune Mauern oder ähnliches.
  9. Verbundprojekt "Grundlagen für die Risikobewertung transgener Gehölze", dazu Literaturstudie zur Stabilität transgen-vermittelter Merkmale in gentechnisch veränderten Pflanzen mit dem Schwerpunkt transgene Gehölzarten und Stabilitätsgene; erschienen als laufende Nummer 53/02 in der Reihe UBA-Texte des Umweltbundesamtes Berlin (jetzt Dessau).
Erschienen in
GID-Ausgabe
171
vom August 2005
Seite 11 - 13

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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