Industriell veränderte Bäume und Wälder
Die Argumente, die für die gentechnische Veränderung von Bäumen und anderen Gehölzen ins Feld geführt werden, gleichen denen im Agrarsektor. Ein Einblick in die Prioritäten und die Debatte in diesem Bereich.
Gentechnisch veränderte Bäume werden von kritischen Fachleuten als besondere Gefahr für die Biologische Vielfalt angesehen. Diese Sonderrolle verdanken sie insbesondere ihrer potentiellen Langlebigkeit, die nicht selten mehrere Jahrzehnte bis mehrere hundert Jahre umfassen kann. In diesem Zeitraum können sie sich über Samen, beziehungsweise Pollen, zum Teil auch über Ausläufer der Wurzeln, ausbreiten. Manche Gehölze können sogar aus scheinbar "toten" Sprossstücken, beispielsweise abgebrochenen Ästen, vollständige Pflanzen hervorbringen. So können die transgenen Konstrukte oder auch die Klone der gentechnisch veränderten Pflanzen verbreitet werden. Die Eigenschaften, die gentechnisch hinzu gefügt wurden, können sich im Laufe eines Baumlebens in ihrer Ausprägung verändern, was das Risiko fehlender Stabilität der Genexpression mit sich bringt. Dies kann zu unvorhersehbaren und vor allem ungewollten Nebeneffekten führen. Dieser möglichen Instabilität kommt eine besondere Bedeutung zu, da als ausichtsreichster Weg, die Verbreitung neu eingefügter Genkonstrukte zu verhindern, wiederum gentechnische Veränderungen angesehen und entwickelt werden. Um die Verbreitung zu verhindern, sollen die Pollen steril gemacht werden. Nach Ansicht von Mae-Wan Ho und Joe Cummins vom britischen "Institute of Science in Society" ist bei (gentechnisch veränderten) Bäumen besonders bedeutsam, dass diese über ein weit verzweigtes Wurzelsystem verfügen. Die Gefahr eines horizontalen Gentransfers sei stark erhöht, da in der Rhizosphäre - dem Boden als Lebensraum für das Wurzelsystem der Pflanzen - die Möglichkeit des Austauschs genetischen Materials als außergewöhnlich hoch einzuschätzen ist.(1)
Hunger nach Holz
Die Wirkung transgener Bäume kann nicht ohne einen Blick auf ihr potentielles Einsatzgebiet beurteilt werden. In der Regel ist ihre Pflanzung in Plantagen vorgesehen, also die industrielle Holzproduktion, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten auf 200 Millionen Hektar weltweit ihre Anwendung fand. Zum Vergleich: diese Fläche entspricht nahezu der Fläche des weltweiten Weizenanbaus.(2) So soll der unermessliche Hunger der Industriegesellschaften nach Holz, vor allem als Grundstoff für die Herstellung von Zellstoff, befriedigt werden. Als Entlastung für natürliche und naturnahe Wälder gedacht, sind die industriellen Plantagen mittlerweile selbst zum Problem geworden, mancherorts wegen der intensiven Anbauweise mit oft Standort-fremden Baumarten, Pestiziden, mineralischem Dünger und künstlicher Bewässerung, anderenorts als Landfresser, der natürliche Lebensräume oder die Nutzung der Flächen zur Produktion von Nahrungsmitteln verdrängt. Bekanntestes Beispiel für die schädliche Wirkung dieser Art der Holzerzeung ist der Einsatz des Eukalyptus-Baumes, der neben Pappel und Kiefer am häufigsten auf den Plantagen der Welt wächst. Insbesondere in Südamerika - etwa in Brasilien - wird vielerorts Eukalyptus angepflanzt. Der Baum wird auch als "selfish tree", "egoistischer Baum", bezeichnet. Denn neben sich lässt er praktisch keine anderen Pflanzen zu. Er zieht derart große Mengen von Nährstoffen und Wasser aus dem Boden, dass es für andere Pflanzen nahezu unmöglich wird, im Schatten oder in der Nachbarschaft von Eukalyptus zu existieren. Unter den angestrebten gentechnisch veränderten Varianten wünscht man sich auch solche, die sich durch ein schnelleres und oder stärkeres Wachstum auszeichnen, was die beschriebene Situation noch verschärfen wird.
Gentechnische Veränderungen für die Industrie
Der Blick auf Forschung und Entwicklung zeigt, dass die gentechnischen Veränderungen in diesem Sektor ganz offensichtlich auf Industrie-orientierte Nutzung der Bäume abzielen: Aktuelle Projekte und Forschungsansätze sind, was die übertragenen Gene angeht zumindest teilweise vergleichbar mit denen an transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft: Herbizid- und Insektenresistente Bäume sollen den industriellen Anbau erleichtern, Bäume mit geringerem oder verändertem Ligningehalt sollen schneller wachsen und leichter zu verarbeiten sein in den Papiermühlen der Welt (zum Lignin siehe weiter unten in diesem Beitrag). So wundert es nicht, wenn sich auf den ersten Blick auch Teile der Kritik ähneln: Herbizid-resistente Pflanzungen führen zu vermehrtem Einsatz von einigen wenigen Unkrautvernichtungsmitteln, dieser fördert seinerseits die Bildung resistenter Unkräuter, was wiederum zum Einsatz stärkerer - giftigerer - Mittel führt. Gleichzeitig muss bei der Ausbringung der Herbizide mit Flugzeugen damit gerechnet werden, dass angrenzende Gebiete, so auch Wasserflächen, vom Drift betroffen sind. Eine weitere Sorge betrifft die Schädigung von so genannten nicht-Zielorganismen. Da insektenresistente gv-Bäume in die Lage versetzt werden, ihr eigenes Insektizid (etwa das Bacillus thuringiensis-Toxin, das auch aus der Landwirtschaft bekannt ist) zu produzieren, können auch solche Organismen geschädigt werden, die zu den Nützlingen zählen oder keinen (bekannten) Einfluss auf die Bäume haben. Eine weitere, zumindest bei der Papaya bereits bis zur Kommerzialisierung fortgeschrittene, Entwicklungslinie betrifft die Resistenz gegen bestimmte Pflanzenviren. Im Fall dieses palmenähnlichen Gewächses ist das die Resistenz gegen den so genannten Ringspot-Virus.(3) Ähnliche Projekte laufen mit Wein und Äpfeln.(4) Bei den beiden letzteren Gehölzen werden Resistenzen gegen mikrobielle Erreger von Krankheiten - also gegen Pilze und/oder Bakterien - angestrebt. Von der Marktreife sind sie aber noch weit entfernt. Neben der gv-Papaya ist nur eine weitere transgene Baumart bekannt, sie sich bereits im kommerziellen Anbau befindet: China kultiviert seit 2002 Pappeln , die eine Insekten-Resistenz auf der Basis des Bt-Gens (Bacillus thuringiensis) tragen. Berichten zufolge sollen bereits rund 1,4 Millionen transgene Pappeln in mindestens zehn verschiedenen chinesichen Provinzen angepflanzt worden sein.(4)
Weltweiter Testanbau
Darüber hinaus befinden sich zahlreiche Baumarten bislang noch im Stadium von Feldversuchen, dies aber in praktisch allen Regionen der Welt, wobei auf dem afrikanischen Kontinent nur in der Republik Südafrika Testreihen laufen.(5) So werden Tests mit gv-Bäumen und Gehölzen in den USA und Europa, zudem in Asien, Südamerika, dort insbesondere in Chile, und in Australien durchgeführt.(6) Wie zuvor beschrieben besteht ein großes Interesse daran, Bäume und Gehölze derart zu verändern, dass sie über einen verminderten Lignin-Gehalt verfügen. Lignin ist zentraler Bestandteil der Zellwand von Pflanzen und somit auch von Bäumen und verleiht diesen, in Verbindung mit den Zellulosefasern, ihre Stabilität. In der Verarbeitung des Holzes zu Zellstoff bereitet das Lignin den Technikern einige Schwierigkeiten, da es von den anderen Bestandteilen - insbesondere von den Zellulosefasern - nur schwer zu trennen ist. Stark giftige Chemikalien und ein hoher Energie-Einsatz sind hier vonnöten. Für die Widerstandfähigkeit der Bäume gegen Schädlinge ist das Lignin aber wichtig. Denn als Klebstoff in den Zellwänden bereitet es diesen ebenso Schwierigkeiten, wie den Verarbeitern des Holzes. Ist nun aber der Gehalt an Lignin in den Zellwänden reduziert, kann es zu einer größeren Empfindlichkeit der Bäume kommen, was wiederum zu einer Intensivierung der Forstwirtschaft durch gesteigerten Pestizid-Einsatz führen kann. Hinzu kommt, dass mit reduziertem Ligningehalt zwar von der Senkung der Verarbeitungskosten des Holzes auszugehen ist, dies aber zur Folge haben kann, dass sich die Produktionskosten damit an anderer Stelle erhöhen. Denn die Papiermühlen nutzen das abgetrennte Lignin als Energieträger für ihren Verarbeitungsprozess, den sie dann duch den Zukauf anderer Energiequellenn ersetzen müssen. (7)
Bedeutend für wen?
Als zentrale Figur in der Gentechnik an Bäumen und anderen Gehölzen gilt Steven Strauss, Professor für Molekular- und Zellbiologie und Genetik an der Forstabteilung der Universität des US-Bundesstaates Oregon. Laut Strauss ist die Kritik an der Arbeit in diesem Bereich vor allem ideologisch motiviert. Wer eine intensive Bewirtschaftung bei der Holzproduktion ablehne und gentechnische Veränderungen als nicht akzeptabel betrachte oder auch gegen die von Patentierungen gekennzeichnete privatwirtschaftliche Rolle bei der Anwendung gentechnischer Veränderungen argumentiere, würde ebenfalls dazu neigen, die Gentechnik in der Holzwirtschaft abzulehnen. "Demgegenüber scheinen diejenigen gentechnische Veränderungen zu favorisieren, die glauben, dass die Aufgabe, mehr Holz auf weniger Fläche zu produzieren, eine bedeutende Frage für die Umwelt und auch für die Wirtschaft ist." (8) Diese Rechtfertigung des Einsatzes der Gentechnik an Bäumen und Gehölzen hält ein Bericht der internationalen Sektion der "Freunde der Erde" für die Weltsicht hochqualifizierter Männer aus der Mittelklasse des Nordens. "Es ist eine Weltsicht, die wenig Gemeinsamkeiten hat mit der Lebenswirklichkeit von Dorfbewohnern, die ihr Land und ihr Auskommen an die massiven industriellen Baum-Plantagen im globalen Süden verloren haben.Ebenso wenig hat sie etwas zu tun mit dem Leben der Arbeiter auf diesen Plantagen, deren Kollegen und Freunde durch den exzessiven Einsatz von Pestiziden vergiftet wurden, die sie selbst inden Plantagen spritzen mussten. Sie hat auch nichts zu tun mit den Arbeitern, die in Brasilien unter fürchterlichen Bedingungen aus Eukalyptus Holzkohle herstellen müssen. Die Argumente für gentechnisch veränderte Bäume gehen an den Belangen der Dorfbevölkerung, die in der Nachbarschaft von Plantagen lebt, vorbei. Ebenso wenig können solche Argumente jemanden berühren, der einmal der Dorfbevölkerung bei der Beschreibung ihrer Probleme zuhören konnte, die daraus entstanden sind, dass ihr Land von einer Papier- und Zellstoff-Firma in eine Plantagen-Monokultur umgewandelt wurde."(8)
Fußnoten
- GM Forest Trees - The Ultimate Threat, von Mae-Wan Ho und Joe Cummins; im Netz unter: www.i-sis.org.uk/GMFTTUT.php.
- "Rohstoffherkunft für Zellstoffe" Fachtagung in Gelsenkirchen am 01.10.2004; im Netz unter: www.treffpunkt-recyclingpapier.de/initiative/mitt….
- Siehe auch den Artikel "Globaler Blick auf transgene Bäume" von Anne Petermann in diesem Schwerpunkt.
- Siehe auch den Artikel "Der Staat treibt's voran" von Christof Potthof in diesem Schwerpunkt.
- Allerdings wurde im Juli 2004 - berichtet, dass auch in Kenia Projekte mit gentechnisch veränderten Bäumen geplant werden und erste gv-Bäume ins Land gebracht wurden. - zitiert nach www.ecoterra.net.
- Für Details siehe den Artikel von Anne Petermann in diesem Schwerpunkt.
- Gary Peter von der Universität des US-Bundesstaates Florida in Gainesville, zitiert in: Harvey Black: Feature: Better trees from GM technology; United Press International, InterestAlert, http://interestalert.com, 07.02.05.
- Zitiert nach Chris Lang "Genetically Modified Trees - The ultimate threat to forests"; Friends of the Earth International und World Raninforest Movement - Juni 2004; im Netz unter: www.wrm.org.uy/subjects/GMTrees/text.html.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.
Gv-Wein im Elsass?
Anfang Juli dieses Jahres hat das französische Nationale Institut für landwirtschaftliche Forschung angekündigt, in der elsässischen Stadt Colmar einen Versuch mit gentechnisch veränderten Weinreben durchzuführen. Der Winzerverband "Erde und Wein der Welt" protestierte unmittelbar gegen die Ankündigung. "Es ist höchstwichtig, dass die Zukunft unseres Berufsstandes nicht nur von Wissenschaftlern, Industriellen und Technokraten bestimmt wird. (...) Wir sind nicht überzeugt, dass der Versuch - wie es nötig ist - mit dem höchsten Grad an Vorsorge gestartet wird." Laut einem Pressebericht (www.santafenewmexican.com) sei das Ziel des Projektes, Weinsorten herzustellen, die weniger empfindlich gegen Krankheiten sind. Es sind die ersten Versuche dieser Art in Frankreich nach einer Pause von sechs Jahren. In der Zeit von 1996 bis 1999 hatte die Firma "Moet et Chandon" in Kooperation mit dem Forschungsinstitut gv-Wein im Freiland getestet, die Versuche waren aber nach Protesten auf Gewächshäuser beschränkt worden. (pau)