Rezension: Unser täglich Brot ...

Das Technoseum in Mannheim zeigte vom 29. Oktober des vergangenen Jahres bis zum 10. Juni die Ausstellung „Unser täglich Brot ... Die Industrialisierung der Ernährung“. Zieht man in Betracht, dass praktisch alle Themen rund um Ernährung und Landwirtschaft gerade eine regelrechte Mode erleben, so blieb die Ausstellung „Unser täglich Brot“ erstaunlich blass. Während in den verschiedensten Medien, in gesellschaftlichen Gremien und nicht zuletzt auch in politischen Organisationen um die richtige Ernährung und die richtigen Positionen in der Landwirtschaft gerungen und gekämpft wird, bleibt die Mannheimer Ausstellung in strengem Design (das sich stellenweise mit dem Anblick eines regionalen Heimatmuseums abwechselt) mit wissenschaftlicher Attitüde, aber ohne Leben - das ist schade. Das Thema gibt mehr her, es ist gesellschaftlicher als die Bilder vom Einkauf verschiedener Familien dieser Welt. Wenn wir als ortsfremde BesucherInnen die Wandlung des „Museums für Technik und Arbeit” (so der frühere Name, jetzt Untertitel) zum „Technoseum” richtig interpretieren ... dann ist diese ent-gesellschaftlichte Darstellung kein Zufall, sondern Programm - das wäre nicht nur schade, das wäre schlimm! Im begleitenden Ausstellungsband sind alle Ausstellungsstücke abgebildet und mit zusätzlichen Informationen über Herstellung und Verwendung versehen. Das 450 Seiten schwere Buch enthält zudem eine Reihe von Hintergrundartikeln zur Thematik. Sie stellen den Beginn der industriellen Nahrungsmittelproduktion in den historischen Kontext von Bemühungen, die Säuglingssterblichkeit zu verringern und die Ernährungssituation von Armen zu verbessern, und erzählen die Kulturgeschichten von Brot, Kakao, Zucker und Gewürzen. Hans Ulrich Grimm, Autor von „Die Suppe lügt“, wirft einen kritischen Blick auf die globale Lebensmittelindustrie, die unsere Geschmacksnerven mit immer neuen Aromastoffen hinters Licht zu führen weiß, und Klaus-Dieter Jany geht der Frage nach, ob die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion durch die Gentechnik beschleunigt wird. Als Molekularbiologe am Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel und Ehrenvorsitzender des Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik dürfte Jany manchen GID-LeserInnen bekannt sein, und demensprechend vorhersehbar sind seine Thesen: Er verweist auf die angeblichen Potentiale der Gentechnik, ökologischere, gesündere, sichere oder länger haltbare Lebensmittel produzieren zu können. Auf diese technikzentrierte Sichtweise folgen glücklicherweise noch zwei andere Beiträge: Carolin Callenius und Bernhard Walter von „Brot für die Welt” stellen die politischen Gründe für den Welthunger in den Vordergrund, und der Soziologe Karl-Michael Brunner zeigt auf, welche politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu einem nachhaltigen Ernährungssystem beitragen können.
Anne Bundschuh und Christof Potthof
„Unser täglich Brot ... Die Industrialisierung der Ernährung“, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Technoseum Mannheim. Gebunden, 445 Seiten, Technoseum (2011), 24 Euro, ISBN 978-3-9808571-6-1. Der Katalog kann über www.curtiz-museumsshop.de bezogen werden (Tel. 0621/4298-839, eMail: info.kasse@technoseum.de).

Erschienen in
GID-Ausgabe
213
vom September 2012
Seite 47