Ein gewagtes Glücksspiel

Gentechnologie-Befürworter argumentieren, der Prozess der Genmanipulation sei präzise, vorhersagbar und sicher. Untersuchungen zeigen jedoch das Gegenteil: Es finden sehr häufig Mutationen oder Verschiebungen statt, die unerwünschte Nebeneffekte haben können.

"Gene mit Hilfe der Gentechnologie aus der DNA einer Spezies in eine andere zu übertragen ist so, als nähme man eine Seite aus einem Buch und legte sie zwischen die Seiten eines anderen Buches”. Dieser gängige Vergleich wird oft von den Befürwortern gentechnisch veränderter (gv) Nahrungsmittel angeführt. Die Wörter der Seite sind aus den vier Buchstaben oder Molekülen des genetischen Codes zusammengesetzt, die sich als "Basenpaare” entlang der DNA aufreihen. Die eingefügte Seite steht für ein Gen, das für eines oder mehrere Proteine kodiert. Das Buch ist in Kapitel aus großen DNA-Strängen unterteilt: die Chromosomen. Diese Analogie lässt den Prozess der Genmanipulation so einfach und präzise erscheinen wie das Einlegen einer neuen Seite. Ein wegweisender Bericht jedoch entzieht diesem Vergleich jegliche Grundlage. "Genome Scrambling - Myth or Reality”, geschrieben von drei Wissenschaftlern der Non-Profit-Forschungsorganisation EcoNexus mit Sitz in Großbritannien verdeutlicht, dass das Verfahren der gentechnischen Manipulation zahlreiche Mutationen zur Folge hat. Diese finden sich innerhalb des eingefügten Gens, an der Insertionsstelle und an Hunderten oder Tausenden anderen Stellen innerhalb des gesamten Genoms. Diese werden von vielen Wissenschaftlern und Regulierungsbehörden übersehen.(1)

Zentrale Argumente widerlegt

Der Bericht bietet einen ausführlichen Überblick über diejenigen Untersuchungen, welche die zentralen Argumente der Gentechnologie-Befürworter widerlegen: dass die Technologie präzise, vorhersagbar und sicher sei und dass die bisher durchgeführten Studien ausreichend seien. Ganz im Gegenteil: Er verdeutlicht, dass gentechnisch veränderte Pflanzen die öffentliche Gesundheit und die Umwelt ernsthaft aufs Spiel setzen. Gentechnische Verfahren der Insertion erzeugen Mutationen, Fragmente und Vervielfältigungen. Es gibt derzeit zwei weitverbreitete Methoden, um gv-Pflanzen herzustellen, beide führen zu Mutationen. Bei der ersten Methode wird das Agrobakterium eingesetzt - ein Bakterium, das runde DNA-Stücke, sogenannte Plasmide, enthält. Ein Abschnitt dieses Plasmids hat die Funktion, Tumore zu erzeugen. Unter normalen Umständen infiziert das Agrobakterium eine Pflanze, indem dieser Tumor erzeugende Abschnitt in die DNA der Pflanze überführt wird. Gentechniker jedoch ersetzen diesen Abschnitt des Plasmids durch ein oder mehrere Gene. Dann benutzen sie das so veränderte Agrobakterium, um die DNA einer Pflanze mit diesen fremden Genen zu infizieren. Bei der zweiten üblichen Methode des Gentransfers wird eine sogenannte Genkanone ("Gene gun”) eingesetzt. Dabei überziehen Wissenschaftler Tausende von Wolfram- oder Goldpartikeln mit Gensequenzen und schießen diese anschließend in Tausende von Pflanzenzellen. Vor Jahren enthielten diese Sequenzen, die in die Zellen geschossen wurden, üblicherweise nicht nur die Gene, die übertragen werden sollten (DNA-Kassetten) sondern auch zusätzliche DNA aus dem Plasmid, welches für die Herstellung und Vermehrung der Kassetten in Bakterien verwendet wurde. So ist es bei den meisten gv-Nahrungsmitteln, die gegenwärtig auf dem Markt sind. Heutzutage gehen viele Wissenschaftler einen Schritt weiter und entfernen die nicht benötigte, hauptsächlich von Bakterien stammende DNA und überziehen die Partikel nur mit der Kassette. Bei beiden Methoden der Genübertragung gehen Wissenschaftler davon aus, dass der Prozess in der Pflanzenzelle eine Wundreaktion auslöst, die ihrer DNA dabei hilft, das fremde Gen zu integrieren. Beim Einsatz der Genkanone nehmen nur einige wenige von mehreren tausend Zellen das fremde Gen auf. Der Buch-Analogie zufolge wird nur eine einzige intakte, fremde Seite (ein Gen) eingefügt. Das ist die Intention. Tatsächlich weist jedoch der größte Teil der veränderten DNA mehrere Kopien des Fremdgens, unvollständige Gene und/oder Gen-Fragmente auf. Abschnitte der übertragenen Gene werden häufig verändert, neu angeordnet oder gehen während der Übertragung verloren. Außerdem gelangen manchmal zusätzlich Teile der Plasmid-DNA in das eingeführte Gen oder dessen Umgebung, oder sie verteilen sich sogar über das ganze Genom.

Mutationen in der Nähe der Insertionsstelle

Zusätzlich zu den Veränderungen, die in dem übertragenen Material stattfinden, werden die Abschnitte der Pflanzen-DNA in der Umgebung der Insertionsstelle fast immer in irgendeiner Weise durcheinandergebracht. Dieser Effekt, Insertions-Mutagenese oder Insertions-Mutation genannt, ist schon seit Jahren bekannt, eine groß angelegte systematische Untersuchung wurde aber erst im Jahre 2003 durchgeführt. Die Wissenschaftler untersuchten Insertionen bei 112 Acker-Schmalwand-Pflanzen – einer Spezies, die häufig in der Pflanzenforschung Verwendung findet.(2) Obwohl diese Studie möglicherweise nicht exakt wiedergeben kann, was sich in Nahrungspflanzen abspielt, ist sie bislang die einzige große Studie dieser Art. Es wurden solche Pflanzen ausgewählt, die nach einer Gen-Insertion mit Hilfe des Agrobakteriums eine einzelne Kopie des Fremdgens in ihr Genom integriert hatten. Von den 112 Pflanzen wiesen 80 (71 Prozent) kleine Mutationen in der unmittelbaren Umgebung der Insertionsstelle auf, einschließlich der Deletion von 1-100 Basenpaaren und/oder der Insertion von 1-100 zusätzlichen Basenpaaren. Die eingefügten Sequenzen stammten von dem Fremdgen, von nicht benötigten Teilen des Plasmids oder anderen Teilen der Pflanzen-DNA. Die übrigen 32 Pflanzen (29 Prozent) zeigten Insertionen in großem Umfang, Verschiebungen, Duplikationen und/oder Deletionen. In zwei Pflanzen hatten sich Teile ganzer Chromosomen abgelöst und in einen anderen Abschnitt der DNA verschoben.

DNA-Brüche in großem Umfang

Eine weitere Studie, in der ebenfalls diese Pflanzenart untersucht wurde, zeigte, dass sich ein Abschnitt der DNA mit einer Länge von mindestens 40.000 Basenpaaren von einem Chromosom auf ein anderes verschoben hatte. Tatsächlich hatte dieser lange Abschnitt sich verdoppelt, er konnte unversehrt auch in seiner ursprünglichen Position gefunden werden.(3) Eine dritte Studie konnte die Deletion von 75.800 Basenpaaren, die wahrscheinlich 13 Gene enthielten, nachweisen.(4) In den oben genannten Studien wurde die Übertragung mit Hilfe des Agrobakteriums durchgeführt. Es gibt erstaunlich wenige Untersuchungen, in denen die Insertionsmutationen analysiert wurden, die durch den Einsatz der Genkanone hervorgerufen werden. Die vorhandenen Forschungsergebnisse zeigen jedoch durchweg, dass DNA-Brüche in großem Umfang stattgefunden haben. "Der weitaus größte Teil der Insertionen, die mithilfe der Partikelkanone erzeugt wurden, sind extrem komplex, wobei multiple Kopien transgener DNA an einer einzigen Insertionsstelle eingefügt wurden”, so der EcoNexus-Bericht. Sie enthalten große Mengen fremder DNA, einschließlich multipler Fragmente des Fremdgens und/oder kleinere oder größere Fragmente von Pflanzen-DNA, die sich unter die eingefügten Gene gemischt haben. In einer Studie fanden Wissenschaftler 155 verschiedene DNA-Brüche, die auf eine Rekombination des eingefügten genetischen Materials hindeuten.(5) Dem Econexos-Bericht zufolge stellte sich heraus, dass in den wenigen Fällen, in denen nur eine einzige Kopie des Fremdgens eingefügt worden war, Fragmente von überflüssiger DNA vorhanden waren und/oder ein Zusammenhang mit großen Deletionen und/oder Verschiebungen der DNA des Zielorganismus hergestellt werden konnte.

Unerwünschte Nebeneffekte

Eine Studie, in der der Gen-Kanonen-Transfer untersucht wurde, zeigte, dass die DNA einer Haferpflanze die gesamte Sequenz des fremden Gen-Plasmids enthielt, einen kleinen Bereich, in welchem Hafer-DNA mit der fremden Plasmid-DNA gemischt war, eine unvollständige Kopie des Plasmids und einen anderen Bereich, in dem Hafer- und Plasmid-Sequenzen vermischt vorlagen.(6) Die Untersuchung ergab auch, dass die DNA der Pflanze an beiden Seiten der Insertion Verschiebungen oder Deletionen enthielt. Es gab auch an zwei anderen Stellen der DNA Insertionen. Eine enthielt einen neu angeordneten Abschnitt des Plasmids (296 Basenpaare), durcheinandergeratene Pflanzen-DNA an beiden Seiten, und die Deletion von 845 Basenpaaren. Im Rahmen der Studie war die DNA-Sequenzanalyse eingesetzt worden, die gründlichste Methode, um Insertionsmutationen zu bewerten. In der Praxis wird diese selten benutzt. Stattdessen verlassen sich die Gentechniker für gewöhnlich auf den weniger präzisen Southern-Blot-Test, der nur größere Veränderungen innerhalb der DNA-Sequenz ausfindig machen kann. Dieser Test konnte bei einer Untersuchung der Hafer-DNA nur ein einziges intaktes eingefügtes Gen ausfindig machen. Er war nicht in der Lage, die beiden anderen Insertionen sowie all die Mutationen und Fragmente zu identifizieren. Dies bedeutet, dass Biologen, die gv-Pflanzen erzeugen, im Großen und Ganzen keine Ahnung davon haben, welches Ausmaß an unerwünschten Nebeneffekten ihre Kreationen aufgrund der durcheinandergeratenen DNA haben könnten.

Location, location, location

Keine der beiden Gen-Insertionsmethoden kann das fremde Gen an einen genauen Zielort in der DNA bringen. Außerdem führen die Forscher selten Experimente durch, um festzustellen, wo genau die eingebrachten Gene letztendlich landen. Gerade bei der DNA kommt es auf den exakten Ort an. Die Funktionsweise des Fremdgens kann sich dramatisch verändern, je nachdem, wo es im Genom eingefügt worden ist. Die Nebeneffekte der Geninsertion können dadurch ebenfalls entscheidend beeinflusst werden. Auch wenn die Gene schätzungsweise nur ein bis zehn Prozent der Pflanzen-DNA ausmachen, landen Insertionen mit dem Agrobakterium in 35-58 Prozent der Fälle innerhalb funktionierender Gensequenzen (wie hoch dieser Prozentsatz beim Einsatz einer Gen-Kanone ist, ist unbekannt.) Gene werden außerdem auch in andere Abschnitte eingefügt, die die Genexpression beeinflussen. In all diesen Fällen können Insertionen die normale Funktionsweise der Pflanzengene tiefgreifend verändern. Ein Grund, warum Insertionen so oft innerhalb von Genen landen, ist, dass die Fremdgene ihrerseits innerhalb "aktiver DNA”, also jenen DNA-Abschnitten, die die Genexpression ermöglichen, lokalisiert werden müssen, damit sie funktionieren. Um herauszufinden, welche der eingefügten Gene in diesen Abschnitten der DNA landen, fügen Wissenschaftler üblicherweise ein Antibiotikaresistenz-Markergen (ARM) in die Gen-Kassette ein. Danach geben sie ein Antibiotikum zu den Zellen, wodurch alle Zellen zerstört werden, die kein funktionierendes ARM in ihrer DNA enthalten. Weil die aktiven Regionen der DNA stets am selben Ort wie die aktiven Gene der Pflanze sind, ist es wahrscheinlich, dass diejenigen Zellen, die nach diesem Selektionsprozess noch übrig sind, Fremdgene in ihre Gene integriert haben.

Mutationen quer durch die DNA

Wenn die Gene in die DNA einer Pflanzenzelle eingebracht worden sind, ziehen die Wissenschaftler die Zelle üblicherweise mit einer Methode, die als Gewebekultur bezeichnet wird, zu einer lebensfähigen Pflanze heran. Unglücklicherweise führt diese künstliche Methode der Pflanzenentwicklung aber zu Mutationen, die über das ganze Pflanzengenom hinweg verteilt sind. Tatsächlich wird Gewebekultur manchmal eingesetzt, um absichtlich Mutationen in der DNA von Pflanzen zu erzeugen. Diese Mutationen können die Höhe der Pflanze, ihre Resistenz gegen Krankheiten, ihren Ölgehalt, die Zahl ihrer Samen und viele andere Eigenschaften beeinflussen.(7;8) Genetisch modifizierte Zellen, die in Gewebekultur gebracht werden, können sogar noch mehr Mutationen im gesamten Genom aufweisen als kultivierte, nicht genetisch veränderte Zellen. Es ist unklar, warum die Geninsertion diesen Effekt hat, aber Wissenschaftler spekulieren, dass erfolglose Insertionen oder die Insertion kleiner Fragmente zumindest teilweise dafür verantwortlich sein könnten. Zusammengenommen führt das Verfahren der Geninsertion, kombiniert mit der Gewebekultur üblicherweise zu Hunderten oder Tausenden von Mutationen, wobei im Gencode auch kleine DNA-Abschnitte zerstört, ersetzt oder in diesen eingefügt werden. Die Veränderungen sind gewaltig. Zwei Studien legen nahe, dass zwischen zwei und vier Prozent des Genoms einer Pflanze sich von dem nicht genetisch veränderter Vergleichspflanzen unterscheiden.(9;10) Diese Schätzungen beruhen allerdings auf Untersuchungsverfahren, die viele Mutationen unbemerkt lassen, zum Beispiel kleine zerstörte DNA-Abschnitte oder Insertionen sowie der Austausch von Basenpaaren. Das heißt, das eigentliche Ausmaß der DNA-Brüche ist vermutlich größer. Diese Genom-weiten Mutationen wurden in jeder untersuchten gv-Pflanze gefunden. Überraschenderweise wird diese Art von Mutationen aber in den kommerziell in Umlauf gebrachten gv-Pflanzen nicht berücksichtigt. Wenn die ursprüngliche gv-Pflanze mit anderen Linien immer wieder gekreuzt wird, werden viele dieser kleinen, im Genom verstreuten Mutationen korrigiert. Es ist aber unbekannt, wie viele Mutationen in Nahrungspflanzen fortbestehen. Außerdem haben einige Arten, wie die gv-Kartoffel, die vor einigen Jahren auf dem Markt war, wahrscheinlich nicht verschiedene Kreuzungszyklen durchlaufen und enthalten daher höchstwahrscheinlich alle durch die Insertion und die Gewebekultur entstandenen Mutationen.

Mutationen können ernste Folgen haben

Mutationen und die Insertion von Fremdgenen bergen Risiken. Sie können Gene dauerhaft an- oder abschalten, ihre Funktion ändern und/oder die Struktur oder Funktion des Proteins, für das sie kodieren, ändern. Eine einzige DNA-Mutation kann mehrere Gene gleichzeitig beeinflussen. Die Insertion kann zu einer Überproduktion von Toxinen, Allergenen, Karzinogenen oder Anti-Nutrients führen, die Nährstoffqualität der Pflanze reduzieren oder die Interaktion der Pflanze mit ihrer Umwelt verändern. Und weil wir die DNA nur begrenzt verstehen, würden wir die Folgen nicht einmal dann notwendigerweise absehen können, wenn wir wüssten, welche Teile durch die Insertion durcheinandergebracht werden. Zusätzlich bringt die Insertion bakterieller Plasmid-DNA in Pflanzen-DNA noch andere ernste Risiken mit sich. Ähnlichkeiten im Gencode des Plasmids und der DNA von Bakterien, die im Darm von Menschen oder Tieren oder im Boden leben, könnten die Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Gentransfers erheblich vergrößern. Das bedeutet, dass Gene der Pflanze in die DNA der Bodenbakterien oder von Darmbakterien wandern können. Die einzige Studie, bei der die Aufnahme von gv-Pflanzen durch die Ernährung beim Menschen untersucht wurde, bestätigt, dass die Fremdgene in gentechnisch veränderten Sojabohnen tatsächlich in das Genom von Darmbakterien integriert wurden.

Pure Spekulation

Befürworter der Gentechnologie verteidigen die Sicherheit ihrer Produkte gern, indem sie anführen, dass andere moderne Methoden der Pflanzenzüchtung bereits großflächig eingesetzt wurden, auf eine Geschichte sicheren Gebrauchs zurückblicken können und vergleichbare Mutationen erzeugen würden. Der Bericht von EcoNexus zeigt aber, dass alle diese Argumente auf puren Spekulationen beruhen und nicht durch wissenschaftliche Literatur gestützt werden. Es gibt weder einen Beweis, dass moderne Züchtungsmethoden tatsächlich in größerem Ausmaß genutzt werden, noch dass sie durchweg sicher sind oder dass sie Mutationen von der selben Art oder Häufigkeit kreieren, wie die Gentechnologie. Vielmehr ist es vielen Biotechnologen gar nicht bewusst, welch große Anzahl an Mutationen durch den Prozess der genetischen Veränderung (Geninsertion und Gewebekultur) entstehen. Tatsächlich handeln die Zulassungsbehörden, die genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel genehmigen, so, als ob der Insertionsprozess keinen Einfluss auf die Sicherheit hätte.(11;12) Sie verlangen keine ausführliche Bewertung der Mutationen, daher ist deren Ausmaß in genehmigten gv-Pflanzen nicht bekannt. Die wenigen Studien, die zu diesem Thema durchgeführt wurden, haben viele signifikante Probleme aufgedeckt. (...) Eine zugelassene gentechnisch veränderte Kohlsorte enthält zum Beispiel 68-mal weniger Beta-Karotin und viermal so viel Natrium wie nicht gentechnisch veränderter Kohl. Gv-Sojabohnen haben eine höhere Konzentration eines potentiellen Allergens und eines Anti-Nutrients. Dennoch werden gv-Pflanzen nur auf eine Handvoll von Nährstoffen und Toxinen getestet, sodass der tatsächliche Einfluss der Gen-Mutationen nicht bekannt ist. Zudem werden gv-Pflanzen großflächig angebaut. Mutationen, die unbemerkt geblieben sind, können unvorhersehbare Schäden anrichten - die Umwelt und die menschliche Gesundheit betreffend. Wenn man bedenkt, wie wenig über die Auswirkungen der Gen-Insertion bekannt ist und wieviel dabei auf dem Spiel steht, so erscheint der Einsatz der Gentechnologie bei Nahrungsmitteln und Pflanzen wie ein gewagtes Glücksspiel.

Die Buch-Analogie revidiert

Hat man dieses Glückspiel vor Augen, lässt sich die Buch-Analogie folgendermaßen revidieren: Die DNA ist wie ein großes Buch, dessen Buchstaben aus vier Molekülen bestehen, die den genetischen Code bilden. In dem Buch sind spezielle ein- bis zweiseitige Abschnitte zu finden, die Gene genannt werden. Sie beschreiben wiederum Zeichen, die Proteine (einige davon: Enzyme) genannt werden. Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, die als Chromosomen bezeichnet werden. Wenn eine einzelne fremde Seite (ein Gen) mittels Gentechnologie in das Buch gebracht wird, findet darin eine grundlegende Veränderung statt: Es entstehen überall Tippfehler, an Hunderten oder Tausenden von Stellen. Hier und dort werden Buchstaben verändert, Wörter und Sätze werden durcheinander gemischt, gelöscht, wiederholt oder umgedreht. Lange und kurze Abschnitte von einem Teil des Buches können an andere Orte verschoben oder dort wiederholt werden und von Zeit zu Zeit tauchen Textteile von völlig anderen Büchern auf. Wenn man sich dann erst einmal die eingefügte Seite selbst ansieht, werden die Dinge erst richtig verrückt. Die Geschichte ist völlig unverständlich geworden. Der Text beinhaltet zufällig eingestreute Buchstaben, Abschnitte fremden Texts und einige Seiten fehlen. Die eingefügte Seite kann sich als eine Vielzahl gleicher Seiten entpuppen, unvollständigen Seiten oder kleinen Textfragmenten, Abschnitten, die falsch geschrieben sind, gelöscht, umgedreht oder durcheinandergeraten sind. Da die Geschichte des Buchs verändert worden ist, verhalten sich einige Akteure (Proteine) anders, wechseln manchmal von Helden zu Banditen oder umgekehrt. Angesichts all dessen wird man sich über den Kommentar des Biotechnologen wundern, der einem das Buch überreicht hat mit den Worten: "Es ist dasselbe alte Buch, nur mit einer zusätzlichen Seite.”

Übersetzung: Monika Feuerlein und Theresia Scheierling

Der Artikel ist eine - an wenigen Stellen gekürzte - Übersetzung des Textes "Scrambling and Gambling with the Genome”, einsehbar unter www.responsibletechnology.org.

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  11. NRC/IOM: Committee on identifying and assessing unintended effects of genetically engineered foods on human health (2004) Safety of genetically engineered foods: Approaches to assessing unintended health effects. The National Academies Press, Washington, DC.
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Erschienen in
GID-Ausgabe
178
vom Oktober 2006
Seite 38 - 42

Jeffrey M. Smith engagiert sich seit langem gegen gentechnisch veränderte Organismen in Nahrungsmitteln. Er hat eine Bürgerinitiative zur Kennzeichnungspflicht von Gen-Food ins Leben gerufen und das Institute for Responsible Technology, USA, gegründet (www.responsibletechnology.org). Er ist Autor des Buches "Trojanische Saaten - GenManipulierte Nahrung - GenManipulierter Mensch”, Riemann Verlag, München, 2004.

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