Rezension: Ultraschall und das „Bild vom Kind“
In die frauenärztlichen Praxen in den 1980er Jahren eingeführt, ist der Ultraschall heute eine Routineuntersuchung. Obwohl das Verfahren zumeist pränataldiagnostisch eingesetzt wird - Fehlbildungsschall, Feinschall oder Nackenfaltenmessung liegt die Frage zugrunde, ob sich der Fötus „normal“ entwickelt - assoziieren die meisten Schwangeren Ultraschalluntersuchungen eher mit „Babyfernsehen“, also mit einem ersten visuellen Kontakt mit dem Ungeborenen. Auch in der Öffentlichkeit wird der Ultraschall als notwendige Schwangerschaftsuntersuchung wahrgenommen, die nichts mit der Suche nach Abweichungen zu tun hat. Birgit Heimerl wirft in ihrer Dissertation einen genauen ethnografischen Blick auf diese Ultraschallsprechstunde, und zwar als soziale Situation, in der Schwangere, Arzt und Gerät interagieren. Dabei interessiert sie vor allem, was in den Gesprächen vor und nach dem Schallen zwischen den Beteiligten passiert und wie das „Bild vom Kind“ entsteht. Sie zeigt, dass der Fötus bei jeder Ultraschalluntersuchung vermessen wird, um die Messergebnisse mit den als normal geltenden zu vergleichen, und dass Ärzt_innen auf Abweichungen mit dem Versuch reagieren, sie unter Heranziehung anderer Daten zu „normalisieren“: Oft wird eine weitere engmaschige Beobachtung empfohlen oder zu Diagnosemethoden wie Amniozentese oder Feinultraschall geraten. Dabei dokumentiert und analysiert Heimerl sehr genau die Gespräche und Interaktionen zwischen Ärzt_innen und Schwangeren, in denen deutlich wird, dass ärztliche Aufklärung über Risiken und mögliche weitere Schritte ganz anders verstanden werden kann. So erscheint Schwangeren beispielsweise die Nackenfaltenmessung oft als Untersuchung, die das „Fehlbildungsrisiko“ minimiert - und nicht etwa lediglich Aussagen darüber macht. Für alle, die sich kritisch mit Pränataldiagnostik beschäftigen, ist das durchaus aufschlussreich. Ärgerlich allerdings, dass Heimerl die medizinische Konstruktion von Behinderung völlig unreflektiert übernimmt, von Fehl- und Missbildungen schreibt und eine Abtreibung nach positiver Diagnose als nahezu zwangsläufig erscheinen lässt. So ist es kaum verwunderlich, dass ihre Schlussfolgerungen auf einer Ebene verbleiben, auf der für Kritiker_innen pränataler Selektion das Problem erst beginnt.
Kirsten Achtelik
Birgit Heimerl: Die Ultraschallsprechstunde. Eine Ethnografie pränataldiagnostischer Situationen. Transcript-Verlag (2013), 364 Seiten, 36,99 Euro, ISBN 978-3-8376-2551-6.