PID-Rechtsverordnung: Selektion ist kein Geschäftsmodell, Herr Bahr!
(Berlin, 15. November 2012) Die Rechtsverordnung, mit der die Praxis der Präimplantationsdiagnostik (PID) in der Bundesrepublik geregelt werden soll, kann die vom Gesetz verlangte strenge Begrenzung der Selektionstechnik auf wenige Ausnahmefälle nicht gewährleisten. Die gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Regelungen leisten vielmehr einer Ausweitung der PID Vorschub. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der den Entwurf der Rechtsverordnung verantwortet, will die PID offenkundig auch gar nicht begrenzen, sondern dem Qualitätscheck befruchteter Eizellen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib zur Verbreitung verhelfen. Selektion darf aber kein Geschäftsmodell werden!
Damit ist allerdings zu rechnen, wird der Rechtsverordnung in der vorliegenden Form vom Bundesrat zugestimmt. So soll die Zahl der Zentren, die eine PID vornehmen dürfen, nicht begrenzt werden - obwohl es nur etwa 400 Paare pro Jahr gibt, bei denen die vom Gesetz formulierten Umstände vorliegen, die eine PID rechtfertigen. Das sind genetische Besonderheiten, die mit einem hohen Risiko für eine Tot- bzw. Fehlgeburt oder für eine schwerwiegende Erkrankung des Embryos gekoppelt sind. Nicht allein das schon jetzt absehbare "Überangebot" an Zentren, an denen eine PID gemacht werden kann, macht eine Ausweitung der PID wahrscheinlich, sondern der Umstand, dass gleichzeitig erst die Praxis erweisen wird, was eine "schwerwiegende Erkrankung" im Sinne des PID-Gesetzes ist. Denn statt einen Katalog schwerwiegender Erkrankungen aufzustellen und damit den Lebenswert bestimmter Menschen per definitionem anzuzweifeln, sieht das PID-Gesetz vor, dass eine Ethikkommission von Fall zu Fall entscheidet, ob die Voraussetzungen für eine PID gegeben sind. Daniel Bahr will nun nicht etwa eine zentrale Kommission, sondern an jedem einzelnen Zentrum ein eigenes Kommissiönchen ansiedeln. Das heißt, dass ein Paar es einfach woanders erneut versuchen kann, wenn sein Antrag auf Zulassung einer PID an einem Zentrum abgelehnt wurde. Was das unter den Bedingungen des Marktes bedeutet, die gerade in der Reproduktionsmedizin dominant sind, lässt sich an fünf Fingern ausrechnen: Wer Kunden gewinnen will, wird die Definition dessen, was als schwerwiegend zu gelten hat, nicht allzu eng fassen.
Gesundheitsminister Daniel Bahr und die Bundesregierung, die den Entwurf am 14.11. abgenickt hat, ignorieren mit dieser Verordnung das Parlament: Statt den Kompromiss, den der Bundestag nach langen und ausgiebigen Diskussionen gefunden hatte, ernst zu nehmen und die von den Abgeordneten in großer Mehrheit geforderte enge Begrenzung der PID sicherzustellen, übt sich der Bundesgesundheitsminister darin, Kritik an der Rechtsverordnung ohne Diskussion wegzuwischen. Kritiker, so Bahr beispielsweise gegenüber der Tagesschau, versuchten lediglich, "die seinerzeitige Debatte neu aufzumachen". In der Tat, Herr Bahr, Ihr Entwurf zeugt davon, dass das nötig ist! Kontakt: Uta Wagenmann (030 685 7073)