Hightech-Pronatalismus

Marktbasierte Eugenik aus dem Silicon Valley?

Unter den Anhänger*innen von Donald Trump gibt es eine eigentümliche ideologische Strömung, die die abtreibungs- und einwanderungsfeindliche extreme Rechte in den USA mit „Tech-Bros“ wie Elon Musk ver- bindet: Pronatalismus. In welcher Tradition steht die Bewegung und welche Rolle spielen riskante Gen- und Reproduktionstechnologien dabei?

Ein weißes Paar sitzt vor einem Haus mit 3 kleinen Kindern

Die Collins: Vorzeigefamilie des US-amerikanischen Pronatalismus. Foto: TeggorMindFish, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Sie wollen mindestens acht Kinder bekommen und gehen davon aus, dass ihre Nachkommen in nur elf Generationen die Mehrheit der Weltbevölkerung ausmachen würden – vorausgesetzt jedes ihrer anvisierten acht Sprösslinge bekäme ebenfalls acht Kinder: Simone und Malcolm Collins, ein Ehepaar mit engen Verbindungen zum Silicon Valley, sind zur „Vorzeigefamilie“ der pronatalistischen Bewegung in den USA geworden.1 Die Collins' glauben, dass die „besten“ Menschen so viele Kinder wie möglich haben und diese Kinder genetisch optimiert sein sollten. Stand heute haben die Collins‘ vier Kinder – und für diese laut eigenen Angaben über 200.000 US-Dollar für In-vitro-Fertilisation (IVF) und genetische Untersuchungen ausgegeben. Sie behaupten, die Embryonen auf Erkrankungen wie Krebs und Depressionen – und sogar den IQ untersucht zu haben. Und sie meinen, dass dies nichts anderes sei, als die Investition von Eltern in die Vorbereitung auf den SAT-Test (standardisierter Test, dessen Ergebnis maßgeblich für den Erfolg der Hochschulbewerbungen ist, Anm. d. Red.).2

Die wohl prominenteste Figur pronatalistischer Tech-Enthusiast*innen aus dem Silicon Valley ist Elon Musk. Er ist Vater von mindestens 14 Kindern und hat die Befürchtung geäußert, dass „die Menschheit stirbt“3. Ein weiterer Tech-orientierter Pronatalist ist der US-Vizepräsident JD Vance. Er setzt sich lautstark für politische Veränderungen zur Förderung größerer Familien ein und befürwortet sogar Steuerstrafen und Wahlrechtsbeschränkungen für Kinderlose.4 Musk und Vance gehören zu einer eigentümlichen ideologischen Strömung, die die „Tech-Bros“ aus dem Silicon Valley mit der abtreibungs- und einwanderungsfeindlichen extremen Rechten verbindet: Pronatalismus. Viele Pronatalist*innen plädieren nicht nur für kinderreiche Familien, sondern setzen sich auch für den Einsatz von Hightech-Fortpflanzung ein, um ihre Nachkommen zu „optimieren“.

Pronatalismus verstehen

Pronatalismus ist im Großen und Ganzen die Überzeugung, dass Gesellschaften aktiv höhere Geburtenraten durch kulturelle und politische Änderungen fördern sollten. Dieses Konzept ist nicht neu, aber es hat im Zusammenhang mit dem Argument an Bedeutung gewonnen, dass sinkende Geburtenraten in vielen Ländern wirtschaftliche und soziale Instabilität zur Folge hätten.5 So haben die demografischen Veränderungen in den USA sowie in vielen anderen wohlhabenden Ländern die Sorge ausgelöst, dass sinkende Geburtenraten zu einer alternden Gesellschaft führten, in der es nicht ausreichend junge Menschen gebe, um eine wachsende Wirtschaft zu unterstützen. Einige Pronatalist*innen sagen einen gesellschaftlichen Zusammenbruch voraus, wenn sich dieser demografische Rückgang beschleunigen sollte.

Entgegen dieser alarmistischen Behauptungen gilt es festzuhalten, dass die Weltbevölkerung insgesamt weiter wächst.6 Dort, wo Geburtenraten sinken, könnte Einwanderung einem Land ermöglichen, die Bevölkerung zu erhalten oder zu vergrößern. Die Ablehnung einer solchen Politik zeigt jedoch, dass die Forderung der Pronatalist*innen nach mehr Kindern nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen gilt.

Von traditionellen Werten bis technologischem Optimierungswahn

Die pronatalistische Bewegung in den USA umfasst eine Reihe von Strömungen mit unterschiedlichen ideologischen Hintergründen, die nicht selten miteinander in Konflikt stehen. Traditionelle Konservative äußern in erster Linie ihre Besorgnis über einen wahrgenommenen Rückgang der „traditionellen Familien“ und verbinden ihre pronatalistische Haltung mit konservativen „Familienwerten“. Sie lehnen reproduktive Rechte ab und versuchen, das zu fördern (oder durchzusetzen), was sie als traditionelle Familien und Geschlechterrollen ansehen. 

Ein anderes Segment des Pronatalismus besteht aus ausdrücklich rechtsextremen, christlichen NationalistInnen. Ihr pronatalistisches Engagement gilt ausschließlich weißen ChristInnen und ist Teil einer breiteren Palette von Ideologien, zu denen Nationalismus, Rassismus und Migrationsfeindlichkeit gehören. Viele in dieser Gruppe sind AnhängerInnen des Phantasmas des „großen Austauschs“, welches besagt, dass weiße ChristInnen durch People of Color und Migrant*innen reproduktiv überholt und verdrängt würden. Für viele in diesen Lagern geht es bei Pronatalismus nicht darum, die Geburtenrate allgemein zu erhöhen, sondern dass die „richtigen“ Menschen – implizit definiert als weiße, christliche, verheiratete, heterosexuelle Paare – mehr Kinder haben sollten.

Die jüngste Fraktion der Pronatalist*innen sind Elon Musk und die Tech-Enthusiast*innen des Silicon Valley.7 Für diese Gruppe stellt die Möglichkeit eines Bevölkerungszusammenbruchs eine existenzielle Bedrohung der Menschheit dar. Sie denken Pronatalismus mit einer Ideologie zusammen, die den Glauben an die eigene Überlegenheit, den Optimierungswahn und den Hang zu technischen Lösungen vereint. Viele führen ihren Reichtum und Erfolg direkt auf ihre Intelligenz zurück, die sie als eine genetisch vererbbare Eigenschaft ansehen, welche weitergegeben werden sollte. Das Streben nach technikgestützter Optimierung führt bei der menschlichen Reproduktion nicht nur zu dem Wunsch, viele Kinder zu haben, sondern auch sicherzustellen, dass diese Kinder die „gesündesten, klügsten und besten“ sind, und zwar durch den Einsatz reproduktionsgenetischer Verfahren.

Risikokapital für Gen- und Reproduktionstechnologien

Der Silicon-Valley-Flügel des Pronatalismus sorgt auch für einen beträchtlichen Zufluss von Risikokapital in Start-ups im Bereich Reproduktionstechnologien. Peter Thiel, milliardenschwerer PayPal-Gründer und Trump-Unterstützer, OpenAI-CEO Sam Altman und die Mitbegründerin des Gentestanbieters 23andMe Anne Wojcicki zählen zu den Geldgeber*innen von Start-ups, die an der Entwicklung von reproduktionsgenetischen Technologien arbeiten, welche erhebliche ethische Bedenken aufwerfen.8 Dazu gehören Unternehmen wie Orchid, das ein polygenes Screening für IVF-Embryonen zur Vorhersage von häufigen Gesundheitsproblemen wie Herzkrankheiten und Diabetes oder von komplexen Merkmalen wie Körpergröße anbietet. Andere Embryo-Screening-Unternehmen behaupten, sie könnten psychische Erkrankungen, Persönlichkeit und sogar Intelligenz vorhersagen. Trotz erheblicher Skepsis hinsichtlich der Validität dieser nicht regulierten Tests werden sie bereits vermarktet und in zahlreichen Fertilitätskliniken in den USA eingesetzt. Ein weiteres Start-up, Conception, in das Sam Altman stark investiert hat, arbeitet an der Herstellung künstlicher Keimzellen. Das Unternehmen behauptet, die Umsetzung sei innerhalb von ein bis zwei Jahren möglich – Schätzungen unabhängiger Wissenschaftler*innen gehen von zehn Jahren oder gar niemals aus9

In der Tradition von Eugenik

Die pronatalistische Bewegung wurzelt stark in der Eugenik des 20. Jahrhunderts und teilt deren Grundüberzeugung, dass Menschen mit erwünschten Eigenschaften mehr Kinder bekommen sollten und deren Nachkommenschaft besser sein würde. Dies wird noch verstärkt durch den Einsatz von Gen- und Reproduktionstechnologien, um diese vermeintlich „besseren“ Ergebnisse zu erzielen. Einige Pronatalist*innen verwenden offen den Begriff „Eugenik“10. Andere verweisen darauf, dass ihr Schwerpunkt auf der individuellen Wahlfreiheit liege, was sie von der staatlich kontrollierten Eugenik-Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts unterscheide, in der Zwangssterilisationen und Völkermord betrieben wurden, um die „Untauglichen“ an der Fortpflanzung zu hindern (oft als „negative Eugenik“ bezeichnet). Die Eugenik-Bewegung des 20. Jahrhunderts verfolgte jedoch auch eine „positive Eugenik“, bei der die „Geeigneten“ durch Wettbewerbe für „bessere Babys“ und „fittere Familien“ ermutigt wurden, viele Kinder zu bekommen, um wünschenswerte Eigenschaften weiterzugeben.

Darüber hinaus versuchen die US-amerikanischen Pronatalist*innen, mithilfe der Regierungspolitik demografische Veränderungen auf Bevölkerungsebene herbeizuführen. So erwägt das Weiße Haus derzeit eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung von Geburten, die von der Gewährung von 5.000 US-Dollar pro Kind bis zur Verleihung einer Medaille an Frauen mit sechs oder mehr Kindern reichen. Ein kürzlich veröffentlichtes Memo des US-Verkehrsministeriums soll die Behörde angewiesen haben, Projekten den Vorzug zu geben, die „Gemeinden mit höheren Heirats- und Geburtenraten als dem nationalen Durchschnitt priorisieren“11. Die ausdrücklichen Bemühungen der Regierung, Geburten zu fördern, bei gleichzeitig drastischen Kürzungen von Familienunterstützungen und Investitionen in die Gesundheit, die Bildung und das Wohlergehen von Kindern zeigen einen unverhohlen eugenischen Ansatz: das „Überleben des Stärkeren“12.

Politische Parallelen zu den USA am Beginn des 20. Jahrhunderts – insbesondere ein Wiederaufleben der Anti-Einwanderungsstimmung, Behindertenfeindlichkeit, die lautstarke Befürwortung der Eugenik und ein Backlash gegen die Rechte von Frauen und People of Color – machen die wachsende Bedeutung des Pronatalismus sehr besorgniserregend. Die Affirmation von Pronatalismus durch die politische Rechte zusammen mit den Bemühungen, Abtreibungsrechte einzuschränken, sowie den Angriffen auf LGBTQ+ führt in eine Gesellschaft, in der einigen Menschen immer mehr Kontrolle über jeden Aspekt der Reproduktion versprochen wird, während anderen die körperliche und reproduktive Selbstbestimmung verwehrt wird. Unter diesen Bedingungen gibt die Förderung von Technologien wie polygenem Embryo-Screening und In-vitro-Gametogenese durch die Pronatalist*innen im Silicon Valley Anlass zur Sorge, dass wir uns auf eine neue hochtechnologische, marktbasierte Eugenik zubewegen.

  • 1

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Erschienen in
GID-Ausgabe
274
vom August 2025
Seite 8 - 10

Dr. Katie Hasson ist Soziologin und Associate Director des Centers for Genetics and Society. Dort forscht, schreibt und lehrt sie zu den sozialen und politischen Aspekten von Humangenetik und Reproduktionstechnologien. www.geneticsandsociety.org

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