Rezension: Psychosoziale Beratung im Kontext pränataler Diagnostik

Psychosoziale Beratung im Kontext pränataler Diagnostik

18 biographisch-narrative Interviews mit psychosozialen Beraterinnen der ersten und der zweiten Stunde führte Evelin Ackermann 1999/2000 durch. Anhand dieser Interviews untersucht sie dieThese, ob sinnstiftende Biographiemomente einen entscheidenden Beitrag innerhalb der Gestaltung und Akzentsetzung der Beratung leisten. Im Verlauf zeigt sich, dass die jeweiligen individuellen Erfahrungen sowohl Beratungskompetenz sowie auch Beratungsfehler fördern können. Des Weiteren ist ihre Studie angereichert mit theoetischem Material, beispielsweise, wenn sie den Anspruch der humangenetischen Beratung und die damit verbundenen Kontroversen nachzeichnet und die psychosoziale Beratung als nichtmedizinische Instanz von dieser abgrenzt. Dabei setzt sie sich mit einschlägiger kritischer Fachliteratur kritisch auseinander. Im Gegensatz zu Extrempositionen, wie sie zum Beispiel Barbara Duden vertritt, die Beratung im Sinne einer "gesellschaftlichen Etablierung" genetischer Denkmuster zu verteufeln, sieht Ackermann gerade die Notwendigkeit, dass Feld der psychosozialen Beratung auszubauen beziehungsweise zu professionalisieren, um den NutzerInnen der Pränataldiagnostik die Möglichkeit einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik bieten zu können. Leitendes Argument von Ackermann ist die "empirisch gut belegte Tatsache", dass der Großteil der NutzerInnen die humangenetische Beratung nicht als Entscheidungshilfe werten und veranschaulicht dies mit diversen Studien und anerkannten Fachtexten. Ihr Anliegen, die Leserschaft möge breitgefächert sein, ist zu unterstützen. Insbesondere für BeraterInnen kann ihr Werk Anstoß zur Selbstreflexion geben, denn wie sich in ihren Auswertungen zeigt, bestimmen subjektive Erfahrungen eindeutig die Beratertätigkeit mit und erfordern mit steigender Berufserfahrung eine kontinuierliche Aufbereitung und Reflexion der Beratung inhärenten Selbst- und Weltsichten. Diesem Anspruch konnte sie bereits bei den von ihr Interviewten gerecht werden.

Erschienen in
GID-Ausgabe
174
vom Februar 2006
Seite 52 - 53

Katrin Lange ist Diplom-Pädagogin und hat ihre Diplomarbeit zum Thema "Was ist neu an der "neuen Eugenik"? Eine kritische Analyse am Beispiel der Pränataldiagnostik und der Präimplantationsdiagnostik" geschrieben. Ab Januar wird sie ein Praktikum im Gen-ethischen Netzwerk e. V. machen.

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