Rezension: Umkämpfte Bedeutungen

Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience

In ihrem Buch "Umkämpfte Bedeutungen" unternimmt die Philosophin und Wissenschaftsforscherin Jutta Weber den Versuch, aktuelle und historische Diskussionen zu Naturkonzepten - wohlgemerkt akademischer Art - zu systematisieren. Dabei begibt sie sich auf die Suche nach einem "postessentialistischen" Naturbegriff und reflektiert die Naturkonzepte in Anwendung auf die verschwimmenden Grenzen zwischen Technik und Natur, zwischen "künstlichem" oder "gemachtem" (artificial) und "natürlichem" Leben. Die "Technoscience" sind für Frau Weber in erster Linie die so genannte Artificial Life-Forschung und die Robotik, zum Teil auch die Nanotechnologie, die Gen- und die Biotechnologie. Zentrale Bedeutung bekommen in dem Buch die Arbeiten der US-amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway, die - so schreibt Frau Weber - "in ihrer Theorie auf der zentralen epistemologischen [erkenntnistheoretischen] und politischen Funktion des Naturbegriffs im Zeitalter der Technoscience" beharre, und deren Ziel es sei, "ein Konzept von Natur zu entwickeln, in dem es Raum für ihre Potentialität und Offenheit gibt". Sicher keine leichte Kost, doch für den geneigten Leser kann dieses Buch möglicherweise zweierlei leisten: "Dezidiertes Ziel dieser Arbeit ist die kritische Revision des erkenntniskritischen und technowissenschaftlichen Naturbegriffs und die Ausarbeitung einiger Grundlagen für einen postessentialistischen Naturbegriff, der weder technowissenschaftliche Entwicklungen ignoriert noch abstrakt negiert“. Auf dem Weg zu diesem - wie ich es nennen möchte - großen Ziel hat die Autorin viele kleine Geschenke versteckt, die dem Leser helfen können, das unübersichtliche Feld der Technoscience zu erkunden.

Erschienen in
GID-Ausgabe
163
vom April 2004
Seite 49

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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