Rezension: Verkörperte Technik – Entkörperte Frau

Feministische Kritik an der Biotechnologie

Seit den 1980er Jahren sind die Gen- und Reproduktionstechnologien der feministischen Kritik ausgesetzt. Angesichts der fortschreitenden Optimierung technischer Verfahren und der zunehmenden Degradierung insbesondere des weiblichen Körpers zur Ressource für die biomedizinische Forschung ist eine Reformulierung der Positionen der Frauenbewegung zu diesem Thema notwendig. Das von Sigrid Graumann und Ingrid Schneider herausgegebene Buch "Verkörperte Technik - Entkörperte Frau. Biopolitik und Geschlecht" will hierzu einen Beitrag leisten. Es vereint Aufsätze von Autorinnen aus den Sozialwissenschaften, den Naturwissenschaften, der Philosophie und den Kulturwissenschaften. Die Beiträge greifen aktuelle Debatten, wie die über den moralischen Status des Embryos oder über den postulierten Widerspruch zwischen der Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen einerseits und dem strafrechtlichen Schutz des menschlichen Embryos in vitro andererseits, auf und beleuchten sie aus feministischer Perspektive. So zeigt beispielsweise Silja Samerski, dass im Zeitalter von Gen- und Reproduktionstechnologien die Selbstbestimmung von Frauen im Bereich der Schwangerschaftsvorsorge immer stärker auf die Auswahl zwischen den verschiedenen Diagnose- und Beratungsangeboten reduziert wird. Die vermeintliche Wahl- und Entscheidungsfreiheit sei erzwungen, technikabhängig, dienstleistungsbedürftig und beratungsvermittelt. Als Dienstleistungskonsumentinnen blieben die Frauen immer behandlungsbedürftig, weil es für ihren Wunsch, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, keine Garantien geben kann. Insgesamt bietet das Buch gleichzeitig einen Überblick über die vielfältigen Facetten feministischer Theorie und Kritik, integriert die Perspektive der Behindertenbewegung und versucht konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen. Es ist in weiten Teilen gut lesbar geschrieben und eignet sich sowohl für ein Fachpublikum als auch als Einstiegslektüre, insbesondere durch die Einführung in Fachbegriffe und Methoden der Reproduktionsmedizin im ersten Kapitel.

Erschienen in
GID-Ausgabe
162
vom Februar 2004
Seite 44

Julia Hörath

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