Vom Spitzensport zum Power-Food

Einführung


Ob Olympische Spiele oder Fußball-WM, bei jedem großen Sportevent ist es wieder Thema: Gendoping. Die Verwendung von Gentechnologie zur Leistungssteigerung gilt als eines der Worst-case-Szenarien im Spitzensport. Neben den gesundheitlichen Gefahren für die SportlerInnen wird befürchtet, dass der Wettkampfcharakter verloren geht und am Ende nur noch das beste Labor gewinnt. Schon jetzt tendieren die großen Wettkämpfe zu dem zu werden, was die Formel 1 schon lange ist: ein Vergleich der technischen Fähigkeiten der antretenden Teams. Im Radsport ist diese Entwicklung am deutlichsten sichtbar. Sie findet sich aber auch im Fuss­ball, in der Leichtathletik, im Schwimmen und so weiter, nur zumeist weniger offensichtlich. KritikerInnen warnen daher vor der Gefahr, dass das Gendoping den Sport weiter technisiert. Sie unterstellen dabei allerdings eine ursprüngliche Natürlichkeit, die es im Spitzensport so nie gegeben hat. Die Phantasien von der Leistungssteigerung durch Gentechnologie sind nicht auf den Sport begrenzt. Ob beruflicher Erfolg, Gesundheit oder Schönheitsideal, die Nutrigenomik-Industrie steht bereits in den Startlöchern, um die Mittelchen und Wässerchen für das Alltags-Enhancement zu kreieren. Die Visionen von einer gentechnischen Selbstoptimierung des Körpers, die mit Gendoping verbunden werden, stützen sich wieder einmal auf die Annahme einer genetischen Kontrollierbarkeit des Menschen - oder zumindest seines Körpers. Diese Instrumentalisierung des Körpers für den sportlichen oder anderweitigen beruflichen Erfolg wird von den Posthumanisten als Befreiung von Naturzwängen gefeiert. Gendoping ist Techno-Fix am Menschen. Es transportiert nicht nur die Vorstellung, wir seien genetisch determiniert und somit gentechnisch beliebig manipulierbar. Die Idee vom Gendoping entspringt dem Menschenbild einer Gesellschaft, in der die Einzelnen für ihren Erfolg auch ihren Körper einzusetzen haben. Noch ist Gendoping weitestgehend Zukunftsmusik. Die ersten denkbar möglichen Varianten stützen sich auf Verfahren, die für die Gentherapie entwickelt wurden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat in ihrem Verbot Gendoping jedoch weiter gefasst und auch jede Veränderung der Genexpression mit dem Ziel der Leistungssteigerung mitdefiniert. Was ist und wie funktioniert Gendoping? Dieser Frage widmen sich Katrin Gerlinger, Thomas Petermann und Arnold Sauter. Sie stellen die Ergebnisse des vor zwei Jahren durchgeführten Gendoping-Projekts des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag sowie die neueren Entwicklungen seitdem dar. Auch wenn weiter unklar ist, was Gendoping genau ist, haben Forscher aus Mainz und Tübingen bereits einen ersten Anti-Gendoping-Test entwickelt. Im Interview erklärt einer der Beteiligten, Perikles Simon, wie mit dem Test auch kleinste Mengen künstlich eingebrachter Erbinformationen identifiziert werden können und warum die Gendoping-Definition der WADA zu ungenau für den Anti-Doping-Kampf ist. Christoph Asmuth beschreibt in seinem Beitrag, warum Gendoping den GAU des Spitzensports darstellt, zugleich aber nur die Fortführung des bereits Bestehenden mit anderen Mitteln ist. Doping ist dem Wettkampfsport systemimmanent, und solange die einzelnen SportlerInnen darauf angewiesen sind, ihre Leis­­tung stetig zu steigern, wird in Zukunft weiter auf Gendoping gesetzt werden. Gendoping schaffe überhaupt erst Chancengleichheit im Sport, argumentieren demgegenüber Posthumanisten und beziehen sich dabei auf Donna Haraways feministische Naturwissenschaftskritik. Wie Vanessa Lux in ihrem Beitrag aufzeigt, verabschieden sie mit ihrem Aufruf zur Selbstoptimierung mit dem Humanen zugleich auch das Humanitäre. Entgegen der allgemeinen Vorstellung ist Körperarbeit gerade auch Männer-Sache. Männlichkeit muss körperlich repräsentiert werden, um Erfolg zu haben. Irmgard Vogt beleuchtet, wie für die Manipulation am eigenen Körper neben Bodybuilding schon jetzt herkömmliche Doping-Mittel wie anabole Steroide massenhaft verwendet werden. Diese Idee einer gezielten Verbesserung unseres Körpers mit Hilfe genetischen Wissens hat auch die Ernährungsforschung erreicht. Unter dem Einfluss von Genomik und Postgenomik wird dort diskutiert, ob eine an die individuelle genetische Konstitution angepasste Ernährung die Gesundheit verbessern oder Krankheiten verhindern kann. Susanne Bauer beschreibt, wie „Functional Foods“ und nutrigenetische Tests heute schon vermarktet werden, auch wenn solche Tests bislang wenig aussagekräftig sind.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
202
vom Oktober 2010
Seite 4

Die GID-Redaktion

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