Riskantes Abenteuer
In Burkina Faso wird seit diesem Jahr gv-Baumwolle angebaut
In Burkina Faso wird in dieser Saison erstmals Gentechnik-Baumwolle angebaut. Eine Karawane westafrikanischer Bauernvertreter warnt vor Kosten und Risiken der neuen Technologie. Droht dem Anbau von Bio-Baumwolle das Aus?
Der Boden ist knochentrocken. Bis zum Horizont ziehen sich die Felder mit den abgeernteten Stumpen, selten unterbrochen von Mango- oder Tamarindenbäumen und kleinen Gehöften. Die Familien von Yusuf Mande und seinen Brüdern haben die Baumwollbäusche in zäher Knochenarbeit von den Sträuchern gepflückt und zur Sammelstelle von Dandé gebracht. Dort warten nun die letzten weißen Häufchen, von Mauern vor dem unbarmherzigen Wind geschützt. Jeden Tag transportieren LKWs die kostbare Ware zu den Entkernungsfabriken, wo die Fasern vom Kern getrennt werden. All die Jahre haben die Baumwollbauern diese Samen zu Beginn der nächsten Regenzeit wieder ausgesät. Das soll sich nun ändern. Nach den Vorstellungen jener Herren, die sich an diesem Nachmittag in der 450 Kilometer entfernten Hauptstadt Ouagadougou auf Einladung des burkinischen Biotechnologie-Verbands versammelt haben, werden die Baumwollproduzenten des kleinen westafrikanischen Landes demnächst Geschichte schreiben. „Wir werden noch in diesem Jahr mit der industriellen Kultivierung der Bt-Baumwolle beginnen“, verkündet Maxime Somé, Minister für technische Erziehung und Berufstraining, vor den anwesenden Journalisten.
Regierung verhandelt den Preis
Die vom US-amerikanischen Saatguthersteller Monsanto entwickelte Bt-Baumwolle enthält ein Gen für das Gift der Bakterienart Bacillus thuringiensis, das die Pflanze resistent gegen den Baumwoll-Kapselbohrer macht. Durch die gentechnische Veränderung sondert die Bt-Baumwolle das Gift nun selbst ab und soll den Bauern das viele Spritzen mit Pestiziden ersparen. Dieses Patent lässt sich der Saatgutkonzern teuer bezahlen. Laut Maxime Somé verhandelt seine Regierung noch mit dem Konzern über den Preis des Gen-Saatguts. Davon wird abhängen, ob Yusuf Mande in Zukunft einen drei- oder vierfach höheren Preis zahlen muss. Diese technologische Revolution soll auch Dandé erobern, wo die Kleinbauern wie Yusuf Mande ein karges, entbehrungsreiches Leben führen. Der Hof der Familie ist aus Lehm gebaut. Einige Mauern sind während der letzten Regenzeit eingestürzt. Nur fünf seiner fünfzehn Kinder besuchen die Schule, die übrigen helfen im Haushalt und auf dem Feld. Auf wenigen Hektar pflanzen sie Mais und Hirse für den Eigenverbrauch sowie Baumwolle, die sie verkaufen und die ihnen ein kleines Auskommen sichert. Jeder fünfte Burkinabé lebt vom „weißen Gold“, wie es einst genannt wurde. Doch da es ausschließlich für den Weltmarkt produziert wird, befinden sich die Bauern in einer fatalen Abhängigkeit. Weil die US-amerikanische Regierung ihre einheimische Baumwollproduktion durch staatliche Subventionen unterstützt, ist der Weltmarktpreis eingebrochen. Der Kilobetrag, den Yusuf Mande für seine Baumwolle erhält, ist innerhalb von nur drei Jahren um ein Drittel auf 22 Eurocent gefallen. 700 Kilogramm hat er zuletzt geerntet, dafür hat ihm die halbstaatliche Baumwollgesellschaft SOFITEX 154 Euro angerechnet. Da die Böden nährstoffarm und ausgezehrt sind, muss er immer mehr Dünger ausbringen, dazu Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel gegen die Schädlinge spritzen. Weil die Ausgaben für Pestizide und Dünger weiter steigen, wirft die Baumwolle für Yusuf Mande schon seit einigen Jahren keinen Franc mehr ab. „Dieses Mal war es noch schlimmer, weil die Hälfte meiner Felder durch den Regen überschwemmt war“, erzählt der 57-jährige. Lediglich auf zwei Hektar konnte er noch ernten. Doch aus dem Baumwollanbau aussteigen kann er nicht, da er nur dafür Kredite für Dünger und Pestizide erhält, die er für seinen Mais braucht. Ein Teufelskreis. „Wir Bauern sind müde, wir können von unseren Samen nicht mehr leben“, sagt er. „Wir brauchen Hilfe.“ Politiker und Funktionäre der Baumwollgesellschaft SOFITEX und des Verbands der Baumwollproduzenten UNPCB sehen die Rettung in Form von gentechnisch veränderten Kulturen. Das verkünden sie zumindest unisono über Zeitungen, Radio und Fernsehen. Vorausgegangen war eine intensive Lobbyarbeit durch Programme und Workshops, die unter anderem von US-Entwicklungshilfe, Weltbank und Internationalem Währungsfonds finanziert worden waren. Seit fünf Jahren führen burkinische Wissenschaftler Versuche mit gentechnisch verändertem Saatgut durch und haben Ertragssteigerungen von 30 Prozent gemessen. Kritiker zweifeln diese Ergebnisse der Feldversuche aufgrund der engen Zusammenarbeit des Forschungsinstituts mit dem Saatguthersteller Monsanto jedoch an. So finanziert der Konzern den Anbau und bildet die Wissenschaftler in den USA fort. Yusuf Mande interessiert das alles nicht: Er erhofft sich durch die Bt-Baumwolle einen Ausweg aus der Schuldenfalle. „Wenn sie uns das neue Saatgut anbieten, werde ich es nehmen.“
Kollegen zum Widerstand ermutigen
Das sieht Harouna Kirakoya aus Koumbia anders. Seit Tagen warten der Baumwollbauer und seine Kollegen auf die Karawane. Heute Mittag ist sie in der Baumwollregion östlich von Bobo-Dioulasso eingetroffen und mit ihr über hundert Bauern, Bauernvertreter und Mitarbeiter landwirtschaftlicher Gruppen. Viele sind aus den Nachbarländern Mali, Benin, Niger oder Senegal angereist, um von ihrem Kampf gegen die Einführung gentechnisch veränderten Kulturen in ihrem Heimatland zu berichten und die burkinischen Kollegen zum Widerstand zu ermutigen. Zusammen mit Soziologen und unabhängigen Wissenschaftlern haben sie die COPAGEN, Koalition zum Schutz des genetischen Erbes Afrikas, gegründet. Gemeinsam kämpfen sie gegen die Einführung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Lebensmitteln. „Wenn es gelingt, die Gentechnik-Baumwolle in Burkina Faso einzuführen, ist die Tür für Westafrika geöffnet“, sagt Mamadou Goita, Leiter des Instituts für Ernährungsalternativen aus Mali. „Die Bauern müssen an der Entscheidung beteiligt werden, doch dafür muss man sie informieren.“ Die Karawane wird vom katholischen Hilfswerk MISEREOR unterstützt und zieht durch die Baumwollanbau-Regionen. Harouna Kirakoya ist die fünfzehn Kilometer von seinem Hof nach Koumbia mit dem Fahrrad geradelt. Er trägt ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Non aux OGM“ – Nein zu gentechnisch veränderten Organismen. Der 26-Jährige hat auf den Gewerkschaftstreffen bereits von den Nachteilen der neuen Technologie gehört. Warum er das T-Shirt trägt? „Ich bin gegen das neue Saatgut“, sagt der junge Mann mit dem wachen Blick. „Es gehört uns nicht. Wir müssen es jedes Jahr für viel Geld kaufen.“
Karawane macht Theater
Auf dem Dorfplatz von Koumbia sitzen der Dorfälteste, hunderte von Baumwollbauern, einige Frauen und viele Kinder auf langen Holzbänken unter den großen, schattenspendenden Mangobäumen. Aufmerksam lauschen sie den Rednern der Karawane, die ihnen erklären, wie ein Organismus gentechnisch verändert wird und was das neue Saatgut ausmacht. Als die Schauspieler den Platz betreten, schütteln sich die Zuschauer vor Lachen. In dem Theaterstück geht es um eine Bauernfamilie, die gemeinsam ihr Land bestellt. Dann entscheidet sich ein Bruder, gentechnisch verändertes Saatgut anzupflanzen, der andere Bruder baut weiterhin Biobaumwolle an. Doch das gentechnisch veränderte Saatgut streut sich über andere Felder aus, so dass der Bruder die Kriterien des Bio-Anbaus nicht mehr erfüllen kann. Die Familie streitet lautstark und bricht auseinander. Was als Bauernschwank verpackt daherkommt, sieht Soziologe René Millogo von der COPAGEN als reale Gefahr für den sozialen Frieden in den Dörfern. „Das Land ist Gemeinschaftseigentum, die Großfamilien bearbeiten es gemeinsam. Das patentierte Saatgut dagegen ist Privateigentum“, sagt René Millogo. „Wenn das Land nun aufgeteilt wird, entsteht auch ein Riss durch die Familien.“ Für die Bauern wird ein weiteres Problem deutlich. „Wie kann ich mich dagegen schützen, dass sich das Saatgut auch auf meinem Feld ausbreitet?“, fragt ein älterer Baumwollproduzent. „Gar nicht“, sagt ein Baumwollbauer aus Mali, „wenn sie es auf deinem Feld finden, musst du Strafe zahlen“. Harouna Kirakoya ist entsetzt. Auch er sieht die Bio-Baumwolle als einen besseren Weg aus dem Teufelskreis von hohen Kosten und niedrigen Erträgen. „Ich interessiere mich für den Anbau von Bio-Baumwolle“, erzählt der junge Mann. „Aber hat die Bio-Baumwolle in unserem Land eine Chance, wenn die Bt-Baumwolle angebaut wird?“
Gentechnikfreiheit der Bio-Baumwolle bisher kein Problem
Seit vier Jahren unterstützt die schweizerische Entwicklungshilfeorganisation Helvetas den ökologischen Baumwollanbau. Obwohl er noch eine Nischenaktivität ist, hat er sich rasch ausgeweitet von 5,3 Tonnen im Jahr 2004 auf knapp 2000 Hektar und 436 Tonnen im Jahr 2007. Bio-Prämie und Abnahmegarantie sichern den Familien ein regelmäßiges Einkommen und befreien sie aus der Schuldenfalle. Nach den Bio-Richtlinien ist Bio-Baumwolle hundert Prozent gentechnikfrei. Das war bisher kein Problem. Jens Soth von der Helvetas beobachtet die Entwicklung im Lande sehr genau. Kommt es zu Kontaminationen der Bio-Baumwolle, ist sein Projekt zum Scheitern verurteilt. „Die Regierung hat uns zugesagt, dass wir eine genaue Auflistung der Landkreise erhalten, in denen das Bt-Saatgut ausgegeben wird“, erklärt der Leiter des Kompetenzzentrums Baumwolle. „In den nächsten Jahren ist eine räumliche Trennung zwischen unseren Feldern und den Gentechnik-Baumwollfeldern gewährleistet.“ Wenn sich der Bt-Baumwollanbau jedoch ausweitet, ist das nicht mehr sicher. Und ihm bereitet noch eine andere Frage Kopfzerbrechen: Wer wird die hohen Lizenzkosten für das neue Saatgut zahlen? „Wir werden genau beobachten, ob das Gentechnik-Saatgut subventioniert wird, wie zu Beginn in Südafrika. Dort war es zunächst sehr billig und die Kleinbauern wurden angefixt. Als die Preise wieder stiegen, verschuldeten sie sich weiter“, so Jens Soth. Die Einführung der Gentechnik-Baumwolle wird über die Zukunft der burkinischen Kleinbauern entscheiden.
Michaela Ludwig arbeitet als frei Journalistin in Hamburg. Im Netz unter: www.agenda-fototext.de. Der Text ist auch in Publik Forum erschienen.