Von der Selbstbestimmung zur Selektion?
(Berlin, 6. September 2012) Seit August ist ein Bluttest für Schwangere auf dem Markt, der die pränatale Fahndung nach Beeinträchtigungen des Embryos möglicherweise enorm vereinfachen wird, und seit letztem Jahr erlaubt ein Gesetz in bestimmten Fällen den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik. Beides erscheint in der Öffentlichkeit vor allem als Dienst am Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Paaren. Stimmt das? Wird so Selektion normal? Was können Verbote neuer technologischer "Angebote" bewirken? Wer forscht an neuen Verfahren und warum? Diese und andere Fragen verhandeln wir in unserer Veranstaltungsreihe am 18. und 25.9.12 in Berlin.
Von der Selbstbestimmung zur Selektion? Veranstaltungsreihe zu Pränataldiagnostik und Reproduktionstechnologien Zeit: Dienstags, 19.00 Uhr Ort: Familiengarten, Oranienstraße 34, 1. Hof, Zugang für Rollifahrer_innen über den Aufzug (U-Bahnhof Kottbusser Tor oder Moritzplatz, Bus M 29 und 140) Veranstaltet vom Gen-ethischen Netzwerk und den Kritischen Feministinnen (Berlin)
18. 9. 2012: Selbstbestimmung und neue Reproduktionstechnologien Reproduktionstechnologische Verfahren und pränatale Tests werden in der BRD zunehmend legalisiert. Das verändert den Umgang mit Schwangerschaft ebenso wie gesellschaftliche Vorstellungen von gewünschten Kindern. Durch die scheinbare Möglichkeit, die Behinderung eines Kindes auszuschließen, hat sich eine „Eugenik von unten“ entwickelt, die die Selektion nicht-normgerechter Kinder in die Selbstverant-wortung der Schwangeren verlegt. Das Bünd-nis „Gegen christlichen Fundamentalismus und Abtreibungsverbot“, das zu Protesten gegen den „Marsch für das Leben“ am 22.9.2012 aufruft, wendet sich gegen die neuen Diagnoseverfahren. Aber auch die Abtreibungsgegner_innen sind dagegen und sprechen von „Euthanasie“. Auf der Veranstaltung wollen wir Unterschiede zwischen den jeweiligen Positionen darlegen, uns die Veränderungen im Umgang mit Schwangerschaft unter dem Blickwinkel der Selbstbestimmung anschauen und Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Euthanasie-Programmen und den neuen Technologien diskutieren. Mit Susanne Schultz (Gen-ethisches Netzwerk Berlin) und Christoph Schneider (Frankfurt/Main).
25. 9. 2012: Normalisierung der Selektion? Der neue Pränataltest Bisher wird relativ spät in der Schwangerschaft mit invasiven und riskanten Methoden wie etwa der Fruchtwasserentnahme nach chromosomalen oder genetischen Auffälligkeiten des Embryos gesucht. Seit Ende August ist nun ein Test auf dem Markt, der es zu einem sehr frühen Zeitpunkt und ohne Risiken ermöglicht - nämlich aus dem Blut der Schwangeren - DNA-Fragmente des Embryos zu untersuchen. Derzeit beschränkt sich das Verfahren auf das Down-Syndrom, aber das soll nicht so bleiben. Werden Schwangerschaften, bei denen eine Beeinträchtigung des Embryos diagnostiziert wird, nun bald routinemäßig beendet? Fallen also mit der Einführung des Tests die letzten Hürden für die Selektion? In der Veranstaltung informieren wir über die Forschung zu den neuen Tests und damit verknüpfte Interessen, beschäftigen uns mit den rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Anwendung und wollen über konkrete Möglichkeiten diskutieren, Selektion und Normierung zu thematisieren und anzugreifen. Mit Uta Wagenmann (Gen-ethisches Netzwerk Berlin) und Gaby Frech (CARA Bremen).