Weltweites Bündnis gegen Patente auf Pflanzen

Brokkoli-Patent wird zum Testfall

Am 28. März 2007 hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes ein Patent auf konventionell gezüchtete Sonnenblumen bestätigt. Ein weltweites Bündnis tritt gegen diese Patentierungspraxis an.

Die Sonnenblumen im Patent mit der Nummer EP 1185 161 wurden durch Mutationszüchtung (siehe Kasten) und anschließende "normale" Kreuzung und Selektion so gezüchtet, dass ein bestimmter Ölbestandteil in den Sonnenblumenkernen enthalten ist.(1) Beansprucht wurden die Pflanzen, die Samen, das Öl mit seinen Anwendungen und die Züchtungsverfahren. Im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) werden aber durch Artikel 53b im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren sowie Pflanzensorten von der Patentierung ausgeschlossen.(2) Greenpeace hatte gegen das Patent Einspruch erhoben mit der Begründung, das Patent widerspreche dem Patentierungsverbot in Artikel 53b. In der Verhandlung wurde der Widerspruch zum Verbot der Patentierung von konventionellen ("im wesentlichen biologischen") Züchtungsverfahren durch Streichen des Anspruchs auf Kreuzung und Selektion der Pflanzen ausgeräumt. Nach wie vor im Patent enthalten sind aber die Pflanzen, die als Ergebnis der im wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren anzusehen sind. Die Kammer stellte ausdrücklich fest, dass es zwar verboten sei, derartige Verfahren zu patentieren. Dieses Verbot gelte aber nicht für die Pflanzen, die aus diesen Verfahren hervorgehen.

Patente auf Pflanzensorten

Greenpeace argumentierte, dass es sich bei den gezüchteten Sonnenblumen außerdem um Pflanzensorten handelt. Selbst der Patentinhaber hatte - nach eigenen Angaben - sogar versucht, die Züchtung zum Sortenschutz anzumelden. Die Einspruchskammer stellte fest, dass es in diesem Falle unklar sei, wie das Verbot der Patentierung von Sorten auszulegen sei - und hielt das Patent aufrecht. Die Entscheidung erscheint in zweierlei Hinsicht bizarr: Einerseits lässt das Europäische Patentamt das Verbot der Patentierung von biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ins Leere laufen, wenn es erlaubt, Pflanzen zu patentieren, die aus nicht patentierbaren Verfahren stammen. Andererseits wendet das Patentamt das Verbot der Patentierung von Pflanzensorten selbst da nicht an, wo die Patentinhaber sehr direkt eingestehen, dass es sich auch nach ihrer Auffassung um eine Pflanzensorte handelt. Seit dem Jahr 2000 werden am Europäischen Patentamt (EPA) Patente auf Pflanzen erteilt. Es sind im Wesentlichen gentechnisch veränderte Pflanzen, bisher zirka 500 Patente. Gelegentlich waren auch Patente auf Pflanzen dabei, die ohne gentechnischen Eingriff - durch Züchtung erhalten wurden. Und trotzdem wurden die Pflanzen und das Saatgut darin beansprucht. Ein Beispiel dazu ist ein Patent von DuPont auf Mais mit erhöhtem Ölgehalt. Nach Einsprüchen durch den Staat Mexiko, Greenpeace und Misereor wurde das Patent zurückgewiesen. Ein weiteres Beispiel ist ein Weizenpatent für Monsanto. Es wurde nach Einsprüchen von Greenpeace und "Kein Patent auf Leben!" zurückgenommen. Im Jahr 2002 erhielt die Firma Plant Bioscience aus Großbritannien ein Patent auf konventionell gezüchteten Brokkoli (3), der sich dadurch auszeichnet, dass er Stoffe bildet, die antikarzinogen wirken, eine Eigenschaft, die bei Kohlgemüse bekannt ist. Die Stoffe wurden während der Züchtung durch genetische Marker nachgewiesen, was auch "smart breeding" oder Marker unterstützte Selektion genannt wird.(Siehe Kasten) Gegen dieses Patent haben die Firmen Syngenta und Limagrain eingesprochen. Nach Verhandlungen vor der Einspruchskammer und der Technischen Beschwerdekammer wird dieses Patent nun an die Große Beschwerdekammer weitergeleitet. Diese soll eine Grundsatzentscheidung treffen, nämlich ob konventionell gezüchtete Pflanzen - gegebenenfalls mit Gen-Markern unterstützt - patentierbare Erfindungen sind. Da es aber im Interesse der drei beteiligten Streitparteien liegt, solche Patente als Erfindung zu definieren, ist Protest von außen, von am Verfahren unbeteiligter Parteien, dringend nötig. Aus diesem Grunde hat am 26. März ein globales Bündnis von Bauernverbänden und Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen zu Protesten gegen Patente auf normales Saatgut ausgerufen. Erstunterzeichner dieses Bündnisses sind neun Bauernverbände und vier NGO.(4) Auch wenn der aktuelle Anlass für das Bündnis das Brokkoli-Patent ist, verstehen die Initiatoren ihren Aufruf ausdrücklich auch mit Bezug auf die Patentierung von Tieren beziehungsweise Tiergenen. Auf die Tragweite der Konzentration der Rechte an tiergenetischen Ressourcen und den Fortschrit der Patentierung hatte erst unlängst die "Liga für Hirtenvölker" mit Unterstützung von Greenpeace hingewiesen.(5) "Das Patentrecht wird zu einer Krake, die Pflanzen und Tiere als Grundlagen der Welternährung umschlingt und der Kontrolle von Konzernen unterwirft" sagt Christoph Then von Greenpeace.

Standards der Industrieländer

Die Große Beschwerdekammer des EPA droht dem Druck der Industrie nachzugeben und das Verbot der Patentierung von konventioneller Pflanzenzüchtung und von Pflanzensorten zu einem marginalen, unbedeutenden Rest zu reduzieren. Eine solche Entscheidung würde bedeuten, dass jegliche Pflanze patentierbar würden und im Prinzip die gesamte agrarische Vielfalt unter Eigentumsrechte von Konzernen gestellt werden könnte. In den USA und in Japan sind solche Patente schon jetzt erlaubt. Falls aber auch in Europa ein solches Patentrecht gelten würde, hätte dies nicht nur europaweiten negativen Einfluss auf Züchter und Landwirte, sondern auch in den Entwicklungsländern. Die Standards in den Hauptindustrieländer (USA, Japan und Europa) werden in Verträgen wie den TRIPS-Vereinbarungen (6) auch den ärmeren Ländern aufgezwungen. Dort wird der Hauptteil des Saatgutes durch Nachbau produziert und auf lokalen Märkten gehandelt. Patente auf diese Pflanzen würden die Nahrungssouveränität in diesen Ländern massiv gefährden. Deshalb ist das Bündnis ein globales, das möglichst alle Länder und ihre Bauernverbände mit einschließen will. Das EPA darf diese Entscheidung nicht allein unter den direkt Beteiligten vorantreiben. Denn die Parteien der Auseinandersetzung um das Patent auf konventionell gezüchteten Brokkoli - das heisst mindestens Plant Bioscience und Syngenta - wollen Patente, sie wollen diese auf konventionelle Züchtungen und auf andere Pflanzen erst recht ... sie wollen die Patente nur selber und mit Brokkoli züchten. Globaler Widerstand ist angesagt!

Bauernverbände und relevante Institutionen aus dem Umwelt- und Entwicklungshilfebereich sind dazu aufgerufen, dem Bündnis online beizutreten. Auf der Homepage "www.no-patents-on-seeds.org" sind weitere wesentliche Informationen zu finden.

  1. Das Sonnenblumen-Patent trägt die Nummer EP 1185 161.
  2. Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ) im Netz unter: www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ma1.ht…; Der Artikel 53: www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ar53.h…
  3. Das Brokkoli-Patent hat die Nummer EP 1 069 819.
  4. Die Erstunterzeichner: Der argentinische Bauernverband ‚Federatión Agraria Argentina’; der brasilianischen Verband ‚Federção dos Trabalhadores na Agricultura Familiar da Região Sul do Brasil’; der indische Verband ‚BFS - Bharat Krishak Samaj’; der italienische Bauernverband ‚La Coldiretti’; der nicaraguanische Verband ‚La Unión Nacional de Agricultores y Ganaderos’; der peruanische Bauernverband‚Confederación Nacional Agraria’; der spanischen Verband ‚La Coordinadora de Organizaciones de Agricultores y Ganaderos’ und der ‚Schweizerische Bauernverband. Beteiligte Nichtregierungsorganisationen sind Erklärung von Bern, Greenpeace, Kein Patent auf Leben!, Misereor und Swissaid.
  5. "Livestocks Genetic Companies - Concentration and proprietary strategies of an emerging power in the global food economy" Liga für Hirtenvölker und Nachhaltige Viehwirtschaft mit Unterstützung von Greenpeace, 2007. In englischer Sprache, 31 Seiten mit Glossar. Im Netz unter.: www.pastoralpeoples.org/docs/livestock_genetics_d… (Aktualisiert im April 2008: mittlerweile ist die deutschsprachige Version online verfügbar und der Link hier in der Online-Version des GID entsprechend geändert)
  6. Das TRIPS-Abkommen der Welthandelsgesellschaft (World Trade Organisation - WTO) behandelt die "handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum" (trade-related aspects of intellectual property rights - TRIPS). Im Netz unter: www.wto.org. Deutscher Text im Netz unter: www.gesetze.ch/sr/0.632.20/0.632.20_051.htm. (Zuletzt abgerufen im April 2007.)
Erschienen in
GID-Ausgabe
181
vom April 2007
Seite 33 - 35

Ruth Tippe ist Sprecherin der Initiative Kein Patent auf Leben!

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Mutationszüchtung:

Bei der Mutationszüchtung werden unter Einsatz von Chemikalien oder radioaktiver Strahlung Mutationen im Genom der Pflanzen, das heißt Änderungen in der DNA-Kette, ausgelöst, in der Hoffnung, dass sich diese gelegentlich auch als positiv auswirken.

Marker gestützte Selektion (smart breeding)

Als molekulare Marker werden bestimmte, bekannte, DNA-Abschnitte bezeichnet, die mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit gemeinsam mit dem Gen für eine gewünschte Eigenschaft (einer Pflanze beziehungsweise einer Pflanzenart) vererbt wird. Die gewünschte Eigenschaft kann auch durch mehrere Gene bedingt sein. Der Marker muss nicht - aber kann - genau an einen Teil der Gensequenz des Gens/der Gene andocken. Wichtig ist vielmehr, dass die entsprechende DNA-Sequenz mit hoher Wahrscheinlichkeit gekoppelt mit dem Gen oder den Genen der gewünschten Eigenschaft vererbt wird. Je näher die bekannte DNA-Sequenz, an die die Sonde bindet, dem Gen/den Genen auf einem Chromosom ist, umso besser. Der Vorteil dieser Markierung, die im Labor zum Beispiel mit Fluoreszenzlicht sichtbar gemacht werden kann, ist, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits im Labor, an wenigen Zellen der zu züchtenden Pflanzen, erkannt werden kann, ob diese die gewünschte und an den Marker gekoppelte Eigenschaft trägt. Dies könnte sonst nur im Feld - an der ausgewachsenen Pflanze - erkannt werden. Konventionelle Züchter würden nun mit einer Pflanze, die die gewünschte Eigenschaft trägt "normal" weiterzüchten.. Bei der Verwendung von gentechnischen Methoden müsste die Stabilität der eingeführten Gene und das Fehlen negativer Einflüsse des Genkonstruktes nachgewiesen werden. (pau)