Rezension: Neurowissenschaft und Medien
Dass populäre Wissenschaft ein „besonderes, verwickeltes Gebilde“ ist, hat der Mediziner und Wissenschaftstheoretiker Ludwik Fleck schon 1935 festgestellt. Das scheint heute mehr denn je zu gelten. Die Naturwissenschaften genießen heutzutage eine Medienpräsenz, von der sie zu Flecks Zeiten nur träumen konnten. Der Prozess der Popularisierung scheint auch komplexer denn je, umfasst verschiedene mediale Formen - Fernsehen, Radio, Print bis Social Media - und muss unterschiedlichste Interessen und Zielgruppen bedienen. Torsten Heinemann versucht in seiner Monographie über die Darstellung der Hirnforschung in den Medien, diese Komplexitäten aus soziologischer Perspektive zu analysieren. Er zeigt am Beispiel der Neurowissenschaften, dass die mediale Präsenz der Neurowissenschaften mit wissenschaftlicher Reputation, finanzielle Förderung mit medialer Vermarktung des Wissens und neurowissenschaftliche Popularisierung mit neoliberalen Leistungsimperativen untrennbar vermischt werden. Das Buch macht deutlich, dass eine kritische Reflexion von Wissenschaft und Wissenschaftsberichterstattung notwendiger ist denn je. Wissenschaftliche Erfolgsmeldungen müssen hinterfragt und entzaubert werden - ein Plädoyer für den GID, könnte man fast denken...
Ina Heumann
Torsten Heinemann: Populäre Wissenschaft. Hirnforschung zwischen Labor und Talkshow. Wallstein Verlag, Göttingen (2010), 302 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-8353-1073-5.