Im Interesse der Öffentlichkeit?

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es in der Forschungspolitik für Landwirtschaft und Biologie einen schleichenden Wandel. Der Schwerpunkt von Forschungsprogrammen liegt heute auf dem Gebiet der Biotechnologie, an das besondere kommerzielle Hoffnungen geknüpft werden. Wissenschaft und Forschung im Interesse der Öffentlichkeit sind auf dem Rückzug.

Seit die Biotechnologie als eine der Schlüsseltechnologien des neuen Jahrhunderts wahrgenommen wird, ist sie der wichtigste Bereich für Investitionen der öffentlichen Hand in die biologische und agronomische Forschung. Hinzu kommt, dass WissenschaftlerInnen zunehmend vom Geld großer - global tätiger - Unternehmen abhängig sind. ForscherInnen von Universitäten und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen werden mehr und mehr zu Kooperationen mit privatwirtschaftlichen Unternehmen - so genannten public private partnerships - aufgefordert oder zur Gründung eigener Unternehmen ermuntert, Interessenkonflikte sind dabei vorprogrammiert. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Fragestellungen nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie nicht das Interesse der kommerziellen Partner treffen und diese nicht bereit sind, Geld und Material bereit zu stellen. Die Forschung zur biologischen Sicherheit ist ein solches Beispiel. Eine internationale Untersuchung der Forschung zur biologischen Sicherheit, das heißt Forschung zu den Folgen der Biotechnologie für die Gesundheit von Mensch und Umwelt, kam zu dem Schluss, dass zwischen 1986 und 1996 weltweit weniger als ein Prozent des Budgets zur Entwicklung der Biotechnologie für Themen der biologischen Sicherheit verwendet wurde.(1) Oder, mit anderen Worten: Vor dem ersten kommerziellen Anbau im Jahre 1996 hatten zehn Jahre Freilandversuche stattgefunden, ohne dass intensiv nach ökologischen Konsequenzen geschaut worden war. Ein Review, im Jahre 2000 im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht, fasst zusammen: "Wird nach den zentralen Fragen respektive Untersuchungen zum Einsatz der Gentechnologie in der Landwirtschaft gesucht, steht am Ende die ernüchternde Feststellung, dass es diese Untersuchungen weder zu den Chancen noch zu den Risiken gibt".(2) Die deutsche Regierung gibt im Jahr etwa 10,2 Millionen Euro, oder drei Prozent des Biotechnologie-Budgets für Forschungen zur biologischen Sicherheit aus (bezogen auf den Zeitraum 1999 ? 2002). Dies scheint - besonders im Vergleich mit dem Verhältnis im Budget der Europäischen Union - sehr viel zu sein. Dort standen über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren etwa 71 Millionen Euro (zirka 4,7 Millionen Euro pro Jahr) zur Verfügung, was weniger als einem Prozent entspricht. Auch in den USA sehen die Zahlen nicht besser aus: Das Budget wies für das Jahr 2001 etwas über zwei Millionen US-Dollar aus. Allerdings war in der Summe Deutschlands auch Geld für die Entwicklung steriler Pflanzenlinien, neuer Markergene und besserer Genkonstrukte enthalten. Dabei handelt es sich eher um Maßnahmen zur Unterstützung der Gentechnik, um so Bedenken der Öffentlichkeit bereits im Vorfeld entgegentreten zu können. Forschung, die nach den möglichen Folgen dieser Technologie für die Umwelt sucht, ist das nicht. Auf der anderen Seite stehen noch weniger Gelder für Forschungen bereit, die unmittelbar auf den Nutzen für den Landwirt und die Umwelt abzielen, wie dies im Falle der Investition in den ökologischen Landbau der Fall sein könnte. Das deutsche Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert nicht ein einziges Projekt in diesem Bereich. Mit 250 Millionen Euro pro Jahr fördert das BMBF dagegen Biotechnologie-Projekte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert bei insgesamt 9267 Projekten zwölf aus dem Bereich der ökologischen Landwirtschaft. Nur das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) investiert in diesen Bereich ein wenig mehr; es finden sich im Forschungsplan des BMVEL 20 unter insgesamt 4230 Projekten. Renate Künast, die Bundesverbraucherministerin, hat ein neues Programm zur Förderung und Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus aufgelegt, in dem neun Millionen Euro für die Jahre 2002 und 2003 bereit stehen.

Gemessen mit zweierlei Maß

Die Wissenschaft im Interesse der Öffentlichkeit und die umfassende Evaluation von neuen Technologien müssen sich mit weiteren Schwierigkeiten herumschlagen. Bauten in der Vergangenheit viele Risiko-Szenarien zum Beispiel zu einer großflächigen Ausbreitung durch Auskreuzungen noch auf Vermutungen auf, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen. Diese konnten die Richtigkeit der Szenarien bestätigen oder zumindest deren Tendenz unterstützen. Nichtsdestotrotz gibt es eine bemerkenswerte Trennung zwischen diesen Forschungsergebnissen und dem Umgang damit. Insbesondere, wenn es um das Ableiten von eigenen Handlungsoptionen geht. Es gibt deutliche Hinweise auf ein Messen mit zweierlei Maß bei der Bewertung von Anträgen auf Marktzulassungen gentechnisch veränderter Organismen. Die hier präsentierte Zusammenfassung leitet sich aus einer Studie von Les Levidow und Susan Carr für die Europäische Kommission (3) und einer eigenen Untersuchung im Auftrag des Büros für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (4) ab. Das zentrale Ergebnis beider Untersuchungen ist: Studien oder Einschätzungen, welche die Chancen transgener Pflanzen hervorheben, werden von den zuständigen Regulierungsbehörden üblicherweise akzeptiert, auch wenn sie sich nicht dem Wissenschafts-internen so genannten Peer-Review-Verfahren unterzogen haben und nur auf Laborexperimente aufbauen. Studien, die demgegenüber auf Risiken oder mögliche negative Effekte für Umwelt oder Gesundheit hinweisen, werden auf das Schärfste kritisiert, unabhängig, ob sie eben jenes Peer-Review-Verfahren erfolgreich durchlaufen haben oder in wissenschaftlichen Magazinen erschienen sind. Auch werden diese Untersuchungen scharf kritisiert, wenn sie nur auf Laborexperimenten beruhen. Ein zentraler Punkt in der Diskussion um den Anbau transgener Pflanzen ist - seit Beginn - die Auskreuzung der rekombinanten Gene dieser Pflanzen und deren Introgression in verwandte Unkräuter und andere Wildpflanzen. Es bestand Einigkeit darüber, die starke Ausbreitung der Transgene so weit wie möglich vermeiden zu wollen, da sie negative Effekte auf die Lebensgemeinschaften und allgemein auf die Biodiversität haben könnte. Ein Punkt, der in jüngerer Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit erfährt, ist die Entstehung von Resistenzen, einerseits von Insekten gegen die in den transgenen Pflanzen produzierten Insektengifte, andererseits Resistenzen der Unkräuter gegen die auf die Felder ausgebrachten Unkrautvernichtungsmittel durch Auskreuzung. Diese neuen Resistenzen haben ihrerseits Einfluss auf die Art, mit der die landwirtschaftlichen Flächen bearbeitet werden (können). In Europa steht der Raps im Mittelpunkt des Interesses, da es hier eine große Anzahl von verwandten - natürlich vorkommenden und kultivierten - Pflanzenarten gibt. Alle Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre weisen auf die hohe Wahrscheinlichkeit hin, mit der sich Populationen von transgenem Raps in der freien Natur etablieren werden. Damit eng verknüpft ist eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Genfluss der Transgene in die Bestände der natürlichen - nicht gentechnisch veränderten - Verwandten. Mittlerweile wird der Genfluss als solcher häufig nicht mehr als Grund für besondere Sorge angesehen. Es heißt, er sei erst dann von Bedeutung, wenn er zu beschreibbaren Konsequenzen in der Lebensgemeinschaft geführt hat und diese Konsequenzen als negativ beurteilt werden können. Ist dies aufgrund fehlenden Wissens nicht möglich, kann zum Genfluss immer häufiger ein von Schulterzucken begleitetes "Na und?" vernommen werden. Aber dem Bedarf, die Effekte des Genflusses zu beschreiben, kann wegen der Komplexität des Themas und der Vielzahl an Wissenslücken nur mit Langzeitstudien begegnet werden. Gemessen an den derzeitigen Mitteln, die für Forschungen zur biologischen Sicherheit und für die Abschätzung von ökologischen Effekten bereitgestellt werden, würde diese Forschung mindestens zwanzig Jahre dauern. Allison Snow, Professorin in der Abteilung für Evolution, Ökologie und Biologie der Organismen an der Universität des US-Bundesstaates Ohio, beschreibt die Wichtigkeit dieser Forschungsrichtung in einem Kommentar für das Wissenschaftsmagazin Nature Biotechnology: "Die meisten Regierungsbehörden, die mit der Regulierung von gentechnisch veränderten Pflanzen betraut sind, fragen nach Informationen über Genfluss und seinen Konsequenzen. Aber es ist oft schwierig, Veröffentlichungen mit relevanten Egebnissen zu diesem Thema zu finden, die das Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben. Zu einem gewissen Grad kann dieses Problem auf den Mangel an finanzieller Förderung (und auf mangelndes Interesse) der Forschungsprogramme der Regierung () zurückgeführt werden. () Um dieses Problem noch schwieriger zu machen, sind nur wenige Biotechnologie-Unternehmen bereit, unabhängige Forschungen zur Risikoabschätzung zu fördern oder ihre neuen Pflanzen-Sorten bereits im vorkommerziellen Stadium für Forschungszwecke bereit zu stellen".(5)

Geringerer Ertrag, zunehmender Pestizid-Verbrauch

Schaut man auf die Ergebnisse von Untersuchungen zur versprochenen Reduzierung des Pestizid-Einsatzes, hat sich die Situation nicht gebessert. Die Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission hat eine Studie zu den Ernte-Erträgen, Pestizid-Einsätzen und dem finanziellen Rückfluss bei US-amerikanischen Landwirten veröffentlicht. Zusammengefasst liest sich das Ergebnis wie folgt: "Die berücksichtigten Untersuchungen lassen keine abschließende Beurteilung der Vorteile des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen auf der - hier untersuchten - Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe zu".(6) Die veröffentlichten Ergebnisse sind sehr unterschiedlich und außerdem oft nicht vergleichbar. Zwischen drei und dreizehn Prozent geringerer Ertrag und zunehmender Verbrauch an Pestiziden nach einer kurzen Phase der Reduktion, so wird in dem Bericht das Ergebnis für gentechnisch verändertes (Roundup-resistentes) Soja beschrieben. Diese Ergebnisse werden von Dr. Charles M. Benbrock, einem unabhängigen US-amerikanischen Landwirtschafts-Berater, unterstützt.(7) Auch eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungszentrums des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums beschreibt, dass Soja-Bauern keinen finanziellen Vorteil haben.(8) Nach Benbrock (7) führt auch der Anbau von Herbizid-resistentem Mais nicht zu einer Reduktion des Verbrauchs von Herbiziden, sondern - ganz im Gegenteil - zu einer dreißig-prozentigen Erhöhung. Ähnliches ist auch bei der Verwendung von Bt-Mais zu beobachten, der Einsatz von Pestiziden wird nicht reduziert, sondern bleibt auf ungefähr gleich hohem Niveau. Die Erträge bleiben in etwa die Gleichen oder erhöhen sich nur leicht.(6) Die Ergebnisse bei Herbizid-resistentem Raps liegen in den verschiedenen Untersuchungen in einem weiten Bereich. Die Erträge erhöhten oder verringerten sich in den verschiedenen Studien um jeweils bis zu fünfzehn Prozent. Zu der Möglichkeit, Herbizide einzusparen, liegen keine eindeutigen Ergebnisse vor, doch mehren sich Berichte zu Beispielen mehrfach resistenter Raps-Pflanzen. Dies kann sich zu einem ernsten Unkraut-Problem entwickeln. Nur der Anbau von Bt-Baumwolle führt zur Reduktion des Pestizid-Einsatzes.(7) Hier ist allerdings die Entwicklung von Resistenzen und ein Wechsel in den Populationen der Unkräuter zu beobachten, was zu neuen Problemen führt. Als Reaktion auf das häufiger werdende Auftreten von Herbizid-resistenten Unkräutern in Feldern von gentechnisch veränderter Herbizid-resistenter Baumwolle empfiehlt der Agrar-Biotechnologie-Konzern Monsanto eine Mixtur zu spritzen. Sie besteht aus dem Herbizid, gegen das die gentechnisch veränderte Pflanze resistent gemacht wurde und einem traditionellen Herbizid. Mixturen dieser Art sind bereits auf dem Markt um gegen resistente Durchwuchs-Pflanzen und wenig empfindliche Unkräuter eingesetzt zu werden. Nach einer Studie der britischen Organisation Soil Association bleiben nicht nur die versprochenen ökologischen und ökonomischen Vorteile aus, vielmehr folgte aus der Einführung von gentechnisch verändertem Mais, Raps und Soja ein Verlust von zwölf Milliarden US-Dollar für die US-Wirtschaft. Dieser Verlust setzt sich - so heißt es in der Studie - aus steigenden Subventionen, niedrigeren Preisen, geringerem Export-Volumen und Produkt-Rückruf-Aktionen zusammen.(9) Was bleibt? - Wir haben Milliarden Euro oder Dollar zum Vorteil von fünf global agierenden Konzernen des Agro-Business ausgegeben: Monsanto, Syngenta, Dupont, Dow und Bayer. Sie sind die Gewinner einer Forschungs-Agenda, die in das Paradigma des Industrie-Zeitalters passt. Wissenschaft im Interesse der Gesamtgesellschaft ist auf diesem Weg verloren gegangen.

Fußnoten

  1. Sukopp H., Sukopp, U. (1997): Ökologische Begleitforschung und Dauerbeobachtung im Zusammenhang mit Freisetzung und Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Kulturpflanzen. In: Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt (Herausgeber): Chancen und Risiken der Gentechnik im Umweltschutz, Erfurt, Seiten 43-51.
  2. Wolfenbarger L. L., Phifer P. R. (2000): The Ecological Risks and Benefits of Genetically Engineered Plants. Science 290, Seiten 2088-2093.
  3. Levidow, L., Carr, S. & Wield, D. (1998): Market-stage precautions: managing regulatory disharmonies for transgenic crops in Europe. Binas Online: Biosafety Reviews; http://binas.unido.org/binas/lib.php, zuletzt aufgerufen am 26.2.03.
  4. Vogel, B., Tappeser, B. (2000): Risikoabschätzung bei der Genehmigung von Inverkehrbringung und Sortenzulassung transgener Pflanzen. Öko-Institut e.V.; Studie im Auftrag des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages, Berlin; http://www.oeko.de/bereiche/gentech/monitor.html; zuletzt aufgerufen am 18.2.03.
  5. Snow, A. (2002): Transgenic crops - Why gene flow matters, Nature Biotechnology, June 2002, Seite 542.
  6. Generaldirektion Landwirtschaft (der Europäischen Kommission) (2000): Economic Impacts of Genetically Modified Crops on the Agri-Food Sector, A First Review; http://europa.eu.int/comm/agriculture/publi/gmo/f…, zuletzt aufgerufen am 26.2.03.
  7. Benbrock, C. (2001): Do GM crops mean less pesticide use? Pesticide Outlook, Oktober 2001, Seiten 204-207.
  8. Agronomic Research Service (2002): Adoption of Bioengineered Crops, USDA-ARS-Report No. 810.
  9. Soil Association (2002): Seeds of doubt: North American farmers' experiences of GM-crops, http://www.soilassociation.org/web/sa/saweb.nsf/ Resources/research.html; zuletzt aufgerufen am 26.2.03.
Erschienen in
GID-Ausgabe
159
vom August 2003
Seite 7 - 9

Beatrix Tappeser ist Koordinatorin des Bereichs Biodiversität, Ernährung und Landwirtschaft (BE+L) am Öko-Institut e.V. in Freiburg (Breisgau).

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