Kurz notiert: Mensch & Medizin
Gentherapie: Studien
Das Krebsrisiko einer Gentherapie ist weitaus höher als bisher angenommen. Mehrere Studien ergaben, dass die sogenannten Trägerviren, die üblicherweise für den Transport der "therapeutischen" Gene in die Empfängerzelle verwandt werden, sich bevorzugt im Funktionsbereich codierter DNA-Abschnitte einfügen. Dies gilt sowohl für den Leukämievirus NoNuLV, als auch für die ebenfalls häufig eingesetzten HIV- und Adenoviren. Shawn Burgess und KollegInnen vom US-amerikanischen Genomforschungsinstitut in Bethesda veröffentlichten am 13. Juni im Magazin Science die Ergebnisse einer Labor-Studie, bei der murine Leukämieviren, die in menschliche Zelllinien gebracht wurden, dort in über einem Drittel (34 Prozent) von insgesamt 903 Fällen ein Gen getroffen haben. Hätte das Zufallsprinzip gegolten, wie bisher angenommen, wäre nur in jedem fünften Fall (22Prozent) ein Gen getroffen worden. Ein "Treffer" kann unerwünschterweise dazu führen, dass im Genom des Empfängers Gene aktiviert oder abgeschaltet werden. Dadurch kann es beispielsweise zu unkontrolliertem Zellwachstum und damit einem erhöhten Krebsrisiko kommen. Im Verlauf des letzten Jahres waren in Frankreich zwei von elf wegen einer seltenen erblichen Immunschwäche behandelten Kinder infolge eines Gentransfers an Leukämie erkankt. Wissenschaftler waren bisher jedoch mehrheitlich davon ausgegangen, dass dies ein "unglücklicher Zufall" gewesen sei. Da bei einer Gentherapie etwa fünf bis sechs Millionen Zellen der Patienten mit dem Retrovirus infiziert werden, ist es nach den neuen Ergebnissen jedoch eher überraschend, dass es so selten zur Tumorentwicklung kommt. Klinische Studien zur Gentherapie wurden seit den 90er Jahren an mehreren Tausend PatientInnen durchgeführt, etwa 260 davon in Deutschland. Bisher wurde noch kein einziger Mensch durch dieses Verfahren nachweislich therapiert. (Deutsches Ärzteblatt, 16.06.2003; Science, Bd 300, 13. Juni, S. 1749; New York Times, 13. Juni 2003) (mf)
Hormontherapie: Studien
Umfassende Studien weisen auf weitere Risiken der Hormonersatztherapie in den Wechseljahren hin: Nach Angaben der amerikanischen Frauen-Gesundheitsinitiative (Women's Health Initiative) haben Frauen über 65 Jahre, die eine Standard-Kombination von Östrogen und synthetischem Progestin erhalten, ein doppelt so hohes Risiko an Demenzen zu erkranken. Bislang waren Mediziner aufgrund von Labor- und Tierexperimenten davon ausgegangen, dass Östrogen einer Demenz bei postmenopausalen Frauen entgegenwirken kann. In der aktuellen Studie wurden seit 1995 die Daten von mehr als 4.500 Studienteilnehmerinnen im Alter über 65 Jahre ausgewertet, denen entweder ein Placebo oder das Medikament Prempro verabreicht worden war. Prempro ist das meistverkaufte Präparat der Kombinationstherapie und wird von dem in Philadelphia ansässigen Konzern Wyeth Pharmaceuticals hergestellt. Unter den 2.229 Hormontherapie-Patientinnen kam es zu 40 Fällen von Demenz. Bei der Kontrollgruppe wurden 21 Fälle gezählt. Die Forscher kamen außerdem zu dem Ergebnis, dass die Hormonersatztherapie das Risiko von Schlaganfall um 31 Prozent erhöht. Eine Ursache könnte die Auswirkung der Hormone auf die Blut-Gerinnung sein. Da die Folgen bereits im ersten Jahr der Behandlung auftreten, seien die Risiken auch bei einer kurzzeitigen oder niedrig-dosierten Therapie nicht auszuschließen. Die Therapien waren bereits im Juli 2002 aufgrund vorläufiger Studienergebnisse abgebrochen worden, da feststand, dass die Hormongaben bei älteren Patientinnen das Risiko von Brustkrebs, Schlaganfällen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhten. Genauere Analysen ergaben außerdem, dass Tumore bei Hormonpatientinnen schwieriger zu entdecken sind und dadurch den Behandlungsbeginn verzögern könnten. Dazu kommt es im ersten Jahr der Behandlung mit Hormonen bei jeder zehnten Frau zu Gewebeveränderungen, die sich als harmlos herausstellen können, aber dennoch gesundheitlich und psychisch belastende Untersuchungen nach sich ziehen. Für jüngere Frauen liegen nach Aussagen der Wissenschaftler noch keine entsprechenden Auswertungen vor. Derzeit wird noch eine zweite Untersuchung durchgeführt, bei der Frauen nach einer Totalentfernung der Gebärmutter Östrogene ohne Progestin erhalten. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin JAMA (28. Mai 2003) und im Journal of the American Medical Association (25. Juni 2003) veröffentlicht. (Herald Tribune, 29.05.03; New York Times, 25.06.03; http://www.whi.org) (mf)
Y-Chromosom
Das Y-Chromosom hat mehr "zu bieten" als bisher angenommen: Forscher aus den USA und den Niederlanden haben das Y-Chromosom eines einzelnen Mannes sequenziert und dabei 78 Gene identifiziert. Bislang waren die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass das mänliche Geschlechtschromosom im Unterschied zu seinem weiblichen Counterpart kaum funktionstüchtige Gene enthalte und da es über keine eigenen Reparaturmechanismen verfüge im Laufe der Zeit von der Bildfläche verschwinden wird. Das Team um David Page vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge fand jedoch heraus, dass bestimmte Erbgutabschnitte doch so strukturiert sind, dass das Chromosom fehlerhafte Gene selbst ausbessern kann. Die Ergebnisse ergaben außerdem, dass 95 Prozent des Y-Chromosoms vom X-Chromosom verschieden sind. Nun hoffen die Forscher, darin auch Erklärungen für Unterschiede in der Krankheitsanfälligkeit von Männern und Frauen zu finden. (Nature, Bd 423, 810, 825 und 873; Ärzte Zeitung 20.06.2003) (mf)
She-male Embryos
Amerikanische ReproduktionsmedizinerInnen haben Zellen aus einem drei Tage alten männlichen Embryo entnommen und in weibliche Embryonen transplantiert. Auf diese Weise wollten sie nach Angaben des Versuchsleiters Norber Gleicher vom Zentrum für Fortpflanzungsmedizin (Center for Human Reproduction) in New York aber kein Kind entstehen lassen, sondern testen, ob man bei einer Gentherapie Gene auch ohne die Verwendung der umstrittenen Trägerviren in einen Embryo einbringen kann. Dahinter steht die Idee, Embryonen im Falle eines festgestellten Gendefekts im Labor zu behandeln und danach wieder in die Gebärmutter einzupflanzen. Für die Transplantation verwandten die WissenschaftlerInnen männliche Zellen, weil diese anhand des Y-Chromosoms in weiblichen Embryonen leichter zu erkennen und damit zu verfolgen sind. Das Ergebnis: Zwölf der 21 Embryonen entwickelten sich laut Gleicher zu "völlig normalen" Blastozysten. Vier stellten nach Angaben der Wissenschaftler ihr Wachstum ein, weitere fünf sollen sich "abnormal entwickelt" haben. Alle Blastozysten wurden von den Forschern am sechsten Tag zerstört. Auf das Verfahren zur Herstellung zweigeschlechtlicher Embryonen hat Gleicher bereits einen Patentantrag gestellt. Auf der Jahresversammlung der Europäischen Gesellschaft für Fortpflanzungsmedizin stießen die Experimente auf heftige Kritik. Die Mediziner wiesen darauf hin, dass durch die Transplantation gesunder Zellen der Ausbruch von Erbkrankheiten nicht sicher verhindert werden könne. Da die Vermehrung der fremden Zellen nicht zu kontrollieren ist, seien Mutter und Kind mit derm neuen Verfahren unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt. (New Scientist Online, 03.07.03; netzeitung, 04.07.04) (mf)
Gen-Chip USA
Der Basler Pharmamulti Roche Holding AG wird in den USA einen Biochip in die klinische Anwendungsphase bringen. Der Chip mit dem Namen AmpliChip CYP450 sucht in Blut- oder Speichelproben nach Abweichungen von den beiden Genen CYP2D6 und CYP2C19, die laut Roche für die Aufnahme von rund einem Viertel der verschreibungspflichtigen pharmazeutischen Wirkstoffe bedeutend sind. Der in Zusammenarbeit mit dem Microarray-Hersteller Affymetrix entwickelte Test soll eine schnelle Vorhersage der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln ermöglichen und Ärzte bei der Auswahl geeigneter Medikamente unterstützen. Zunächst soll das Produkt nur in US-amerikanischen Fachlabors zum Einsatz kommen, ab dem zweiten Halbjahr 2004 dann auf dem amerikanischen und dem europäischen Markt eingeführt werden. Roche rechnet nach eigenen Angaben damit, bis zum Jahr 2008 jährlich über 100 Millionen US-Dollar mit dem Chip einzunehmen. (PM Roche, 25.06.03; Ärzte Zeitung, 26.06.03; FinanzNachrichten, 25.06.03) (mf)
Chip bei Leukämie
Eine DNA-Chip-Technik zur Leukämie-Diagnostik haben Molekulargenetiker am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg in Zusammenarbeit mit Krebsforschern der Heidelberger Universitätsklinik entwickelt. Der Test soll bei der chronischen Leukämie B-CLL langsamere Tumore von agressiveren unterscheiden. Damit hoffen die Wissenschaftler, die Therapieform an die Verlaufsform des Tumors anpassen zu können. Bisher wurde anhand einer Chromosomenanalyse entschieden, ob eine stärkere Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation durchgeführt werden muss. Diese Testverfahren waren jedoch äußerst zeit- und kostenaufwendig. Bei der neuen Methode werden die zu testenden Tumorzellen mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert und auf bereits charakterisierte Zellproben aufgebracht. DNA-Abschnitte, die im Genom der Tumorzellen über oder unter-exprimiert sind, fluoreszieren. Nach Angaben der Wissenschaftler hat der Test eine 99prozentige Sensitivität und Spezifität und ist somit für die klinische Routine geeignet. In klinischen Studien wird der Chip bereits genutzt. (Ärzte Zeitung, 23.06.03) (mf)
Mund-Genom
Nach dem menschlichen Genom wollen Wissenschaftler nun auch die Genome der rund 1000 verschiedenen Mikroben sequenzieren, die im Mund und in der Vagina leben. Zu diesem Ziel haben Forscher vom Institute for Genomic Research, Maryland, und der Stanford University, California, die DNA von Bakterien gesammelt, die sie auf Zahnfleisch und auf Zähnen fanden. Mehr als 40 Prozent dieser DNA sind nach Angaben der Wissenschaftler unbekannt. Bisher hatten Forscher in der Bakterienflora höchstens direkt nach einem bestimmten Gen gesucht, derartige Screenings blieben bisher aus. Die Erkenntnisse aus der Genomanalyse könnten nach Ansicht der Projektleiter Steve Gill und Karen Nelson zur Herstellung von DNA-Chips dienen, mit denen sich dann beispielsweise Geschlechtskrankheiten typisieren ließen. Ein potentieller Markt finde sich auch in der Lebensmittelindustrie, die Produkte mit "gesunden Bakterien" anreichern könne. Besonders gesundheitsbewusste Menschen könnten sich auch für den täglichen Test ihres Bakterienhaushalts einen Chip in die Toilettenschüssel hängen, sagte ein Mitarbeiter des Projekts. (Nature, 23.06.03) (mf)
Muskeldystrophie
Einen neuen Ansatz zur Behandlung der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne haben Forscher um Qi Long Lu vom Hammersmith Hospital, London, an Mäusen ausprobiert: Sie setzten nicht an dem mit der Krankheit assoziierten Gendefekt, sondern am sogenannten Spleißen an. Bei diesem Schritt der Proteinsynthese schneiden Enzyme aus der ersten Kopie des abgelesenen DNA-Abschnitts überflüssige Stücke heraus und fügen die verbleibenden Sequenzen dann wieder zusammen. Diese Boten-RNA (mRNA) wandert dann mit der "Bauanleitung" für die Proteine zu den Orten der Endmontage, den Ribosomen. Bei ihrem Experiment entfernten die Wissenschaftler unter Zuhilfenahme eines entsprechenden Enzyms einen bestimmten Abschnitt auf der Boten-RNA eines Gens, das bei Trägern der Muskelschwundkrankheit sehr häufig mutiert. Dabei handelt es sich um die Bauanleitung für das Protein Dystrophin, das am Aufbau der Muskeln maßgeblich beteiligt ist. Bei Erkrankten kommt es daher zu einem progressiven Muskelschwund, der bisher nicht heilbar ist. Das Versuchsergebnis: Die behandelten Mäuse bauten nach Angaben von Lu zumindest kurzfristig wieder Muskelmasse auf. Damit konnte mit einer "RNA-Therapie" erstmals ein positives Ergebnis erzielt werden. Allerdings blieb die Dystrophin-Produktion ohne erneute Behandlung nicht stabil. Da das Verfahren an den Organismus von Mäusen angepasst wurde, kann es zudem nicht auf den Menschen übertragen werden. Von einer klinischen Anwendung ist diese Methode also weit entfernt. (nature medicine, 06.07.03; wissenschaft online, 08.07.03; New Scientist 12.07.03) (mf)
Gen für... langes Leben
US-Wissenschaftler glauben der Langlebigkeit von embryonalen Stammzellen ein Stückchen näher gekommen zu sein: Beim Fadenwurm C. Elegans konnten sie eine Reihe von Genen identifizieren, die einen Einfluss auf die Lebenslänge des Tiers haben sollen. Dabei scheint es ein einziges Gen zu geben, dass viele andere steuern kann, sobald man ein weiteres Gen blockiert. Als problematisch könnte sich unter anderem herausstellen, dass das blockierte Gen auch für die Fettverarbeitung des Wurms zuständig ist. Die Lebenszeit des Fadenwurms ist normalerweise auf drei Wochen beschränkt. Dies macht ihn zum geeigneten Versuchstier, um die Wirkung des Aus- und Einschaltens von Genen zu beobachten. Versuchsleiterin ist Canthia Kenyon, University of California, San Francisco. (Nature 424, 17.07.03; heise 01.07.03) (mf)
Das Master Gen
Stammzellforscher wollen das Geheimnis der Pluripotenz von embryonalen Stammzellen gelüftet haben: Laut Ian Chambers vom Institute for Stem Cell Research (ISCR) in Edinburgh ist ein bestimmtes Gen dafür verantwortlich, dass bei Stammzellen eine besondere Art der Zellteilung durchgeführt wird. Dabei geht eine der beiden Tochterzellen den Weg einer gewöhnlichen Zelle und durchläuft einen Alterungsprozess. Die andere Tochterzelle bleibt eine Stammzelle und behält ihr Potential, sich in jede beliebige Zelle zu verwandeln. Forschungsleiter Austin Smith erhofft sich davon Fortschritte in der Herstellung von embryonalen Stammzellen aus adulten Zellen für die Therapie. Die Erkenntnisse ziehen die Forscher bisher allerdings aus Experimenten an Mäusen, Versuche am Menschen wurden bisher nicht durchgeführt. In Anlehnung an den keltischen Mythos vom Land der Unsterblichkeit nannten die Wissenschaftler das entdeckte Gen "Nanog". (genet-news, 30.05.03; Netzeitung, 02.06.03) (mf)
KlonKrebsMaus
Klonen könnte die mutationsbedingten Entartungen von Krebszellen rückgängig machen oder zumindest deren Wirkung unterdrücken. Dies fanden amerikanische Neurowissenschaftler heraus, die Zellkerne von Tumorzellen in entkernte Eizellen von Mäusen transferierten. Wider Erwarten entwickelten diese aus Gehirntumoren geklonten Tiere selber keine Tumore. Für James Morgan vom St. Jude Children's Research Hospital in Tennessee ist dies der Beweis dafür, "dass so genannte epigenetische Faktoren Schlüsselelemente bei der Entwicklung von Tumoren sind." Deswegen sei anzunehmen, dass mutationsbedingte Entartungen einer Zelle durch eine Umprogrammierung des genetischen Materials rückgängig zu machen sind. Epigenetische Faktoren sind Einflüsse auf das Erbgut, die nicht direkt von den Funktionen der Gene abhängen. Dazu gehören beispielsweise an die DNA angehängte Methylgruppen, die für die Aktivierung eines Gens entscheidend sind. Ihr Zusammenhang mit der Tumorentwicklung galt bereits als sicher, wurde jedoch laut der Zeitschrift Cancer Research zum ersten Mal bewiesen. (Netzeitung, 05.06.2003; Ärzte Zeitung, 12.06.2003) (mf)
Gen für ... Infertilität
Laut österreichischen WissenschaftlerInnen verhindert ein Defekt in dem als Fkbp6 bezeichneten Gen die Spermienreifung. Zwar stützten sich Josef Penninger und sein Team vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien bei ihren Untersuchungen auf Mäuse und Ratten. Der in Science beschriebene Defekt könnte jedoch auch verantwortlich dafür sein, dass manche Männer keine Kinder zeugen können. Offenbar ordnen sich in solchen Fällen die Chromosomen der Spermienvorläuferzellen nicht ordnungsgemäß an. (Science, Bd. 300, S. 1291; Berliner Zeitung, 26.05.2003) (mf)
Gen für...Depression
Die Stimmungsschwankungen bei manisch Depressiven sind nach Ansicht von WissenschaftlerInnen der Universität San Diego, Kalifornien, auf eine einzige Genmutation zurückzuführen. Im Fachmagazin Molecular Psychology berichten die ForscherInnen, bei etwa zehn Prozent der TrägerInnen dieser Genvarianz bräche die Krankheit aus. Untersucht wurden DNA-Proben aus 400 Familien. Bei dem betreffenden Gen handelt es sich um GRK3, das eine wichtige Rolle in der Signalübertragung spielt und auf den Botenstoff Dopamin reagiert. John Kelsoe, Leiter des Projekts, nimmt an, dass die Mutation eine Übersensibilität auf Dopamin hervorruft. Dies erkläre jedoch noch nicht, warum nur zehn Prozent der Mutations-TrägerInnen erkranken. Umweltbedingte Ursachen seien somit nicht auszuschließen. (Netzeitung, 16.06.03) In einer weiteren Studie wird von einem internationalen Forscherteam ein Gen, das für die Verteilung des Hormons Serotonin zuständig ist, in Zusammenhang mit Depression gestellt. Die WissenschaftlerInnen um Terrie Moffat, Universität Wisconsin, und Avshalom Caspi, King's College, London, berichten in Science, das betreffende Gen läge bei Menschen, die Schicksalsschläge schlechter verarbeiten, in einer kurzen Variante vor. (Science, 301:2003; Deutsches Ärzteblatt, 21.07.03). Unabhängig davon haben amerikanische ForscherInnen 19 Abschnitte des menschlichen Genoms mit Depressionen assoziiert. Hierfür hatte der Psychatrie-Professor George Zubenko, Universität Pittsburgh, genetische Reihenuntersuchungen in 81 Familien durchgeführt, in denen Fälle von Depression auftraten. Im American Journal of Medical Genetics schreiben die beteiligten ForscherInnen, das Auftreten und die Schwere der Depressionen hänge unter anderem vom Geschlecht der Anlage-TrägerInnen ab. Außerdem läge das durschnittliche Lebensalter in den untersuchten Familien acht Jahre unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Daraus schließt Zubenko, dass die für die Depression verantworlichen Mutationen auch die Lebenszeit verkürzen. (reuters health, 02. 07. 2003) (mf)
Gen für ... Morgenmuffel
Ob jemand ein Nachtmensch oder Frühaufsteher ist nach Berichten eines britisch-niederländischen Forscherteams im Fachblatt "Sleep" kann man dies am Genom erkennen. Verantwortlich ist nach Angaben von Simon Archer (Universität Surrey) das Gen "Period 3", das bei nachtaktiven Menschen in der kürzeren Version vorkommt. Unter PatientInnen, die unter Schlafproblemen leiden, sei dieses sogar noch kürzer, so die Studie. Insgesamt gebe es aber mindestens zehn verschiedene Gene, die für die Steuerung der inneren Uhr des Menschen von Bedeutung seien. (Wissenschaft.de, 17.06.03) (mf)
"Pille danach"
Ab 2004 wird die "Pille danach" in deutschen Apotheken voraussichtlich auch ohne Rezept erhältlich sein. Dies hat der Sachverständigenausschuss der Bundesanstalt für Arzneimittel und Medikamentenprüfung dem Gesundheitsministerium empfohlen. Die Zustimmung des Ministeriums, das die Freigabe der Pille verordnen muss, gilt als sicher. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion, Irmingard Scherwe-Gerigk, begrüßte die Empfehlung. Die steigende Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche von Frauen unter 18 Jahren zeige, dass Sexualaufklärung und der Zugang zu Verhütung wichtig seien. Durch die Pille danach könne ein späterer Abbruch vermieden werden, sagte Scherwe-Gerigk. In neun europäischen Staaten sei das Präparat bereits rezeptfrei zu bekommen. Die "Pille danach" besteht eigentlich aus vier Hormon-Pillen, von denen die ersten zwei bis spätestens 72 Stunden nach dem Verkehr eingenommen werden müssen. Sie leiten eine verfrühte Blutung ein, um die Einnistung eines befruchteten Eis zu verhindern. Meistens kommt es zu starker Übelkeit und anderen Nebenwirkungen. (Deutsches Ärzteblatt, 07.07.03) (mf)
Rabatt bei Eizellspende
Wenn britische Frauen Eizellen spenden, können sie seit kurzem bei einer InVitro-Fertilisation einen Preisnachlass bekommen. Einen solchen Handel bietet der Londoner Mediziner Dr. Ian Craft in seiner Reproduktionsklinik an. Anstatt die üblichen 3400 Euro pro künstlicher Befruchtung müssen Spenderinnen nur 1500 Euro zahlen. Die britische Behörde für Fortpflanzungsmedizin (Human Fertilisation and Embryology Authority, HFEA) hatte die Methode für zulässig erklärt. Kritische Stimmen innerhalb der britischen Ärzteschaft befürchten, dass sich sozial schwächere Frauen nun zur Eizellspende gezwungen sehen. (Ärzteblatt, 27.06.03) (mf)
Stammzellen im Fruchtwasser
Forscher der Wiener Universität für Frauenheilkunde haben im Fruchtwasser einen Zelltyp gefunden, der möglicherweise die selben pluripotenten Eigenschaften wie embryonale Stammzellen besitzt. Das schließen die Wissenschaftler um Markus Hengstschläger vom Pränatalmedizinischen Labor aus einem Protein, das die Zellen produzieren. Dieses Eiweiß mit dem Namen Oct-4 gilt als Marker für menschliche, pluripotente Zellen. Nur wenn die Züchtung von Gewebe aus den Fruchtwasserzellen gelingt, kann deren Pluripotenz aber als erwiesen gelten. Dies könnte nach Einschätzung der Forscher noch fünf bis zehn Jahre dauern. Sollte der Beweis gelingen, könnte die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus Embryonen aber überflüssig werden. (Salzburger Nachrichten,02.07.03; Alfa-Newsletter vom 04.07.03) (mf)
Eizellen nach Abtreibung
Israelische und niederländische Forscher haben abgetriebenen Föten das Eierstock-Gewebe entnommen und im Labor vier Wochen lang kultiviert. Dabei sollen sich die Eizellen produzierenden Follikel normal entwickelt haben, allerdings sei es noch nicht gelungen, einen Eisprung zu erzeugen. Sollte dies gelingen, sehen die Forscher um Tal Biron-Shental, Israel, keine ethischen Bedenken, auf diesem Wege Eizellen für die künstliche Befruchtung herzustellen. (The Telegraph, 01.07.03) (mf)
PND: Abstrich
Ein gynäkologischer Abstrich soll nach Angaben australischer Wissenschaftler genügen, um einen Gentest am ungeborenen Kind durchzuführen. Darryl Irwin und Ian Findlay von der Universität of Queensland, Brisbane, fanden in Abstrichen, die für die Krebsvorsorge entnommen werden, bereits in der fünften Schwangerschaftswoche embryonale Zellen vor. Im Vergleich zu der sonst üblichen Fruchtwasserpunktion könne ein Test damit früher, preiswerter und ohne weitere Gefahren durchgeführt werden. Ein Ergebnis liege bereits innerhalb weniger Tage vor. Bis der Test zur Verfügung stehe, könnten allerdings nach Einschätzung von Irwin noch zwei bis drei Jahre vergehen. (alfa-newsletter, 18.07.2003) (mf)
Adulte Stammzellen 1
ForscherInnen der Duke University soll es gelungen sein, gentechnisch veränderte Stammzellen zum Aufbau von Arterien zu benutzen. Hierfür isolierte das Team um Laura Niklason einen bestimmten Abschnitt (hTERT) des Telomerase-Enzyms. Telomerase sorgt dafür, dass die Enden der Chromosomen sich nur langsam verkürzen, und dadurch der Alterungsprozess verzögert wird. Wird der Enzymabschnitt hTERT in Muskelzellen, die in jeder Arterie vorkommen, eingebracht, so sorgt er nach Angaben der Forscher dafür, dass sich diese über die gewöhnliche Lebensspanne hinaus teilen. In einer Kunststoffröhre seien die Zellen im Labor zu Muskelzellen herangewachsen, wobei sich der Kunststoff gleichzeitig zersetzte. Ob solche Arterien den Einsatz im Körper überstehen, ist jedoch höchst ungewiss. Die WissenschaftlerInnen rechnen nicht mit einer möglichen Verwendung bei Bypass-Operationen, und auch von einer Transplantation in Beinarterien sind sie nach eigenen Angaben noch weit entfernt. (netzeitung, 06.06.03) (mf)
Adulte Stammzellen 2
An Mäusen ist es amerikanischen Forschern gelungen, mit Hilfe von Blutstammzellen Therapieerfolge bei Blutkrankheiten zu erzielen. Wie die Mediziner um Derek Persons in der Fachzeitschrift "Blood" berichten, haben sie in Memphis, Tennessee, an beta-Thalassaemie erkrankte Mäuse mit Chemotherapie behandelt. Parallel dazu sei den gesunden Blutstammzellen ein Gen eingeschleust worden, dass sie vor der Bestrahlung schützt. Dies habe dazu geführt, dass die Mäuse normale rote Blutkörperchen gebildet hätten. (Alfa-Newsletter, 18.07.03; www.bloodjournal.org, 15.07.03) (mf)
Geburtenkontrolle durch Vasektomie
Ein neues staatliches Programm zur Senkung der Geburtenrate läuft in Bankura, Indien, an. Männer, die sich einer Vasektomie, das heißt der operativen Entfernung eines Teils des Samenleiters, unterziehen, erhalten vom Staat ein Fahrrad geschenkt. Bisher sollen bereits 24 Vasektomien vorgenommen worden sein; die Gesundheitsverwaltung von Bankura hofft bis zum Jahresende mindestens 250 weitere durchführen zu können. Andere Bezirke sollen ähnliche Programme zur Senkung der Geburtenrate angekündigt haben. Teile des indischen Ärzteverbandes kritisieren das Programm und befürchten, dass sich arme Patienten gegebenenfalls wegen materieller Vorzüge diesem Eingriff unterziehen. (Deutsches Ärzteblatt Online, 08.07.2003) (jb)