Moratorium für die Schweiz?

Schweizerische Bauern, KonsumentInnen und UmweltschützerInnen fordern im Rahmen der Gentechfrei-Initiative den fünfjährigen Verzicht auf den kommerziellen Anbau transgener Pflanzen und die landwirtschaftliche Nutzung transgener Tiere. Der Nationalrat lehnte die Initiative mit knapper Mehrheit ab. Ende November wird nun die Schweizer Bevölkerung per Volksentscheid über die Initiative abstimmen.

Am 28. September dieses Jahres – zwei Monate vor dem Volksentscheid – wurde bei einer Pressekonferenz der offizielle Kampagnenstart bekanntgegeben. Die Voten der Rednerinnen und Redner lieferten nochmals die Hauptargumente zur Gentechfrei-Initiative, so beispielsweise Hansjörg Walter, Nationalrat (1) und Präsident des Schweizerischen Bauernverbands: "Wir Bauern (...) produzieren für die einheimische Bevölkerung. Es macht für uns und die Qualitätsstrategie, die wir verfolgen, also absolut keinen Sinn, etwas anzubauen, das niemand kaufen will." Gleichzeitig konnte auf zweieinhalb Jahre Engagement in Sachen Gentechfrei-Initiative zurück geblickt werden. Im Schoße der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG) wurde beschlossen, auf demokratischem Weg der Bevölkerungsmehrheit Achtung zu verschaffen. Die SAG und andere hatten versucht, das Moratorium über die kommerzielle Nutzung der Gentechnologie in das im März 2003 verabschiedete Gesetz über die Gentechnik im außerhumanen Bereich zu verankern. Da dieser Versuch scheiterte, sollte mit einer Volksinitiative nachgeholt werden, was politisch blockiert worden war. Am 18. Februar 2003 begann die Unterschriftensammlung für die Gentechfrei-Initiative. In der Rekordzeit von vier Monaten konnten 120.000 Unterschriften gesammelt werden. Die Initiative konnte am 18. September 2003 eingereicht werden. Inzwischen ist die bundesrätliche und parlamentarische Debatte abgeschlossen:

  • 18. August 2004: Ablehnung der Initiative durch den Bundesrat in seiner Botschaft an das Parlament.
  • 28. Oktober 2004: Nein-Empfehlung der Ständeratskommission für Wissenschaft, Bildung, Kultur mit 5 zu 1 Stimmen.
  • 15. März 2005: Ablehnung im Ständerat mit 32 zu 7 Stimmen.
  • 15. April 2005: Ja-Empfehlung der Nationalratskommission mit 13 zu 10 Stimmen.
  • 17. Juni 2005: Schlussabstimmung: Ablehnung im Nationalrat mit 92 zu 92 Stimmen bei Stichentscheid der Präsidentin und Ablehnung im Ständerat mit 35 zu 10 Stimmen.

Die Volksabstimmung über die Gentechfrei-Initiative wird nun am 27. November 2005 stattfinden.

Der Initiativtext

Formell geht es der so genannten Eidgenössische Volksinitiative "für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft" (Gentechfrei-Initiative) um die Änderung der Bundesverfassung. Diese soll in Zukunft den folgenden Passus enthalten: Die schweizerische Landwirtschaft bleibt für die Dauer von fünf Jahren nach Annahme dieser Verfassungsbestimmung gentechnikfrei. Insbesondere dürfen weder eingeführt noch in Verkehr gebracht werden: a) gentechnisch veränderte vermehrungsfähige Pflanzen, Pflanzenteile und Saatgut, welche für die landwirtschaftliche, gartenbauliche oder forstwirtschaftliche Anwendung in der Umwelt bestimmt sind; b) gentechnisch veränderte Tiere, welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind.

Status quo verlängern

Was die Initiative verlangt, ist moderat. Sie will den Status quo der Gentechnik in der Landwirtschaft für fünf Jahre verlängern, abgesichert durch ein Verfassungs-Moratorium. Für die schweizerische Produktion sollen bis ins Jahr 2010 ausschliesslich gentechnikfrei gezüchtete Sorten zur Verfügung stehen. Alle Lebensmittel aus Produkten der Schweizer Landwirtschaft bleiben damit gentechnikfrei. Die Schweizer Landwirtschaft soll bis ins Jahr 2010 eine gentechnikfreie Zone sein.

Die Kampagne

Die Gentechfrei-Initiative wird von 32 Trägerorganisationen mitgetragen. 99 National- und Ständeräte und fast 1.100 kantonale Politiker aus allen Parteien haben sich zur Initiative bekannt. Mit der Pressekonferenz am 18. September kommt die Initiative nun also in ihre entscheidende Phase: Simonetta Sommaruga, Ständerätin und Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz machte noch einmal deutlich, "was wir heute wissen: Der Einzug der Gentechnologie im Lebensmittelbereich würde die Produkte insgesamt verteuern – ungerechterweise auch die gentechfreien Produkte. Schon bei der Produktion fallen Kosten an, wenn Saatgut und Ernteprodukte getrennt werden müssen, beim Transport und bei der Verarbeitung entstehen durch die Warenflusstrennung ebenfalls zusätzliche Kosten, und schliesslich führen der Aufwand in der Logistik sowie die notwendigen Kontrollen im Handel zu einer beträchtlichen Verteuerung von allen Produkten."

JA zur Gentechfrei-Initiative

Gemeinsam ist ein nationaler Auftritt der unterstützenden Organisationen geplant. Zudem führen diese und die insgesamt 23 Regionalkomitees eine Fülle von eigenen Aktivitäten durch. Mit dieser Allianz soll die breite Öffentlichkeit angesprochen und zum Gang an die Urne motiviert werden. Stephan Baer, von der Weichkäserei BAER AG: "Ein JA zur Gentechfrei-Initiative mit ihrem fünfjährigen Moratorium stärkt die Schweizer Lebensmittelbranche und ist eine Chance für ein weiterhin hohes Qualitätsimage im international harten Wettbewerb."

Fußnote

  1. Der Ständerat der Schweiz ist die Kantons-Vertretung, vergleichbar mit dem deutschen Bundesrat. Er wird auch als die kleine Kammer bezeichnet. Der Nationalrat ist die große Kammer.
Erschienen in
GID-Ausgabe
172
vom Oktober 2005
Seite 49 - 50

Dr. Daniel Ammann ist Leiter der Geschäftsstelle der SAG (Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie) in Zürich. Alle Informationen zur Gentechfrei-Initiative finden sich unter www.gentechfrei.ch.

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