Rezension: Biopolitik Grenzenlos
Was wir mit Embryos tun...
...hängt davon ab, wofür wir sie halten. Heidi Hofmann lässt wichtige Stimmen der polnischen Gegenwart die Debatte zum Thema Abtreibung, IVF, PND, PID und anderen Reproduktionstechniken nachzeichnen und zeigt so umfassend und verlässlich die Alltagsperspektiven aber auch die Fachdiskussion an der Schnittstelle zwischen Politik und Gesellschaft. So schildern Maria Boratynska und Przemyslaw Konieczniak, beide Juristen mit dem Schwerpunkt Medizinrecht an der Universität Warschau, in ihrem Bericht die Schwierigkeiten einer sachlichen Diskussion und greifen die Problematik der Rechte des reprotechnisch entstandenen Kindes auf. Es wird deutlich, dass es eine Reihe von ideologischen Schranken gibt, die erst überwunden werden müssen, bevor eine ausgewogene juristische Regulierung reproduktiver Techniken gefunden werden kann. Im Fadenkreuz der Kirche und von der aktuellen Justiz wenig beachtet, haben Ärzte ungeahnt viel Raum für teilweise schattenhaftes Forschen und Praktizieren, Frauen dagegen kaum reproduktive Rechte. Die prinzipielle Tabuisierung von Reproduktionstechniken, die vor allem auf die Dominanz der Lehren der katholischen Kirche zurück zu führen ist, lässt in Polen eine rege öffentliche Debatte zu diesen Themen nicht zu. Diskussionen zu biotechnologischen und medizinethischen Fragen finden nur am Rande und unter Fachleuten statt. Gewissenskonflikte und Rechtfertigungsstrategien am Beispiel der Pränataldiagnostik (PND) stellt der Moralphilosoph und Medizinethiker Zbigniew Szawarski dar. Er erläutert die Sichtweisen von Gegnern und Befürwortern der PND und stellt die gegebenen juristischen und moralischen Regelungen von internationalen Akteuren, zum Beispiel der WHO, zur Diskussion. Als Ergänzung der umfangreichen Materialsammlung legt Heidi Hofmann die deutsche Diskussion zur Reproduktionsmedizin dar. Auf diese Weise bietet das Buch einen spannenden Vergleich und liefert zudem eine authentische Einschätzung des Spannungsfeldes von Kultur und Natur (sowie) Gesellschaft und Politik im heutigen Polen.
Olga Bartkowska absolviert ein Freiwilliges ökologisches Jahr beim Gen-ethischen Netzwerk.