Retten „Synthi-Fuels“ das Klima?

Neue Kraftstoffe durch Synthetische Biologie?

Die Synthetische Biologie verspricht Kraftstoffe auf der Basis von Biomasse mit neuer Wirkungseffizienz. Doch bleiben viele Fragen offen.

Bisher werden die möglichen Risiken der Synthetischen Biologie in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Die Synthetische Biologie wird vorwiegend positiv dargestellt, ihre Möglichkeiten für die Erzeugung neuer Kraftstoffe und Medikamente politisch massiv gefördert. Testbiotech fordert eine breite Diskussion über Chancen und Risiken der Synthetischen Biologie und warnt davor, dabei ihre möglichen technischen Potentiale zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Nach Ansicht von Testbiotech wirft die Synthetische Biologie grundlegende Fragen auf: Darf und soll künstliches Leben geschaffen werden? Was ist künstliches Leben? Wer entscheidet über diese Fragen? Welche Einflussmöglichkeit hat die Gesellschaft auf diese Entwicklung? Diese Fragen können nicht erst entschieden werden, wenn Produkte zur Vermarktung anstehen.

„Synthi-Fuels“

Testbiotech untersucht in einem aktuellen Bericht 1 das Potential der Synthetischen Biologie insbesondere im Hinblick auf die Erzeugung neuer Bio-Kraftstoffe der zweiten Generation. Mit der viel beschworenen zweiten Generation von Bio-Kraftstoffen sollen Rohstoffe wie Holz und Gräser, Abfälle aus der Tierproduktion, Zeitungen, aber auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen und Algen energetisch erschlossen werden, deren Verwertung bisher oft nicht wirtschaftlich erschien. Hier soll als eine Option zur Steigerung der Effizienz die Synthetische Biologie eingesetzt werden: Sie soll diesen Quantensprung in der Energieausbeute möglich machen und zu diesem Zweck Enzyme und ganze Mikroorganismen regelrecht designen. Testbiotech nennt Treibstoffe, die so hergestellt werden, „Synthi-Fuels“.

Synthetische Biologie

Die Synthetische Biologie verfolgt den Ansatz, Gene künstlich herzustellen, zielgerichtet zu optimieren und auch Stoffwechselvorgänge, die aus mehreren Stufen bestehen, effizient zu kombinieren. Nicht immer ist dabei die Trennschärfe zur Gentechnik gegeben. In vielen Fällen werden Gene verwendet, die aus natürlichen Lebewesen isoliert worden sind. Ob diese dann technisch re-synthetisiert und/oder noch weiter verändert werden, ist von Fall zu Fall verschieden. In jedem Fall können aber Lebewesen und DNA-Varianten erzeugt werden, deren Eigenschaften sich deutlich von denen unterscheiden, die zum Bestand der natürlichen Biodiversität gehören.

Zweite Generation

Die Hoffnung auf effizientere und billigere Produktionsverfahren bei unbegrenzter Energiebereitstellung ist der Motor des Engagements für die Synthetische Biologie. Derzeit geht man davon aus, dass die Kosten für die zweite Generation von Bio-Kraftstoffen (bei der Herstellung von Bioethanol und verwandter Kraftstoffe) in den nächsten zehn Jahren um etwa 30 Prozent höher liegen werden als die Kosten für die herkömmliche Herstellung von Bio-Kraftstoffen.2

Neue Märkte für bekannte Firmen

Wie der aktuelle Bericht von Testbiotech zeigt, geht es bei der Einführung der Synthetischen Biologie im Zusammenhang mit der Erzeugung von Bio-Kraftstoffen oft in ers­ter Linie um neue Märkte, zusätzliche Gewinne und die exklusive Kontrolle von Rohstoffen und Wertschöpfungsketten. Hinter vielen der relativ kleinen Firmen, die auf den Einsatz der Synthetischen Biologie fokussieren, stehen große Kooperationspartner wie die Agrarkonzerne Cargill, Dow Chemical und Syngenta oder die Mineralölkonzerne BP und Exxon. Diese sehen in der Synthetischen Biologie ein Instrument zur Ausdehnung ihrer Märkte. Zudem können beispielsweise die großen Öl-Konzerne mit relativ geringen Investitionen den Eindruck erwecken, es gebe eine Lösung des Klimaproblems, die umweltfreundlich und nachhaltig ist und keiner grundsätzlich neuen Strategie für Mobilität und Energieerzeugung bedarf. Auch unter optimistischen Annahmen wird die Synthetische Biologie bei der Produktion der zweiten Generation von Bio-Kraftstoffen nur einen bescheidenen Beitrag zur Lösung der Klimaprobleme leisten können. Abgesehen davon, dass sie noch in ihrer Entwicklungsphase steckt und der Beweis ihrer grundsätzlichen technischen Eignung noch aussteht, bringt der Einsatz der Synthetischen Biologie spezifische Risiken mit sich: Die mögliche gewollte oder ungewollte Freisetzung von Organismen mit synthetischem Erbgut wie zum Beispiel von Algen birgt neuartige Umweltrisiken. Da bei der Erzeugung von Biofuels immer eine große Menge von entsprechenden Organismen eingesetzt und die anfallende Biomasse über offene Stoffkreisläufe (wie Tierfutter und Düngemittel) entsorgt werden soll, erscheint eine unkontrollierte Verbreitung von synthetischen Organismen in der Umwelt fast unvermeidbar. Die Synthetische Biologie kann auch die herkömmlichen Probleme bei der Herstellung von Agro-Treibstoffen nicht beheben beziehungsweise verschärft diese noch zum Teil: • Werden die Verfahren zur Herstellung von Bio-Kraftstoffen aus Lignocellulose und anderen bisher schwer verwertbaren Stoffen ökonomisch effzienter, nimmt auch die Fläche für die Produktion geeigneter Pflanzen zu. Diese Fläche steht auch bei der zweiten Generation von Bio-Kraftstoffen in vielen Fällen in Konkurrenz zu den Flächen der Nahrungsmittelerzeugung. Die wirtschaftliche Spekulation mit landwirtschaftlichen Rohstoffen und Böden würde damit weiter angeheizt. • Eher extensiv oder nicht genutzten Ökosystemen wie (Ur-)Wäldern und Grasland droht bei vermehrter Nachfrage nach entsprechenden Rohstoffen Zerstörung beziehungsweise Übernutzung. Erhebliche ökologische Schäden sind zu befürchten. Viele der als „Rohstoffe” klassifizierten biologischen Materialien haben eine wichtige Funktion für verschiedene Ökosysteme. • Bei der Nutzung von Abfallstoffen für die energetische Nutzung wird oft übersehen, dass zum Teil erhebliche Ressourcen (wie Wasser), Transport- und Energiekosten aufgewendet werden müssen, um diese zur Verfügung zu stellen und zu verwerten.

Ethanol aus Algen

Zu den Firmen, die auch in Deutschland tätig sind, gehört die Firma Algenol.3 Sie hat ihren Hauptsitz im US-Bundesstaat Florida und kooperiert mit Dow Chemical (USA) und der Firma Linde in Deutschland. Algenol produziert Ethanol aus Algen. Die Firma will in Mexiko die weltweit größte Produktionsanlage für Ethanol aus Algen errichten. Neben Ethanol soll dabei aus Meerwasser auch Frischwasser gewonnen werden. Zudem kann CO2 aus industriellen Anlagen von den Algen verstoffwechselt werden. Die Produktion des Ethanol soll in geschlossenen Sys­temen stattfinden. Das Problem ist aber, dass die Firma auch Algen einsetzen will, die ein erhebliches Umweltrisiko bedeuten: Algenol lässt den Stoffwechsel von Algen seit 2007 von ihrer Tochterfirma Cyano Biofuels mit Sitz in Berlin biotechnologisch verändern.4 Bei dem Projekt, das auch mit öffentlichen Geldern finanziert wird, wurde die Syntheserate für die Ethanol-Produktion durch gentechnische Veränderungen deutlich erhöht. Die Algen sollen noch in diesem Jahr erstmals in den Produktionsanlagen von Algenol in den USA getestet werden. Gelangen Algen ins Freiland, die mit Hilfe der Synthetischen Biologie oder per Gentechnik verändert sind und zum Beispiel eine höhere Photosyntheserate haben, ist ihr Gefahrenpotential extrem hoch: Algen zeigen ein hohes Vermehrungspotential und können sich gut an Umweltbedingungen anpassen. Aufgrund der erhöhten Photosyntheserate können sie gegenüber anderen Algen einen erheblichen Überlebensvorteil aufweisen. Befürchtet wird ein Szenario, das von Experten als „Green Goo“ (grüner Schleim) bezeichnet wird. Ökosysteme sind demzufolge durch eine unkontrollierte Vermehrung von Synthetischen Organismen gefährdet. Viele Experten wie Mata el al. warnen deswegen vor einem Einsatz der Algen in offenen Sys­temen: „Also, these promising advances should be viewed with caution because transgenic algae potentially pose a considerable threat to the ecosystem and thus will most likely be banned from outdoor cultivation systems.“5 Aber auch wenn biotechnologisch aufgerüstete Algen in geschlossenen Systemen verwendet werden sollen, wie dies bei der Firma Algenol geplant ist, können Freisetzungen nicht sicher ausgeschlossen werden. In einem Beitrag in der New York Times vom Juli 2010 6 wird von Mitarbeitern verschiedener Firmen davor gewarnt, dass langfristig nicht verhindert werden könne, dass die Algen ins Freiland gelangen.

Neue Schutzkonzepte notwendig

Angesichts der neuen technischen Möglichkeiten fordert Testbiotech auch die Entwicklung von neuen Schutzkonzepten und hat dazu im UN-Jahr der Biodiversität einen Aufruf veröffentlicht. Nach Ansicht von Testbiotech erfordert der Umgang mit der Synthetischen Biologie eine umfassende gesellschaftliche Debatte und neue Sicherheitskonzepte.7 Im Hinblick auf den Schutz der Biodiversität bedeutet insbesondere die Freisetzung synthetischer Lebensformen einen nicht verantwortbaren Eingriff in die Evolution. Gewollten und ungewollten Freisetzungen muss deswegen durch geeignete Schutzkonzepte vorgebeugt werden. Zudem müssen die Aktivitäten von Firmen und Forschungseinrichtungen, die Gene und Mikroorganismen künstlich synthetisieren, möglichst lückenlos überwacht werden.

  • 1Then, C. und Hamberger, S. (2010b): Synthetische Biologie und künstliches Leben - eine kritische Analyse. Teil 2: Die Erzeugung und Nutzung von Bio-Kraftstoffen der zweiten Generation („Synthi-Fuels”), Testbiotech Report, www.testbiotech.org (erscheint im September).
  • 2EU Commission (2007): The impact of a minimum 10% obligation for biofuel use in the EU-27 in 2020 on agricultural markets. DG AGRI Note to the file AGRI G-2/WM D(2007), 30. April 2007.
  • 3www.biotechnologie.de/BIO/Navigation/DE/Foerderun….
  • 4Siehe Fußnote 3.
  • 5Mata, T. M., Martins, A.A., Caetano N., S. (2010): Microalgae for bio­diesel production and other applications: A review. Renewable and Sustainable Energy Reviews 14, 217-232.
  • 6www.nytimes.com/cwire/2010/07/22/22climatewire-th….
  • 7Siehe Anzeige auf der Rückseite des Heftes oder www.testbiotech.org. Siehe auch: Then, C. und Hamberger, S. (2010a): Synthetische Biologie und künstliches Leben - Eine kritische Analyse.
Erschienen in
GID-Ausgabe
201
vom September 2010
Seite 17 - 18

Christoph Then ist Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Testbiotech und Sprecher des internationalen Bündnisses No Patents on Seeds (Keine Patente auf Saatgut), www.no-patents-on-seeds.org.

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