Techno-fixe Gene

Einführung


Ohne zu wissen, welches der vielen außergewöhnlichen Wetterereignisse der letzten Wochen tatsächlich auf globale Veränderungen zurückzuführen ist, der Klimawandel ist da! Diesem Eindruck kann man sich kaum noch entziehen, und diejenigen WissenschaftlerInnen, die bislang anzweifelten, dass es sich um ein von Menschen gemachtes Phänomen handelt, sind kaum noch zu vernehmen. Getragen wird dieser Konsens von der Vorstellung, dass man nicht wirklich was ändern müsse. Die vorgebrachten Lösungen sprechen nämlich meist die Sprache technokratischen Reparaturdenkens: Techno-fix halt.

Teil des Problems - Teil der Lösung

Die Landwirtschaft ist Teil des Problems und muss, da­ran wird kein Weg vorbeiführen, auch Teil der Lösung sein. Wenn von Klimawandel und Landwirtschaft die Rede ist, dann dauert es allerdings meistens nicht lange, bis sich jemand findet, der die Agro-Gentechnk als Lösung anbietet. Dabei steht der proof of concept, der Nachweis also, dass die Gentechnik tatsächlich eine Lösung beizusteuern hat, noch aus. Die Konzerne Monsanto und BASF argumentieren großspurig, dass ihr gegen Trockenheit toleranter Mais einen aktiven Beitrag gegen die Klimaerwärmung sei. Einen praxistauglichen Nachweis sind sie bislang schuldig geblieben. Der Gentechnik werden im Streit um das Klima die Rollen der Vermeidung und der Bewältigung von klimarelevanten Problemen zugedacht. Die Diskussion um den möglichen Beitrag gentechnisch veränderter Pflanzen gegen die Klimaerwärmung lässt sich allerdings nicht losgelöst von anderen Problemen verstehen, die die öffentliche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft beschäftigen. Die Herstellung von Kraftstoffen aus Biomasse ist ein solches Problem. Die Verwendung von Kraftstoffen aus Biomasse hat Auswirkungen auf das Klima, sie wird aber auch in einschneidender Weise unser Bild davon prägen, was Landwirtschaft ist und was sie in der Zukunft leisten kann und soll. Die Naturschutzverbände haben ursprünglich die Impulse dafür gegeben, mehr nachwachsende Rohstoffe als Treibstoff für Fahrzeuge und Maschinen zu nutzen. Mit zunehmendem Erfolg, aber vor allem wegen der Erkenntnis, dass die energetische Nutzung der Biomasse in Form von Kraftstoff doch keine so gute Idee ist, waren die Verbände auch die ersten, die dies wieder verwarfen. Es zeigt sich, dass letztendlich keine oder nur in speziellen Fällen Klimagase eingespart werden. Die EU ist mit ihrer politischen Zielsetzung, im Jahre 2020 mindestens zehn Prozent des benötigten Kraftstoffs im Transportsektor durch Land- und Forstwirtschaft beisteuern zu lassen, eine der Musterschülerinnen der Verbände. In einem Interview mit Adrian Bebb von der EU-Sektion der Umweltorganisation Friends of the Earth (Freunde der Erde) beleuchten wir diese Diskussion insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es die angekündigten Agrar-Kraftstoffe der so genannten zweiten Generation auf absehbare Zeit nicht geben wird. Mit der zweiten Generation sind solche Kraftstoffe gemeint, die mit bisher nicht etablierten Verfahren produziert werden. Mit ihnen soll sich die Effektivität der Umwandlung und die Energie-Ausbeute deutlich verbessern. Einen Blick in eben diese zweite Generation wagt Chris­toph Then, Geschäftsführer der Organisation Testbiotech, erklärt, welchen Beitrag die so genannte Synthetische Biologie nach Meinung der Gentechniker zur Energieversorgung der Zukunft leisten soll. Testbiotech ist zur Zeit eine der wenigen Institutionen, die in der angefachten Diskussion über die Synthetische Biologie die Risiken dieser neuen Technologie zum Thema machen. Then erklärt zudem, dass auch die Produkte dieser Technologie, seien sie nun Mikroorganismen oder Pflanzen, nicht von Luft und Liebe allein werden wachsen können. Die Biomasse muss irgendwo herkommen, was zwangsläufig zu Flä­chen­konkurrenz führen wird. Zu allererst betont unser Autor jedoch, dass es spezifische Risiken der Synthetischen Biologie gibt.

Schutz vor synthetischen Organismen

Anlässlich des Internationalen Jahres der biologischen Vielfalt der Vereinten Nationen startete Testbiotech im Juni einen Aufruf zum Schutz der Umwelt vor Synthetischen Organismen, der auch vom Gen-ethischen Netzwerk unterstützt wird. Die Unterzeichner des Aufrufes halten eine breite politische und gesellschaftliche Debatte über die Synthetische Biologie für unabdingbar. Sie fordern „eine umfassende Untersuchung der Risiken synthetischer Organismen“. Zudem fordern sie ein „Moratorium bei staatlichen Fördermaßnahmen“.

Im Dickicht der Klimabäume

Zur industriellen Produktion von Biomasse sollen in Zukunft vermehrt transgene Bäume eingesetzt werden. Der GID hat darüber in der Vergangenheit verschiedentlich berichtet.1 Zu einer spektakulären Freisetzung gentechnisch veränderter Eukalyptus-Bäume soll es jetzt in den USA kommen. Bis zu 260.000 Exemplare sollen an 28 Orten des Landes angepflanzt werden - nicht als kommerzieller Anbau, sondern als Versuch. Nichtregierungsorganisationen haben dagegen geklagt, sind aber in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Denn der Begriff „confidential business information“ - Geschäftsgeheimnis - sorgt für die kafkaesk erscheinende Situation, dass die Gruppen letztendlich nicht wissen, wogegen sie eigentlich vorgehen. Zum Beispiel bleiben die Gensequenzen und weitere wichtige Details über die gentechnischen Veränderungen der Bäume und die genauen Orte ihrer Freisetzung unter Verschluss, wie unsere Autorin Antje Lorch berichtet. In den Ländern des Südens sorgt die Produktion von Holz in industriellen Plantagen bereits heute für große Probleme. Sie ist mitverantwortlich am Verlust von Biodiversität, der Vertreibung von Menschen und der Verteuerung von bestimmten landwirtschaftlichen Produkten. Auch die Holzkohle ist Teil dieser Problemkette, wie in dem Beitrag von Birgit Peuker deutlich wird. Dabei ist es in vielen Fällen nicht von zentraler Bedeutung, ob es sich um gentechnisch veränderte oder konventionelle Bäume handelt - erstere sind übrigens in keinem Land der Welt für den kommerziellen Anbau zugelassen.

Die Suche nach dem Rettungsring

Zwei aktuell durch die Medienlandschaft geisternde Varianten der Klimasschutz-Gentechnik präsentiert unser Redaktionsmitglied Christof Potthof: EnviroPig ist eine Erfindung von WissenschaftlerInnen der Universität von Guelph in Kanada. Das „Öko-Schwein“ ist gentechnisch verändert und soll weniger Phosphate ausscheiden, wovon in erster Linie Gewässer profitieren sollen - sieht man mal von den Patenthaltern ab. Die zweite Geschichte kann bisher noch nicht mit einem so schönen Namen aufwarten. Die Idee ist ebenso typisch für Techno-Fix-Lösungsdenken: Gentechnisch veränderter Klee wird so manipuliert, dass die mit ihm gefütterten Wiederkäuer weniger Methan abgeben sollen. Diese kleinen Beispiele zeigen bereits, was die Triebfeder hinter dem großen Agrarzauber „Gentechnik rettet Klima“ ist: Eine industrialisierte Landwirtschaft, abhängig von Ressourcen-fressenden Inputs, die ihre Rechnungen präsentiert bekommt und jetzt händeringend nach Rettungsringen sucht. In diese Reihe gesellt sich auch der - als gegen Trockenheit tolerant angekündigte - gentechnisch veränderte Mais der Konzerne Monsanto und BASF. Dieser Mais ist zu einem Hoffnungsträger der Gentechnik-BefürworterInnen avanciert. Es ist aber bislang völlig unklar, wie Christof Potthof erklärt, ob der Mais auch unter realen Bedingungen in der Lage sein wird, den trockenheitsbedingten Verlust von Erträgen auszugleichen. Von den Pflanzen, die derzeit entwickelt werden, wird berichtet, dass sie zwar unter ungünstigen Umständen, das heißt in trockenen Jahren, bessere Erträge bringen als die entsprechenden nicht gentechnisch veränderten Sorten. In „normalen Jahren“ gedeihen sie jedoch nicht gut. Dies scheint wissenschaftlichen Berichten eines Kongresses in Australien zufolge für eine trockenheitstolerante gv-Weizensorte des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) ebenso zuzutreffen wie für den gv-Mais von Monsanto mit der gleichen Eigenschaft.2

  • 1Siehe zum Beispiel den Beitrag „Pestizide im Wald“ von Antje Lorch im Gen-ethischen Informationsdienst (GID) 198, Februar 2010.
  • 2Grains Research & Development Corporation (2008): „Scientists share keys to drought tolerance. Ground Cover Nummer 72, Januar/Februar 2008, www.grdc.com.au. Zitiert nach: Potthof, C. (2009): Klima-rettende Pflanzen. In: Gen-ethischer Informationsdienst (GID) 197, Dezember 2009. Im Netz verfügbar unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/197.
Erschienen in
GID-Ausgabe
201
vom September 2010
Seite 4 - 5

Die GID-Redaktion

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