Kurz notiert - Landwirtschaft und Lebensmittel
Agro- Gentechnik
Kaum Details über Off-Target-Veränderungen bei Pflanzen
In einer umfassenden Literaturrecherche haben Wissenschaftler*innen Informationen über Off-Target-Effekte gesammelt, die bei der Veränderung von Pflanzen durch CRISPR-Cas auftreten. Off-Target-Effekte beschreiben Effekte außerhalb der gewünschten Ziel-Sequenz in der DNA, die bei Lebensmittelpflanzen Risiken bergen können. Die Analyse ergab, dass zwar viele Studien das Auftreten von Off-Target-Modifikationen erwähnen, aber nur eine begrenzte Anzahl von Studien weitere (molekulare) Details liefert. Einzelheiten wie Häufigkeit, Art und Ort der Veränderungen würden in den Forschungsarbeiten oft nicht analysiert oder beschrieben, so die Wissenschaftler*innen. Off-Target-Effekte würden zudem überwiegend durch voreingenommene Analysen der vorhergesagten Off-Target-Stellen und nicht durch unvoreingenommene genomweite Analysen entdeckt. Mit CRISPR-Cas veränderte Pflanzen wiesen eine geringere Häufigkeit von Off-Target-Mutationen auf als konventionell gezüchtete Pflanzen. Die Ergebnisse der Literaturrecherche heben diejenigen Faktoren hervor, die verbessert werden könnten um Off-Target-Effekte zu reduzieren. Dies könnte als Grundlage für künftige Diskussionen über die Relevanz von und Methoden für die Bewertung von Off-Target-Modifikationen bei der Risikobewertung von mit CRISPR-Cas bearbeiteten Pflanzen dienen, so die Wissenschaftler*innen. (Agricultural Science and Technology, 03.03.22, www.doi.org/10.1021/acsagscitech.1c00270) (pv)
Neue Gentechnik: Nachweisverfahren für gv-Soja?
Expert*innen einer europaweit aufgestellten, wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zufolge könnte noch in diesem Jahr ein Nachweisverfahren für eine gentechnisch veränderte (gv) Soja der Firma Calyxt vorgestellt werden. Für die gv-Soja steht bislang kein geeignetes Nachweisverfahren zur Verfügung, da ihre gentechnische Veränderung ohne die Verwendung artfremder DNA erfolgte. Für die Entwicklung eines Nachweisverfahrens würden genetische Informationen und Pflanzenmaterial benötigt, was von der Firma Calyxt bisher nicht zur Verfügung gestellt wurde. Da bisher keine EU-Zulassung für die gv-Soja beantragt wurde, könne man Unternehmen wie Calyxt juristisch nicht zwingen, genetische Informationen oder Pflanzenmaterial herauszugeben, kommentiert eine Sprecherin des Agrarministeriums (BMEL). Die Expert*innen greifen daher auf Informationen aus der Euginius-Datenbank für gv-Pflanzen zurück, so der Informationsdienst Gentechnik. Die veränderte Gensequenz der gv-Soja müsse demnach synthetisch hergestellt werden, um herauszufinden, wie man sie nachweisen kann. Die Ergebnisse dieser Tests wurden vom BVL als vielversprechend bezeichnet. Sollte Calyxt kein Material zur Verfügung stellen, werde man die Methode dieses Jahr noch „kalt“ validieren, also ohne originales Pflanzenmaterial. (Informationsdienst Gentechnik, 19.04.22, www.keine-gentechnik.de) (pv)
Züchtungserfolge ohne Gentechnik
Wichtige Fortschritte sind in der Züchtung von Kartoffeln und Bananen ohne Gentechnik vollbracht worden. Beide Kulturpflanzen haben im Anbau mit einer gravierenden Krankheit zu kämpfen. Der globale Bananenanbau leidet seit Jahrzehnten unter einem hochansteckenden und fatalen Pilzbefall. Nun haben Wissenschaftler*innen es geschafft eine Methode des Pfropfens bei Bananen zu entwickeln. Dies ist bemerkenswert, da das Pfropfen, also das physische Zusammenfügen von zwei Teilen verschiedener Pflanzensorten bisher bei einkeimblättrigen Pflanzen wie der Banane nicht funktionierte. Damit existiert zwar noch keine resistente Banane, aber es wurde ein wichtiger Schritt hinzu resistenten Bananen, ohne die Anwendung von Gentechnik, vollbracht. Auch Kartoffelpflanzen leiden häufig an einer Pilzerkrankung, der Kraut- und Knollenfäule, mit schwerwiegenden Folgen für die Landwirtschaft. Eine neue Biokartoffelsorte namens „Sardona“ hat sich im feuchten Sommer 2021 auf sechs Höfen in der Schweiz bei der Kraut- und Knollenfäule bestens bewährt und gezeigt, dass die gentechnikfreie Züchtung Lösungen für die aktuellen Herausforderungen der Landwirtschaft anzubieten hat. (Neue Zürcher Zeitung, 12.11.21, www.nzz.ch; nature, 22.12.21, www.doi.org/10.1038/s41586-021-04247-y; gmwatch, 14.03.22, www.gmwatch.org) (jd)
Nahrungsmittel
CRISPR-Hühner durch die Hintertür?
In der EU könnten Eier und Legehennen, die von transgenen Hühnern abstammen, ohne Zulassungsverfahren und ohne Kennzeichnung auf den Markt gelangen. Die mit CRISPR-Cas veränderte Hühner geben über die männlichen Chromosomen ein tödliches Gen an ihren Nachwuchs weiter. Somit sterben im Ei die sich entwickelnden männlichen Küken schon als Embryonen ab. Dem entwickelnden Unternehmen NRS Poultry zufolge, soll der weibliche Nachwuchs keine Spuren des gentechnischen Eingriffs in sich tragen und als Legehennen eingesetzt werden. Die EU-Kommission glaubt diese Aussage unhinterfragt und hält, einem internen Schreiben zufolge, bei Eiern und Legehennen, die von gentechnisch veränderten Hühnern abstammen, weder Zulassungsverfahren noch Gentechnik-Kennzeichnung für nötig. Hierfür gibt es keinerlei rechtliche Grundlage. Die EU-Gesetze schreiben vor, dass alle Organismen, die aus gentechnischen Verfahren hervorgehen, einem Zulassungsverfahren zu unterziehen sind sowie rückverfolgbar und gekennzeichnet sein müssen. VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting kommentiert die Ereignisse: „Die EU-Kommission muss dringend dem fatalen Eindruck entgegentreten, klammheimlich eine schleichende Deregulierung zu betreiben, und ihre Haltung zu den Gentechnik-Eiern ändern. Wir erwarten, dass sich der deutsche Agrarminister Cem Özdemir dafür in Brüssel starkmacht.“ (VLOG, 04.03.022, www.ohnegentechnik.org; Testbiotech und ABL, 03.04.22, www.testbiotech.de) (jd)
USA: CRISPR-Steak ohne Kennzeichnung?
Die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA hat die Vermarktung von Rindern erlaubt, die mit CRISPR-Cas verändert wurden. Es ist das erste Mal, dass die USA ein mit CRISPR-Cas verändertes Nutztier für die Lebensmittelproduktion zulässt. Eine Kennzeichnung als gentechnisch veränderter Organismus ist laut FDA nicht vorgesehen. Die Rinder sollen von der Firma Recombinetics und deren Tochterunternehmen Acceligen vermarktet werden. Die Unternehmen machten keine Angaben dazu, wann Haushalte oder Restaurants das Rindfleisch kaufen können, laut FDA könnte es jedoch bereits in zwei Jahren auf den Markt kommen. Nach Lachs und Schweinen sind die Rinder die dritten gentechnisch veränderten Tiere, die in den USA grünes Licht für den menschlichen Verzehr erhalten haben. Im Gegensatz zu Lachs und Schweinen mussten die Rinder jedoch kein jahrelanges Zulassungsverfahren durchlaufen. Die FDA erklärte, die Rinder seien davon ausgenommen, weil ihr genetischer Aufbau dem anderer, bestehender Rinder ähnele und das Merkmal bei einigen Rassen natürlich vorkomme. Die Tiere haben einen geringeren Haarwuchs, welcher sie besser gegen hohe Umgebungstemperaturen schützen soll. Rinder, die nicht unter Hitzestress stünden, könnten leichter an Gewicht zulegen, was zu einer effizienteren Fleischproduktion führe. (PM FDA, 07.03.22, www.fda.gov; Los Angeles Times, 08.03.22, www.latimes.com, Testbiotech, 21.03.22, www.testbiotech.org) (pv)
Gv-Kuhbohne: Anbaurisiken nicht ausreichend untersucht
Die Anbau-Risiken von gentechnisch veränderten (gv) Kuhbohnen wurden bei der Zulassung des Anbaus in Nigeria nicht hinreichend untersucht. Zu diesem Schluss kommen die Autor*innen eines wissenschaftlichen Artikels von Testbiotech. Sie verglichen Daten aus der wissenschaftlichen Literatur mit den Angaben in der Risikoabschätzung zu der gv-Kuhbohne und zeigten, dass es Unstimmigkeiten zwischen beiden gibt. Die Kuhbohne (Vigna ungiguiculata) ist eines der Hauptnahrungsmittel in Subsahara-Afrika. Nigeria ist eines der Ursprungsgebiete der Kuhbohne. Seit 2019 ist dort der Anbau von gv-Kuhbohnen genehmigt. Diese besitzen die Eigenschaft Bt-Proteine zu produzieren, die gegen einige Mottenarten wirken. Die Autor*innen des Artikels äußern Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der durch die Pflanzen produzierten Bt-Toxine – für die Umwelt aber auch für Konsument*innen. Zu diesen Bedenken gehören die Stabilität der Genexpression, die Auswirkungen auf Bodenorganismen, die Auswirkungen auf Nichtzielarten und die Lebensmittelsicherheit. Darüber hinaus weisen die Autor*innen auf Mängel bei der Risikobewertung des potenziellen Genflusses, der unkontrollierten Ausbreitung der Transgene und der angebauten Sorten sowie bei der Pflege von Saatgutsammlungen hin. (plants, 29.01.22, www.doi.org/10.3390/plants11030380) (jd)
Risikodebatte
Brasilien: Transgene Zierfische außer Kontrolle
Wissenschaftler*innen haben neue Erkenntnisse zur Ökologie von entflohenen transgenen Zebrafischen (danio rerio) in einem regionalen Flusssystem im Südosten von Brasilien veröffentlicht. Die fluoreszierenden Fische scheinen früher geschlechtsreif zu werden als ihre wilden Artgenossen, wodurch sie sich stärker vermehren und schneller verbreiten können. Die Eindringlinge ernähren sich von einheimischen Insekten, Algen und Zooplankton. „Schon bald könnten die Fische so zahlreich werden, dass sie die einheimischen Arten beeinträchtigen, indem sie mit ihnen um Nahrung konkurrieren oder sie fressen“ sagt André Magalhães, eine*r der Wissenschaftler*innen. Die Fische sind aus Fischfarmen im Südosten von Brasilien entkommen und haben sich im lokalen Flusssystem etabliert. Anders als in Florida, USA, wo 2014 ein einzelner transgener Zebrafisch gesichtet wurde, haben die Fische in Brasilien keine Feinde und konnten eine stabile Population aufbauen. Seit 2017 ist die Population bei Wissenschaftler*innen bekannt und wird seitdem untersucht. (Studies on Neotropical Fauna and Environment, 03.02.22, www.doi.org/10.1080/01650521.2021.2024054; Science, 11.02.22, www.science.org) (jd)
Abgeordnete für mehr Nachweis- und Risikoforschung
Im Februar haben 31 Abgeordnete des Europäischen Parlaments die EU-Kommission dazu aufgerufen, ihre Forschungsschwerpunkte im Bereich Gentechnik den Erfordernissen des Vorsorgeprinzips anzupassen. In einem gemeinsamen Brief fordern sie, Forschungsprojekte zu fördern, die sich mit Risiken und Nachweisverfahren beschäftigen. Bislang hat die EU vor allem die Entwicklung der neuen Gentechnik sowie Öffentlichkeitsarbeit für ihren Einsatz in der Landwirtschaft gefördert. Es sei schlicht unzulänglich, wenn die EU-Kommission innerhalb von vier Jahren 271 Mio. Euro an Forschungsgeldern für die neue Gentechnik im Bereich Pflanzen in die Hand nehme, dabei aber ausschließlich Projekte fördere, die die Verfahren selbst und ihre Anwendung vorantreiben, kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss. Gleichzeitig ließe die Kommission erkennen, dass sie die Gentechnik-Gesetze für die neuen Verfahren empfindlich lockern wolle. Angesichts der mangelnden Risiko- und Nachweisforschung würde dies bedeuten, fahrlässig beide Augen zuzudrücken, so Häusling. (Agrar Presseportal, 08.02.22, www.agrar-presseportal.de; Euractiv, 15.02.22, www.euractiv.com) (pv)
Gv-Lebensmittel mit unerwünschten Wirkungen
Chinesische Wissenschaftler*innen haben in einer zusammenfassenden Studie die Sicherheit gentechnisch veränderter (gv) Lebensmittel untersucht. Dafür wurde eine systematische Überprüfung von 179 Artikeln über 203 Tier- und eine Humanstudie aus den Jahren 1983 bis 2020 durchgeführt und nach unerwünschten Wirkungen und Ereignissen beim Verzehr von gv-Produkten gesucht. Schließlich wurden 21 unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit gv-Lebensmitteln identifiziert, die sieben gv-Produkte betrafen, darunter der Mais MON810 von Monsanto. Zu den schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen des Verzehrs von gv-Mais gehören Sterblichkeit, Tumor- oder Krebserkrankungen, eine deutlich verringerte Fruchtbarkeit, verminderte Lern- und Reaktionsfähigkeit sowie einige Organanomalien. Weitere klinische Versuche und langfristige Kohortenstudien in der menschlichen Bevölkerung, insbesondere zu unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit gv-Lebensmitteln und den entsprechenden gv-Ereignissen, sind den Wissenschaftler*innen zufolge nach wie vor gerechtfertigt. Sie weisen darauf hin, dass die Kennzeichnung von gv-Lebensmitteln notwendig ist, damit die Verbraucher*innen ihre eigene Wahl treffen können. (Environmental Science Europe, 13.01.22, www.doi.org/10.1186/s12302-021-00578-9) (pv)
Agrarpolitik
Indien: CRISPR-Pflanzen sind keine Gentechnik?
Pflanzen aus neuer Gentechnik, bei denen kein artfremdes Erbgut eingefügt wurde, brauchen in Indien künftig keine Zulassung nach dem Gentechnik-Recht mehr. Das entschied das indische Umweltministerium Ende März. Während Umweltorganisationen diesen Schritt kritisieren, stößt er bei gentechnikbefürwortenden Lobbyverbänden auf Zuspruch. Der Zeitung The Hindu zufolge haben staatliche indische Agrarforscher*innen bereits im Januar 2020 Leitlinien vorgeschlagen, um Pflanzen aus neuer Gentechnik vom Gentechnik-Recht auszunehmen. Der Kampf um die Ernährungssouveränität Indiens stehe nun multinationalen Kooperationen gegenüber, die Fortschritte in der Genmanipulationstechnologie, wie CRISPR-Cas vorantreiben. Dies könnte eine Büchse der Pandora öffnen, mit unbeabsichtigten Folgen für die Gesundheit und die Umwelt, kritisiert The Ecologist. Die in Indien für Zulassungen gentechnisch veränderter Organismen zuständige Behörde GEAC hatte bisher lediglich den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderter (gv) Baumwolle zugelassen. Vorstöße für die Zulassung von gv-Senf und gv-Auberginen scheiterten an öffentlichen Protesten. (The Hindu, 22.10.21, www.thehindu.com; Government of India, 30.03.22, https://parivesh.nic.in; The Ecologist, 04.04.22, www.theecologist.org; Informationsdienst Gentechnik, 06.04.22, www.keine-gentechnik.de) (pv)
Schweiz: Gentechmoratorium verlängert
Das Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in der Schweizer Landwirtschaft wird nun doch verlängert. Während der Ständerat neue gentechnische Verfahren vom Moratorium ausnehmen wollte, favorisierte der Nationalrat eine Kompromisslösung. Das Votum für den Gesetzentwurf war jedoch unumstritten: weder seitens der Landwirtschaft noch bei den Konsument*innen besteht ein Interesse daran, das Moratorium aufzuheben. Allerdings hatte der Ständerat letztes Jahr überraschend verlangt, die sog. neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR-Cas-9 zukünftig vom Gentechnik-Gesetz auszunehmen. Er argumentierte, die manipulierten Pflanzen seien quasi naturidentisch, weil bei deren Zucht nur mit arteigenem Genmaterial experimentiert werde. Eine Regulierung sei deshalb unnötig. Das Parlament entschied sich für eine Kompromisslösung: Der Bundesrat wurde damit beauftragt, bis spätestens 2024 einen Entwurf vorzulegen, wie eine „risikobasierte Zulassung“ für die neuen Züchtungstechnologien aussehen könnte. Biorespect verurteilt diesen Schritt aufs Schärfste: Die neuen gentechnischen Verfahren müssen der Gentechnik-Gesetzgebung unbedingt vollumfänglich unterstellt werden. (PM biorespect, 02.03.22, www.biorespect.ch) (ps)
Österreich: Petition gegen Deregulierung
In einer Petition fordert die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 die Beibehaltung von Kennzeichnung und Regulierung gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen und die damit verbundene Transparenz gegenüber Konsument*innen. Die Anfang März gestartete Petition verzeichnet bereits über 2.600 Unterschriften. Die Europäische Kommission überprüft derzeit das bestehende Gentechnik-Gesetz im Zusammenhang mit den neuen Gentechniken. Seit April gibt es einen dreimonatigen Austausch mit den Regierungen. Die Kommission argumentiert derzeit mit Vorteilen, die im Sinne vieler Chemie- und Saatgut-Konzerne in Zukunft dazu führen könnten, dass neue Gentechniken als „natürlich“ eingestuft werden und demnach nicht mehr den Regeln des EU-Gentechnik-Rechts für Landwirtschaft und Lebensmittel unterliegen würden. Diese Neudefinierung würde dazu führen, dass gv-Pflanzen in Lebensmitteln ohne Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnungspflicht in die Supermarkt-Regale kommen könnten. (Der Standard, 02.03.22, www.derstandard.de; Global 2000, o.D., www.global2000.at/pickerl-auf-gentechnik) (lp)
Anbau & Pestizide
Bald Exportverbot für gefährliche Pestizide?
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze kündigt ein Ausfuhrverbot von gefährlichen Pestiziden an, die in Deutschland verboten sind. Es sei „kein akzeptables Geschäftsmodell, Kleinbauern in Entwicklungsländern mit resistentem Saatgut und dem dazu passenden Pestizid auf Kredit in Abhängigkeit zu stürzen“, sagte die frühere Bundesumweltministerin. „Wir sollten in Deutschland mit gutem und glaubwürdigem Beispiel vorangehen, was den Schutz von Natur und Gesundheit betrifft.“ Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hatten zuletzt von jährlich 255 Mio. Vergiftungsfällen weltweit berichtet und einen sofortigen Exportstopp der chemischen Substanzen gefordert. Laut der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization) FAO ist der weltweite Pestizid-Einsatz seit den 1990er Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen. (Pestizidatlas 2022, Januar 2022, www.boell.de; Tagesschau, 11.02.22, www.tagesschau.de) (jd)
Brasilien: Kontamination von konventionellem Mais
Wissenschaftler*innen haben in einer groß angelegten Studie in Brasilien Proteine aus gentechnisch verändertem (gv) Mais in konventionellen Maissorten gefunden. Zwischen 2018 und 2021 sammelten die Wissenschaftler*innen 1.098 Proben von konventionell und bäuerlich genutzten Maissorten, sog. Landsorten und untersuchten diese auf Proteine aus gv-Mais. 34 Prozent der Proben wiesen eine Kontamination auf. Im Vergleich zwischen den Jahren konnte sogar eine steigende Tendenz nachgewiesen werden. So war die Anzahl der kontaminierten Proben im Erntejahr 2020/2021 mit 41 Prozent deutlich höher als in den Jahren davor. Die Wissenschaftler*innen schließen daraus, dass die Standards zur Biosicherheit für eine Koexistenz von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik in Brasilien zu schwach sind. Diese müssten deutlich verschärft werden, damit Landwirt*innen die ohne Gentechnik arbeiten nicht die Belastungen der gv-Landwirtschaft tragen müssen. Brasilien weist eine große Vielfalt von alten Maissorten auf, die nur dort vorkommen und daher besonders schützenswert sind. (plants, 23.02.22, www.doi.org/10.3390/plants11050603) (jd)
Schweiz: Unerwünschter Gentech-Raps
Auch wenn das Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) nun nochmals um vier Jahre verlängert wurde – ein unerlaubter GVO-Eintrag durch die Einschleppung von gentechnisch verändertem (gv) Saatgut in die Schweiz ist trotzdem weiterhin möglich. Als potenzielle Eintrittsorte gelten Umschlagplätze wie Häfen oder Transportstrecken wie Bahngleise. Im Rahmen eines Monitorings werden verschiedene solcher Stellen schweizweit periodisch untersucht. Dabei geht es vor allem um Raps und Luzerne, da diese gegenüber anderen gv- Pflanzen u.a. aufgrund der Warenmengen das größte Risikopotenzial für die Schweiz darstellen. Auftraggeber ist das Bundesamt für Umwelt. Der einzige Standort mit aktuellem und lang anhaltendem Vorkommen ist der Hafen Kleinhüningen in Basel, nahe der Grenze zu Deutschland. Trotz der Bekämpfungsmaßnahmen kann gv-Raps dort offenbar immer wieder keimen. Getreidelieferungen werden am Hafen mittels Greifzangen umgeladen. Man vermutet, dass bereits kleine Mengen von Material mit gv-Verunreinigungen, das auf den Boden fällt, ausreichen, damit sich gv-Pflanzen ausbreiten können. Allerdings ist das Vorkommen auch im Hafen Kleinhüningen rückläufig. (News Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, 03.02.22, www.gd.bs.ch; Rundbrief AHA!, 20.05.22, www.biorespect.ch) (ps)
Konzerne
Bald nur noch digitale Hauptversammlungen?
Für Börsennotierte Unternehmen wie Bayer sollen virtuelle Hauptversammlungen wohl auch nach dem Ende der Corona-Pandemie erlaubt sein. Das ließ ein Referent*innenentwurf zur „virtuellen Hauptversammlung“ vermuten, den das Bundesjustizministerium im Februar vorlegte, berichtet die Tagesschau. Um eine virtuelle Versammlung – statt der seit Jahrzehnten üblichen Präsenzveranstaltung – zu ermöglichen, solle das Aktiengesetz geändert werden. „Aus einem coronabedingten Provisorium werde eine dauerhafte Möglichkeit“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der Tagesschau. Das Vorhaben stößt jedoch auch auf Kritik. So sei das Verhindern eines lebendigen Dialogs zwischen Aktionär*innen und Unternehmen eine Einschränkung der Aktionärsrechte, kritisiert Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer beim Fondsverband BVI. Kritisiert wird auch, dass keine spontanen Wortmeldungen von Aktionär*innen während der Versammlung mehr möglich seien. So werde ihnen das Recht genommen, etwa auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Die Kritischen Aktionär*innen bemängelten bereits vergangenes Jahr, dass eine digitale Hauptversammlung die Rederechte einschränke. Aktionär*innen müssten Fragen häufig vorab einsenden. „Darunter leidet die Aktionär*innendemokratie“, so Tilman Massa von den Kritischen Aktionär*innen. (Tagesschau, 10.02.22, www.tagesschau.de; taz, 14.03.22, www.taz.de) (pv)
Bayer verkauft Sparte zur Bekämpfung von Schadinsekten
Der Agrarchemie- und Saatgutriese Bayer will seine Sparte, welche Chemikalien zur Bekämpfung von Schadinsekten herstellt, für 2,6 Mrd. US-Dollar an die Private-Equity-Gruppe Cinven verkaufen. Damit will der Konzern Schulden abbauen und sein Crop-Science-Geschäft auf sein Kernklientel in der Landwirtschaft konzentrieren. Nach der Übernahme des US-Konkurrenten Monsanto im Jahr 2018, die mit zusätzlichen Kosten für Rechtsstreitigkeiten in Milliardenhöhe verbunden war, will Bayer nun seine Verschuldung reduzieren. Der Verkauf an Cinven ist der aktuellste einer Reihe an Verkäufen: Seit der Monsanto-Übernahme hat Bayer bereits sein 6-Milliarden-Euro-Geschäft mit Tiergesundheit, seine Beteiligung am 3,5-Milliarden-Euro-Chemiepark Currenta sowie Verbrauchermarken wie Dr. Scholl's und Coppertone im Wert von jeweils rund 500 Mio. Euro verkauft. (Reuters, 10.03.22, www.reuters.com) (pv)
Patente
CRISPR-Cas-Patent: ethische Grenzen gestärkt
Nach einem Einspruch des Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie, Testbiotech, wurde ein Patent auf CRISPR-Cas (EP 3401400) vom Europäischen Patentamt (EPA) in wesentlichen Punkten korrigiert. Es wurden Ansprüche auf Zellen von Menschen, Tieren und Pflanzen gestrichen, Eingriffe in die menschliche Keimbahn wurden ausdrücklich ausgenommen. An dem Patent sind die Nobelpreisträgerinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier beteiligt. Der Einspruch wurde u.a. eingelegt, da die Patentansprüche auf die gentechnische Veränderung von Tieren mit Leiden einhergehen können. Patente auf Tiere dürften nur dann erteilt werden, wenn ein erheblicher medizinischer Nutzen nachgewiesen werde, so Christoph Then von Testbiotech. Er würde erwarten, dass das EPA in Zukunft stärker auf diese Grenzen achte. Gegen das Patent waren noch drei weitere Einsprüche eingelegt worden. Dabei standen technische Fragen im Vordergrund. Ein weiterer Grund für den Einspruch war, dass in diesem Patent weder Eingriffe in die menschliche Keimbahn noch die kommerzielle Verwendung von Embryonen eindeutig ausgenommen waren, obwohl dies vom Gesetz verlangt wird. Es ist das erste Mal, dass im Zusammenhang mit Verfahren um CRIPSR-Cas-Patente auch ethische Fragen zur Entscheidung anstehen. (Testbiotech, 25.11.21, www.testbiotech.org; Bauernstimme, 28.02.22, www.bauernstimme.de) (pv)
GID-Redaktion
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