Kurz notiert - Landwirtschaft und Lebensmittel

Gentechnikfrei

Alkohol gegen Trockenheit

Wissenschaftler*innen aus Japan beobachteten in einer aktuellen Studie, dass Pflanzen, die mit Ethanol behandelt wurden, toleranter gegenüber Trockenheit sind. Laut ihrer Studie führte Ethanol zur Schließung der Spaltöffnungen, Stomata genannt an den Blättern der Modellpflanze Acker-Schmalwand, wie auch bei Reis und Weizen. Diese Stomataschließung ist ein Mechanismus, der die Pflanzen vor dem Austrocknen schützt, normalerweise aber auch zu einer Verringerung der Fotosyntheseleistung und des Pflanzenwachstums führt. Die Studie zeigt jedoch, dass die Fotosynthese nicht heruntergefahren wurde, sondern durch eine Änderung des Stoffwechselwegs annähernd konstant blieb. Die Forscher*innen entdeckten, dass die Pflanzen verstärkt ihren Zucker- und Stärke-Stoffwechsel hochregulieren und vermutlich das Ethanol nutzen, um daraus Energie zu gewinnen. Ethanol ist günstig, umweltfreundlich und könnte eine bessere landwirtschaftliche Anpassung an Trockenheit sein, als der Einsatz von transgenen Pflanzen. (Plant and Cell Physiology, 04.10.22, www.doi.org/10.1093/pcp/pcac114) (cg)

Weizen aus der brasilianischen Savanne

Der Spiegel berichtet, dass Brasilien bald dank einer neuen Sorte ein wichtiger Exporteur und Großproduzent für Weizen sein könnte. Die durch Züchtung hergestellte Weizensorte BRS 264 ist eine Innovation der staatlichen brasilianischen Behörde für landwirtschaftliche Forschung Embrapa. BRS 264 soll in der Lage sein, auch unter heißen und trockenen Bedingungen zu wachsen. Gerade in Zeiten, in denen der Weizenexport aus dem Kriegsgebiet der Ukraine erschwert und dürrebedingt auch aus Kanada reduziert ist, könnten Anbaugebiete in tropischen und subtropischen Länder eine Alternative darstellen. Allerdings gibt es Bedenken darüber, großflächige und intensive Landwirtschaft in Savannenökosystemen zu betreiben. Laut der Ökologin Morgana Bruno seien die Savannen äußerst fragile Ökosystem, die zu Unrecht nicht den gleichen Schutz genießen würden, wie beispielsweise Regenwälder. Zudem seien die artenreichen Landschaften auf das Wasser der zahlreichen Flüsse angewiesen, welches durch eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen vermehrt benötigt würde. Eine Änderung im Konsumverhalten sei auch eine Art, der weltweiten Ernährungsknappheit zu begegnen, so Bruno. (Der Spiegel Ausland, 07.08.22, www.spiegel.de) (cg)

Mehr Ameisen, mehr Ernte

Ameisen können die Anzahl von Schadinsekten auf Getreidefeldern erheblich reduzieren und somit zu einer erhöhten Ernte beitragen. Zu diesem Schluss kommen Forscher*innen die insgesamt 52 Studien miteinander verglichen und ausgewertet haben. Besonders deutlich ist der Vorteil von Ameisen in beschatteten Anbauflächen (z.B. Agroforstwirtschaft), in Flächen mit einer Vielfalt an Nutzpflanzen und einer extensiven Bodenbearbeitung. Diese Flächen weisen generell eine höhere Biodiversität bei Insekten auf, die auch bei den Ameisenarten nachgewiesen werden konnte. Die Vielzahl an Ameisenarten wiederum ernährt sich von einer größeren Vielfalt an Schadinsekten. In solchen Fällen biete die biologische Bekämpfung von Schadinsekten durch Ameisen eine relativ preiswerte Alternative zu chemischen Pestiziden. Bei anderen, weniger ameisenfreundlichen Anbaumethoden fällt der Vorteil geringer aus. Hier müssen finanzielle Ressourcen in die Umsiedlung von Ameisenkolonien und die Bereitstellung von Nist- und Nahrungsquellen fließen um ein gutes Lebensumfeld für die Tiere zu schaffen. Dem Problem, dass Ameisen die für Pflanzen schädlichen Blattläuse wegen ihres Honigtaus „halten“, kann durch das Anbieten von alternativen zuckerhaltigen Futterquellen beigekommen werden. Die Wissenschaftler*innen ziehen das Fazit, dass die Vorteile bei allen Anbauformen gegenüber den Nachteilen überwogen. (The Guardian, 17.08.22, www.theguardian.com; The Royal Society, 17.08.22, www.doi.org/10.1098/rspb.2022.1316) (cg)

Wissenschaft

Künstlich gekoppelte Gene

Erstmals haben Forscher*innen des Karlsruher Instituts für Technologie mittels CRISPR-Cas die Struktur eines ganzen Chromosoms geändert und nicht nur Sequenzen auf der DNA-Ebene. Laut ihrem Fachartikel in Nature Plants drehten sie neun Zehntel eines Chromosoms der Modellpflanze Acker-Schmalwand um, sodass zwei eigentlich weit auseinander liegende Gene näher zusammenlagen. Damit erhoffen sich die Wissenschaftler*innen, die Wahrscheinlichkeit der Trennung der beiden Gene beim sogenannten Cross-over während der Fortpflanzung zu reduzieren oder zu verhindern. Cross-over ist der Austausch von „mütterlichen“ und „väterlichen“ Chromosom-Teilen während der Reifeteilung (Meiose) von Keimzellen. Tatsächlich konnten die Forscher*innen durch ihren Eingriff das Cross-Over in dem invertierten Abschnitt um 92 Prozent reduzieren. Dieser Eingriff hat allerdings auch ungewollte Nebeneffekte. In dieser Studie produzierten die Nachkommen bis zu einem Drittel weniger Samen als unbehandelte Pflanzen. Aus anderen Studien ist außerdem bekannt, dass die Unterdrückung von Cross-over auf einem Chromosom kompensiert wird und dazu führt, dass sie auf anderen Chromosomen häufiger auftreten. (Nature Plants, 15.09.22, www.doi.org/10.1038/s41477-022-01238-3; PM KIT, 20.09.22, www.kit.edu) (cg)

Viele Länder lockern ihre Gentechnikgesetze

Laut einer aktuellen Studie lockern immer mehr Länder ihre Regularien gegenüber den neuen Gentechniken und schließen sogenanntes Genome Editing aus ihren Gentechnik-Regulierungen aus. Begründet wird dieser Schritt häufig damit, dass das Ergebnis bei korrekter Anwendung frei von artfremden Genen sei. Nach den USA, Kanada, Brasilen, Chile, Argentinien und Kolumbien, folgten 2019 Paraguay und Ecuador sowie Honduras und Guatemala. Japan war 2019 das erste asiatische Land, welches keinen Unterschied zwischen konventioneller Züchtung und Genome Editing machte. Nachdem Russland 2022 transgen-freie Genome Editing-Pflanzen als klassische Züchtung definierte, folgten mehrere Länder Asiens wie China, Indien und die Philippinen. Aufgrund von „Samen ohne Grenzen“- Abkommen, ist es wahrscheinlich, dass Bangladesch, Nepal, Sri Lanka und Kambodscha ihre Regularien entsprechend anpassen. Nigeria (2020) und Kenia (2022) sind bisher die einzigen beiden afrikanischen Länder, die mittels Genome Editing hergestellte Pflanzen wie konventionelle gezüchtete Pflanzen zulassen. Jedoch strebt die Agenda 2063 der Afrikanische Union eine „pan-African Vision“ an, was zu einer weiteren Lockerung der Regulationsmechanismen führen könnte. In Europa wurde Genome Editing nur 2022 im Vereinigten Königreich dereguliert. Länder wie Norwegen, die Schweiz, aber auch die EU befinden sich derzeit im Aushandlungsprozess. (New Phytologist, 23.06.22, www.doi.org/10.1111/nph.18333) (cg)

USA: Skepsis gegenüber Gentechnik

In einer Umfrage untersuchten die Soziolog*innen der Iowa State University Christopher Cummings und David Peters das Vertrauen der US-Bürger*innen in gentechnisch veränderte (gv) Nahrungsmittel. Laut den Wissenschaftler*innen herrsche sehr viel Uneinigkeit und auch Unwissen über die Genome Editing-Technologie. Anders als bei vertrauten Nahrungsmitteln, spielen für die Kund*innen nicht nur die Kosten, das Aussehen, der Geschmack und der Nährstoffgehalt eine Rolle. Einfluss haben auch die eigenen Werten und das Vertrauen in die Regierung, die Industrie und Umweltorganisationen. So waren laut einer Vorgängerstudie der gleichen Autor*innen Menschen, die sich eher vorstellen können, gv-Nahrungsmittel zu konsumieren, jünger, einkommensstärker und technikaffiner. Kritiker*innen hingegen bestünden zu 60 Prozent aus Frauen, zu 40 Prozent aus über 60 Jährigen und hatten eher ein niedriges bis mittleres Einkommen (Frontiers in Food Science and Technology, 01.06.22, www.doi.org/10.3389/frfst.2022.858277; Environmental Communication, 04.07.22, www.doi.org/10.1080/17524032.2022.2086894) (cg)

Irreführende Ergebnisse

Eine anfangs hochgelobte Studie in Science zur Ertragssteigerung von Reispflanzen mithilfe CRISPR-Cas gerät zunehmend in Kritik. Die Kontroverse begann mit der Aussage der Doktorandin und angehenden Pflanzenzüchterin Merritt Khaipho-Burch auf Twitter, dass sie die Arbeit für irreführend halte. In der Studie hatte ein Forscher*innenteam der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaften behauptet, die Erträge von Hochertragssorten wie Reis und Weizen um bis zu 40 bzw. 20 Prozent steigern zu können. Laut Khaipho-Burch sei die Studie jedoch mit nur 99 bis 120 Pflanzen viel zu klein angelegt worden. Zudem seien die Erträge erstaunlich niedrig, verglichen mit konventionell gezüchteten Pflanzen der gleichen Sorte. Diese hätten in anderen Versuchen zehn Tonnen pro Hektar statt wie hier sieben bis acht Tonnen pro Hektar eingebracht. Khaipho-Burch bemerkt, dass, wenn man beständige Auswirkungen auf den Ertrag nachweisen wolle, große und qualitätskontrollierte Versuche mit Elitesorten unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt werden müssten. Außerdem wiesen Khaipho-Burch sowie ein Professor der Universität in Texas für Maiszüchtung und- genetik darauf hin, dass die Erforschung von Genome Editing zwar viel Geld koste, aber leider keine großen Erfolge bringe, die wiederholbar und stabil seien – entgegen der Ergebnisse aus der konventionellen Pflanzenzüchtung. (Science, 22.07.22, www.science.org/doi/10.1126/science.abi8455; Twitter, 29.07.22, www.twitter.com/MerKhaiBurch; GMWatch, 14.08.22, www.gmwatch.org) (cg)

Gentechnik im Vogelfutter

Die niederländischen Commission on Genetic Modification (COGEM) untersuchte in einer Studie, ob Vogelfutter und Blumenmischungen gentechnisch veränderte (gv) Samen enthalten und damit zu der unbeabsichtigten Verbreitung von gv-Pflanzen beitragen könnten. Die Autor*innen der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass in 5 von 50 Packungen gv-Samen oder Teile von ihnen enthalten waren. Bei allen fünf Packungen handelte es sich um Futter für Haus- und Volierenvögel. Weil Blumenmischungen eher regional hergestellt werden, bestünde bei in Europa erworbenen Produkten ein geringes Risiko, dass gv-Samen enthalten sind. Anders sieht es bei Vogelfutter aus. Dieses wird oft in Ländern außerhalb der EU hergestellt – mit anderen Gentechnik-Richtlinien, wodurch die Vermischung mit gv-Samen wahrscheinlicher ist. Die Autor*innen der Studie schätzen eine Ausbreitung in den Niederlande jedoch als gering ein, da keine gv-Samen im Futter für Garten- und Wildvögel gefunden wurde, welches eine Freisetzung zur Folge haben könnte. Zudem sei unklar, ob alle Samen im Haustier-Vogelfutter überhaupt keimungsfähig sind und sich ausbreiten könnten. Es gebe allerdings bei der verwendeten Methodik keine Möglichkeit herauszufinden, welche Samen welcher Pflanzenart gentechnisch verändert sind. Das Risiko einer Kontamination von Vogelfutter mit gv-Samen könne vor allem durch Gentechnik-frei-Zertifikate und eine keimhemmende Behandlung abgemildert werden, so die Autor*innen. (Commission on Genetic Modification, 13.06.22, www.cogem.net) (cg)

Verbreitung von Transgenen

Es gibt keinen sicheren Schutz vor der Übertragung von Gen-Konstrukten aus gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen auf Wildpopulationen. Das schlussfolgert eine kürzlich erschienene Überblicksstudie des nationalen Agrarinstituts in Korea. Hier wurden die Wahrscheinlichkeiten der Weitergabe von Genen aus gv-Raps an andere Rapssorten und verwandte Wildsorten durch Hybridisierung diskutiert. Um Hybridisierung zu vermeiden, empfehlen die Autor*innen transgene Pflanzen in kontrollierten Gewächshausbedingungen zu halten, um eine Verbreitung mit möglichen Pollenempfängern zu verhindern. Durch die Weitergabe von Genen können neue Eigenschaften in den Populationen der Wildsorten entstehen. Beeinflussen die Gene Merkmale wie die Samenanzahl oder das Pflanzenwachstum können die Wildpflanzen einen Konkurrenzvorteil entwickeln. Dies könnte zu Problemen mit der Bekämpfung von Beikräutern führen. Auch Hybride der Kulturpflanzen könnten durch die übertragenen Transgene widerstandsfähiger sein, eine höhere Fitness haben und sich invasiv verhalten. Unter kontrollierten Gewächshausbedingungen könnten bei Kreuzungen zwischen gv-Raps und verschiedenen Wildkräutern Transgene an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. (MDPI, 13.08.2022, www.doi.org/10.3390/genes13081442) (cg)

Nahrungs­mittel

Erste gv-Pflanze in Ghana

In Ghana wurde der erste Schritt eines dreistufigen Verfahrens gegangen, um eine gentechnisch veränderte (gv) Augenbohne zuzulassen. Falls sie zugelassen wird, ist die gv-Augenbohne die erste gv-Pflanze in Ghana, die dort angebaut werden darf. Die Organisation Food Sovereignty Ghana zog gegen die Zulassung wegen Verletzung des Menschenrechts auf Gesundheit vor Gericht. Die Organisation verlangt vor allem die Kennzeichnung von gv-Nahrungsmitteln, um den Konsument*innen eine „informierte Entscheidung“ zu überlassen. Im Jahr 2018 habe es vier Tote nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln gegeben, die mit toxischem Chlorpyrifos versetzt waren, welches in Pestiziden verwendet wird. Daher setzt sich die Organisation stark für Nahrungsmittelsicherheit im Sinne der Gesundheit ein. Augenbohnen sind ein wichtiges Grundnahrungsmittel in Westafrika weswegen hier ein besonderes Interesse an der gv-Bohne besteht. 2019 wurde die gv-Bohne in Nigeria zugelassen, Ghana wäre das zweite Land weltweit mit einer Zulassung. Die von Bayer-Monsanto in die Bohne eingebaute Fremd-DNA, produziert ein Insektizid gegen den Bohnen-Zünsler, ein relevantes Schadinsekt. Der Verzehr der gv-Bohne ist wegen nicht erforschter Langzeitfolgen kontrovers diskutiert. Auch ist ungeklärt, ob die verwendete Bohnen-Sorte Songotra gegen andere Schadinsekten widerstandfähig genug ist, gegen welche das eingebaute Pestizid nicht wirkt. (Undark, 31.07.2019, www.undark.org; Food sovereignty Ghana, 07.06.22, www.foodsovereigntyghana.org; The conservation, 18.07.22, www.theconversation.com) (cg)

USA: Gentechnik-Tomate soll sicher sein

Anfang September wurde die gentechnisch veränderte (gv) lila Tomate der Firma Norfolk Plant Sciences nach einem 14-jährigen Verfahren in den USA durch das dortige Landwirtschaftsministerium als unbedenklich eingestuft. Damit wurde entschieden, dass die gv-Tomate unter keine weitere Regulierung fällt. Die gv-Tomate enthält Anthocyane und nach Herstellerinformation auch Antioxidantien, die das Krebsrisiko vermindern und die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern sollen. Die Pflanze sei laut der Abteilung Tier- und Pflanzenschutzkontrolle (APHIS), welche dem US-Landwirtschaftsministerium untersteht, wie andere kultivierte Tomaten auch, ungefährlich für Insekten und deshalb sei der Gebrauch in Anbau und Züchtung in den USA als sicher einzustufen. Diese Einschätzung der APHIS, basiert erstens auf deren Vertrautheit mit der Vielfalt von Tomatenpflanzen, zweitens auf deren Wissen über Eigenschaften, die Farbe und Nährstoffqualität zu verändern und drittens deren Verständnis der gentechnischen Veränderungen. (APHIS, 06.09.22, www.aphis.usda.gov; John Innes Centre, 08.09.22. www.jic.ac.uk) (cg)

Risikodebatte

Gentechnik im Green Deal

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) stellte im September das Projekt GeneBEcon (Gene Editing for a sustainable BioEconomy – Gene Editing für nachhaltige Biowirtschaft) vor. Das Projekt ist Teil des Green Deals und soll Informationen über Möglichkeiten und Risiken der neuen Gentechniken (NGT) erarbeiten. Während als Chancen konkrete Fallbeispiele genannt werden, die zur Schadstoffreduzierung und vermehrten Nutzung von biologischen Ressourcen beitragen sollen, bleibt die Beschreibung der antizipierten Risiken vage. Es wird lediglich gesagt, dass Risiken für Umwelt und menschliche Gesundheit genau untersucht und analysiert werden müssen. Jedoch bleibt eine genauere Beschreibung der Risiken von NGT aus. Das Projekt ist mit 270.000 Euro ausgestattet und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Die Projektkoordination liegt bei Dennis Eriksson, von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften. (BVL, 01.09.22, www.bvl.bund.de) (cg)

Herbizid Dicamba beeinflusst auch den Insektenbefall

Ergebnisse einer Studie eines Teams des Ökologie- und Evolutionsbiologie-Instituts an der Universität Michigan zeigten, dass das Herbizid Dicamba zu einer Veränderung im Muster der Fraßschäden durch Insekten führte. Gegenstand der Forschung, die bisher ohne Peer Review, das heißt Begutachtung durch andere Wissenschaftler*innen veröffentlicht wurde, war der sogenannte Herbizid-Drift. Damit sind die unbeabsichtigten Auswirkungen von Herbizidresten auf Nicht-Zielpflanzen gemeint. Die Forscher*innen untersuchten drei in landwirtschaftlichen Umgebungen häufige Pflanzenarten (Purpur-Prunkwinde, gemeiner Stechapfel, Samtpappel) aus drei verschiedenen Pflanzenfamilien auf Schäden durch Insekten, nachdem die Hälfte der Pflanzen mit 1-prozentigem Dicamba besprüht wurde. Dabei stellten die Wissenschaftler*innen unter anderem fest, dass sowohl der Stechapfel als auch die Samtpappel im Vergleich zur Kontrolle erhöhte Mengen von Fraßschäden aufwiesen. Die Prunkwinde dagegen zeigte keine Erhöhung durch Dicamba-Drift, jedoch ein verändertes Fraßmuster (am Rand der Blätter, statt Löcher im Blatt) was auch bei Samtpappeln zu beobachten war. Unklar ist, ob die Beobachtungen auf einer Reaktion der Pflanze beruhen, deren „Immunantwort“ verändert wird oder ob Dicamba andere Arten von Schadinsekten anzieht, die die Veränderung der Fraßschäden verursachen. (bioRxiv, 22.8.22, www.doi.org/10.1101/2022.08.21.504705) (cg)

Klimawandel, Landwirtschaft und die Rolle der Biotechnologie

Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) kommt zu dem Schluss, dass neue gentechnische Verfahren, wie CRISPR-Cas einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der Ernährung der Bevölkerung leisten können. Die EKAH legte in einem Bericht ihre Überlegungen zur Rolle sogenannter neuer gentechnischer Verfahren für die Reduktions- und Anpassungsziele der Landwirtschaft dar. Die Schweiz ist gefordert, einen angemessenen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen zu leisten. Der Klimawandel verlangt zudem eine dringende Anpassung der landwirtschaftlichen Produktion. Die EKAH hat sich nun mit der Thematik auseinandergesetzt. Der Bericht setzt sich mit den Erwartungen, die mit der neuen Gentechnik verbunden sind, eingehend auseinander. Nach der öffentlichen Präsentation Ende Oktober steht der Bericht auf den Seiten der EKAH zur Verfügung. (EKAH, 26.09.22, www.ekah.admin.ch) (gp)

Anbau & Pestizide

Exportverbote von Pestiziden

Umweltschützer*innen kritisieren die geplanten Exportverbote von in der EU nicht zugelassenen Pestiziden als unzureichend. Die Verbände fordern eine Reform des Pflanzenschutzgesetzes, um Mensch und Natur vor diesen Giften zu schützen. Pestizide, dessen Anwendung aus gesundheitlichen Gründen in der Landwirtschaft der EU verboten sind, dürfen weiterhin innerhalb der EU produziert und exportiert werden. Agrarminister Cem Özdemir will das mit Bezug auf den Koalitionsvertrag ändern und eine neue Verordnung bis Ende 2022 vorlegen. Ein Rechtsgutachten der Verbände European Center for Constitutional and Human Rights, dem Netzwerk Inkota und dem Pestizid Aktions-Netzwerk legt nahe, dass die Verordnung zum Exportverbot nur die betroffenen Pestizidprodukte umfassen würde, nicht jedoch deren Wirkstoffe in reiner Form. Des Weiteren gelten die Verbote vor allem für Pestizide die gesundheitsschädlich sind, aber weniger für solche die umweltschädlich sind. (taz, 13.09.22, www.taz.de; Bienen Journal, 14.09.22, www.bienenjournal.de) (lp)

Erntebilanz: durchschnittlich

Der Bauernverband behauptete Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft müssten wegen klimawandelbedingten Ernteausfällen zurückgefahren werden. Tatsächlich ist die Ernte laut Agrarminister Cem Özdemir jedoch um 0,2 Prozent gestiegen, im Vergleich zur durchschnittlichen Bilanz der letzten sechs Jahre. Dass es sich um ein relativ normales Erntejahr mit üblichen Schwankungen handele, bestätigten auch Agrarwissenschaftler*innen aus Rostock, Kiel und Wageningen. Der Bauernverband, der seinerseits von Verlusten um 5 Prozent aufgrund von Dürre sprach, hatte in die Vergleichsbilanz offenbar sowohl ein sehr gutes Erntejahr (2014) einbezogen, als auch das Extremdürrejahr 2018 aus der Durchschnittsberechnung ausgeschlossen. Aufgrund dieser statistischen Verzerrung kam der Bauernverband auf andere Ergebnisse als Özdemir. Vorstandspräsident des Bauernverbands Andreas Rukwied lehne mit dem Hinweis auf Ernährungssicherheit in Europa einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission ab, wonach weniger Pestizideinsatz geplant ist. Özdemir reagierte verärgert und bezeichnete dies als Versuch, Klima- und Artenschutz zurückzufahren, und sprach von „falscher Tatsachenbehauptung“. (Deutscher Bauernverband, 23.08.22, www.bauernverband.de; taz, 26.08.22, www.taz.de) (cg)

Konzerne

Mexiko vs. Bayer-Monsanto

Im Dezember 2021 verabschiedete Mexiko ein Dekret, welches den Erwerb und Vertrieb sowie die Werbung, Einfuhr und Verwendung von Glyphosat verbietet. Ausgelöst durch dieses Präsidialdekret reichte Bayer-Monsanto als Hersteller des Pestizids im Juli 2022 eine einstweilige Verfügung ein, um gegen das Verbot von Glyphosat in Mexiko vorzugehen. Die beteiligten Politiker*innen und Wissenschaftler*innen sind sich weiterhin einig, das Dekret aufrecht zu erhalten und arbeiten bereits stark an seiner Umsetzung mittels wissenschaftlicher Studien, rechtlichen Rahmenbedingungen und der Förderung von Projekten zu biologischen Alternativen zu Glyphosat. Die Regierung ist sehr optimistisch sich im juristischen Streit durchsetzen zu können, das Verbot entspräche dem Vorsorgeprinzip und der Verteidigung der Menschenrechte, so die Begründung. (GeN, 24.11.21, www.gen-ethisches-netzwerk.de; amerika21, 12.09.22, www.amerika21.de) (lp)

Patente

Patente auf Herbizid resistente Pflanzen

Die Anzahl an Patenten an bisher eher wenig patentierten Pflanzenarten wie Weizen, Baumwolle, Raps, Tabak und Tomaten soll in Zukunft steigen. Das prognostizieren zwei Wissenschaftler*innen der Jeju Universität in Korea in einer kürzlich veröffentlichten Trend-Analyse zu Patenten auf gentechnisch veränderte Pflanzen mit Herbizidresistenzen. Dabei beruhen die Zahlen aus der Studie auf Datenfreigaben von Patenten im Jahr 2019. In dem Jahr kamen 55,3 Prozent der Patentanmeldungen aus der USA, 18,8 Prozent aus China, 9,2 Prozent aus der EU gefolgt von Staaten wie Japan und Korea. Die Autor*innen sehen momentan eine Sättigung am Markt, die sie auf eine große Konkurrenz innerhalb der Nationalstaaten zurückführen. Hier scheint es immer weiter zu einer Markt-Konzentration zugunsten multinationaler Unternehmen zu kommen. So halten dann auch Pioneer Hi Bred Internationel und Monsanto Technology die mit Abstand meisten Patente. Es folgen Unternehmen wie Stine Seed Farm, Dow Agroscience, Bayer Cropscience und die BASF. Es gibt deutliche Unterschiede bei den verschiedenen Nutzpflanzen: so sind Reis, Mais und Soya mit Herbizidresistenzen am meisten patentiert. Die Autor*innen schließen, dass die Gentechnik ein sehr technisches Feld ist, welches viele Jahre des Experimentierens braucht und es daher von den großen etablierten Konzernen dominiert ist und bleibt. Möglichkeiten für kleinere Unternehmen sehen sie nur in der Fokussierung auf andere Nutzpflanzen wie u.a. Weizen, Baumwolle und Tomaten. (Plant Biotechnology Reports, 24.08.22, www.doi.org/10.1007/s11816-022-00783-9) (cg, jd)

Zivil­gesellschaft

Massentierhaltungsverbot: Initiative abgelehnt

Mit der Volksabstimmung vom 25. September 2022 haben die Schweizer Stimmberechtigten die Volksinitiative „Keine Massentierhaltung in der Schweiz“ mehrheitlich abgelehnt. Ziel der Initiative war die Abschaffung der industriellen Tierhaltung in der Schweiz. Landwirtschaftliche Tierhaltung sollte nur noch nach dem Standard des Schweizer Bioverbandes möglich sein. Die Schweizer Stimmbürger*innen folgten der Empfehlung der Bundesversammlung, die die Initiative ablehnte. Die Massentierhaltungsinitiative wurde maßgeblich initiiert vom Tierschutz und wurde von Umweltverbänden, dem Biolandbau und Parteien (Grüne, Grünliberale, SP) als auch vom Kleinbauernverband unterstützt. Dagegen opponierte der Schweizer Bauernverband, unterstützt von der schweizerischen Volkspartei und den Wirtschaftsverbänden. Mit dem Verweis, das Tierschutzgesetz in der Schweiz wäre bereits jetzt eines der strengsten in Europa und der Androhung, dass landwirtschaftliche Tierprodukte dann einer erheblichen Preissteigerung unterlägen, gerieten die Befürworter*innen ins Hintertreffen. (Fedlex, 29.03.22, www.fedlex.admin.ch; NZZ, 16.08.22, www.nzz.ch) (gp)

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
263
vom November 2022
Seite 19 - 22

GID-Redaktion

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