Kurz Notiert: Mensch & Medizin

Stammzellforschung

Bundesmittel für Pharma-Kooperation

In Berlin soll ein gemeinsames Zentrum für Gen- und Zelltherapie der Universitätsklinik Charité und des Pharmakonzerns Bayer entstehen. Im November 2022 wurden für den Aufbau für das Jahr 2023 vier Millionen Euro vom Bund bewilligt. Laut dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christoph Meyer sollen mittelfristig mehr als 40 Millionen Euro an Bundesmitteln bereitgestellt werden. Der Bundestag muss dem Etat noch final zustimmen. Bereits im April 2021 hatte u. a. Berlins regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied von Bayer und dem Charité-Chef Heyo Kroemer eine Absichtserklärung für das „Leuchtturmprojekt der Gesundheitswirtschaft“ unterzeichnet. Das Zentrum soll einen „beschleunigte(n) Transfer von Gen- und Zelltherapien aus Wissenschaft und Forschung in die Patientenversorgung“ möglich machen, so Stefan Oelrich von der Bayer AG. Gebaut werden soll das Zentrum möglicherweise am Standort der Pharma-Zentrale von Bayer am Berliner Nordhafen. (PM Charité, 26.04.22, www.charite.de; Ärzteblatt, 11.11.22, www.aerzteblatt.de) (ib)

 

Genomforschung

Rückschläge bei Gentherapien

Gentherapien bekommen seit einigen Jahren wieder Aufwind, nachdem in den 1990er Jahren mehrere Todesfälle den ersten Hype beendet hatten. Forschende und Unternehmen berichten u. a. von hoffnungsvollen Ergebnissen bei Patient*innen mit angeborenen Bluterkrankungen wie Hämophilie und Thalassämie (siehe Kurz Notiert in vergangenen GID-Ausgaben). Doch auch fast 30 Jahre später sind Therapien, bei denen Körperzellen von Patient*innen durch künstliche Viren genetisch verändert werden sollen, komplex und risikobehaftet. Anfang Januar kündigte die US-amerikanische Biotech-Firma Graphite Bio eine freiwillige Pause einer klinischen Studie für eine Sichelzellanämie-Therapie an. Der erste behandelte Patient hatte schwere Nebenwirkungen entwickelt. Bereits im August berichtete der Konzern Novartis von tödlichen Leberschäden bei zwei Kindern, die mit der Gentherapie Zolgensma behandelt wurden. Laut Novartis-CEO Vas Narasimhan sei die Gentherapie-Sparte der Firma insgesamt bisher nicht so erfolgreich wie erwartet. Auch das Unternehmen Pfizer scheint von dem Potenzial im Gentherapiebereich enttäuscht zu sein und kündigte im Januar entsprechende Kürzungen an. So wurden Pläne für eine erst 2021 angekündigte 70 Mio. US-Dollar teure Herstellungsanlage in North Carolina, USA, gestrichen. (PM Graphite Bio, 05.01.22, www.graphitebio.com; Barron’s, 07.01.22, www.barrons.com; Insider, 11.01.22, www.businessinsider.com; Reuters, 13.01.22, www.reuters.com) (ib)

 

Reproduktionsmedizin

Zeitgemäße Kinderwunschbehandlung?

Anfang Dezember 2022 initiierte Besins Health­care Germany ein Parlamentarisches Frühstück zum Thema „Reproduktive Förderungsrechte stärken“. Nach einer Begrüßung der Schirmherrin Kathrin Helling-Plahr (FDP) sprachen Prof. Dr. Kentenich, Gründungsmitglied und Gesellschafter des Fertility Center Berlin, und Prof. Dr. Taupitz, Direktor des Instituts für Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim, über „medizinische und rechtliche Fallstricke“ für Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Die Veranstaltung nutzten einige Bundestagsabgeordnete und -mitarbeiter*innen, um sich zu informieren und zu diskutieren. Zentrale Forderungen der beiden Referenten waren die Etablierung des Single-Embryo-Transfers als Standard, die Förderung von Kryozyklen und die Anpassung der Altersgrenzen der Paare mit Kinderwunsch – auch für gleichgeschlechtliche Paare. Die offenen Fragen der Reproduktionsmedizin seien in den letzten Legislaturperioden nicht grundlegend und umfassend behandelt worden, so Taupitz. Er und Kentenich sind sich außerdem einig, dass die „Eizellspende“ legalisiert werden sollte, was Helling-Plahr abschließend zum einzigen gangbaren Weg „mit Blick auf das Ausland und auf die Medizin“ deklarierte. Besins Healthcare Germany ist Teil der weltweit aktiven Besins Healthcare Gruppe; nach eigener Beschreibung einer der führenden Hersteller moderner Hormonpräparate. (BesinsHealthCare, 07.12.22, www.besins.healthcare.de; openPR, 08.12.22, www.openpr.de) (ts)

 

Datenschutz

CH: Warnung vor Gentests aus dem Internet

Am 01. Dezember 2022 trat in der Schweiz das revidierte Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen in Kraft. Vorher war der Einsatz genetischer Untersuchungen nur sehr unzulänglich geregelt. Neu umfasst das Gesetz auch Tests im Lifestyle-Bereich, beim Sport und bei der Ernährung, die oft via Internet bestellbar sind. Vertreter*innen des eidgenössischen Bundesamts für Gesundheit (BAG) allerdings warnen nun, dass man sich als Nutzer*in solcher Tests unbedingt klarmachen sollte, welche Risiken damit verbunden sind und wie deren Verlässlichkeit einzuschätzen sei. Denn: Auch wenn es sich lediglich um Lifestyle-Tests handle, erhalten die Test-Anbieter*innen mit der Speichelprobe das gesamte genetische Material (DNA) der betreffenden Person. Das Geschäft mit dem Weiterverkauf von DNA-Daten scheint für Test-Anbietende lukrativ zu sein. Das Problem: Das genetische Material, das verkauft wird, enthält nicht nur Informationen über die Käufer*in eines solchen Gentests, sondern auch Informationen über die Verwandten. Mit Blick auf die kritischen Aspekte verweist das BAG auf weiterführende Informationen, die online verfügbar sind. (Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 29.12.22,
www.srf.ch; Bundesamt für Gesundheit (BAG), www.bag.admin.ch) (ps)

Erschienen in
GID-Ausgabe
264
vom Februar 2023
Seite 7

GID-Redaktion

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