Kurz Notiert - Landwirtschaft & Lebensmittel

Nahrungsmittel

Mit Pflanzen Muttermilch machen

Wissenschaftler*innen haben Pflanzen gentechnisch verändert, sodass sie Oligosaccharide produzieren, die ausschließlich in Muttermilch vorkommen. Menschliche Milch Oligosacchride (MMO) haben einen großen Nutzen für die Entwicklung von Kindern, sind aber industriell nur eingeschränkt und sehr kostspielig herzustellen. Die meisten Pulvermilch-Hersteller*innen verzichten daher auf sie. Die Wissenschaftler*innen von der University of California, Berkeley und Davies, konnten den Kohlenhydrat-Stoffwechsel der tabakähnlichen Pflanze Nicotiana benthamiana mittels Verfahren der alten Gentechnik so verändern, dass sie elf MMO produzierte. Teil der Studie war auch eine Kostenanalyse, nach der die pflanzliche Produktion im großen Maßstab günstiger wäre als die industrielle. (Nature Food, 13.06.23, www.doi.org/10.1038/s43016-024-00996-x; Berkeley Research 13.06.23, www.vcresearch.berkeley.edu) (jd)

 

Anbau & Pestizide

IT: CRISPR-Feldversuch zerstört

In Italien zerstörten Unbekannte den ersten Feldversuch von mit CRISPR veränderten Pflanzen. Erst letztes Jahr hat die italienische Regierung die Auflagen für Feldversuche von Pflanzen angepasst, die mit neuer Gentechnik verändert wurden, wodurch dessen Freisetzung möglich wurde. Im Mai 2023 pflanzten Wissenschaftler*innen der Universität Mailand auf 28 Quadratmetern einen mit CRISPR veränderten Reis. Das Versuchsfeld ist umgeben von 400 Quadratmetern unbewirtschafteter Fläche, um Auskreuzungen zu vermeiden, sowie von einem Zaun, der Tiere abhalten soll. Angebaut wurde ein Arborio-Reis, eine beliebte Risottoreis-Sorte, die an drei Genen verändert wurde, um resistenter gegen eine weitverbreitete Pilzkrankheit zu sein. Vittoria Brambilla, die hauptverantwortliche Wissenschaftlerin, zeigte sich schockiert von der Zerstörung. Ein paar Pflanzen hätten überlebt, aber der wissenschaftliche Nutzen des Versuchs sei verloren. Laut Brambilla habe sie immer versucht, den Dialog offen zu halten. Zudem seien die Bäuer*innen in der Umgebung dem Feldversuch positiv gegenüber eingestellt gewesen. Die italienische Bauernorganisation ARI hingegen kritisierte, dass die behördlichen Auflagen nicht eingehalten worden seien, und forderte eine öffentliche Debatte über den Einzug der Gentechnik in die italienische Landwirtschaft. (ARI, 22.06.24, www.assorurale.it; Science, 25.06.24, www.science.org) (jd)

PH: Golden-Rice-Anbau gestoppt

Mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip wird der Anbau von Golden Rice auf den Philippinen in diesem Jahr durch ein Berufungsgericht gestoppt. Der Bauernverband MASIPAG hatte erfolgreich gegen ein Pilotprojekt geklagt, welches vor anderthalb Jahren gestartet war. Erfunden wurde der goldene Reis ursprünglich im Kampf gegen einen weitverbreiteten Vitamin-A-Mangel in Südostasien. Ein Defizit führt bei Kindern und Stillenden häufig zu Erblindung. Mithilfe von Gentechnik wurde deshalb die Sorte Golden Rice entwickelt, die eine erhöhte Menge von Provitamin A produziert. Gründe für einen Anbaustopp des Genreises waren ein geringerer Ertrag und die Ausbreitung des Tungro-Virus. Infolge dessen hätte ein Ertragsausfall gedroht, der die Reisproduktivität des Landes um 4 Prozent vermindert hätte – das entspricht Nahrung für vier Millionen Menschen. Dadurch hätte sich der Reisimport, welcher im Jahr 2022 23 Prozent betrug, erhöht und die Abhängigkeit der Philippinen wäre weiter gewachsen. (Schweizer Allianz Gentechfrei, 23.07.24, www.gentechfrei.ch) (tb)

NGO-Klage gegen Glyphosat

Das Pestizid- und Aktionsnetzwerk (PAN) Europe hatte im Juni 2024 zusammen mit anderen NGOs einen Antrag zur Überprüfung der Wiedergenehmigung von Glyphosat bei der Europäischen Kommission gestellt. Am 26. Juni wurde dieser abgelehnt, woraufhin die NGOs vor das EU-Gericht zogen. PAN Europe fordert, die Wiedergenehmigung des Herbizid-Wirkstoffs für weitere zehn Jahre zurückzunehmen. Das Netzwerk begründet seine Klage damit, dass die EU-Kommission relevante Datenlücken ignoriert habe, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit festgestellt wurden. Die NGOs kritisieren die fehlerhafte Bewertung gegenüber verschiedenen Risiken, wie Karzinogenität (Krebs verursachende Eigenschaften) bei Menschen sowie Toxizität bei Insekten und Amphibien. Gleichzeitig können aufgrund der Wiedergenehmigung von Glyphosat in der EU nun die einzelnen Mitgliedsstaaten binnen 15 Monaten entscheiden, ob sie die Zulassung fortführen. Der Europäische Gerichtshof hat dabei angemahnt, dass bei Zweifeln an der Sicherheit von Produkten keine Zulassung genehmigt werden sollte. (PAN Germany, 24.07.24, www.pan-germany.org) (tb)

 

Wissenschaft

Gene Drives erstmals bei Pflanzen

Forscher*innen des California Institute of Technology (Caltech) präsentierten im Juni 2024 in der Fachzeitschrift Nature Plants eine neue Methode, um versehentlichen Kreuzbefruchtungen vorzubeugen. Das sog. CLvR-Verfahren soll die erste gezielte Modifikation mit einer limitierten Vererbbarkeit für Folgegenerationen einer Pflanzenspezies sein. Dies soll die Ausbreitung der Pflanze über längere Zeit und größere räumliche Distanz beschränken. Neu dabei ist auch der Ansatz, Geschlechtszellen genetisch zu verändern. Hierbei überleben nur die Keimzellen, welche das mithilfe von CRISPR-Cas9 veränderte Genkonstrukt enthalten. Durch den Gene-Drive-Mechanismus werden dabei hauptsächlich die gewünschten Genmanipulationen vererbt. Hierbei wird die Mendelsche Vererbungslehre ausgehebelt und eine diverse Vererbung ausgeschaltet. (Science X Network, 19.07.24, www.phys.org; Testbiotech, 22.07.24, www.testbiotech.org) (tb)

Neues Werkzeug, neue Möglichkeiten

Forschende haben eine neue Methode entwickelt, um die DNA von Organismen weitreichend zu verändern. Im Juni 2024 veröffentlichten die Wissenschaftler*innen um Patrick Hsu der Universität Berkley in Nature einen Artikel, in dem sie ihre Technik zur Herstellung sog. programmierbarer Rekombinasen vorstellen. Dabei werden mobile genetische Elemente, hier die IS110-Sequenz, aus dem Genom von Bakterien genutzt, die selbstständig eine RNA mit Zielsequenz synthetisieren und mit dieser einen neuen Abschnitt in die DNA einbauen. Die Zielsequenz und weitere Teile dieser RNA können von den Wissenschaftler*innen manipuliert werden. Somit ist es möglich, künstliche lange DNA-Sequenzen in die DNA einzufügen, bestehende Sequenzen zu drehen oder herauszuschneiden. Momentan funktioniert die Methode nur bei E.coli -Bakterien, doch die Fachwelt spricht schon von einem „aufregenden Fortschritt“, der die Veränderung der DNA über die Möglichkeiten von CRISPR und Co. hinaus ermöglicht. (Nature, 26.06.24, www.doi.org/10.1038/s41586-024-07552-4) (jd)

 

Politik & Handel

CRISPR: Behörden sind sich uneinig

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) antwortete kürzlich auf eine Kritik an ihrer Einschätzung von Pflanzen aus neuer Gentechnik. Anfang des Jahres hatte die für Lebensmittelsicherheit zuständige französische Behörde ANSES den Verordnungsentwurf der EU-Kommission in einigen Punkten als wissenschaftlich nicht haltbar bezeichnet. Uneinigkeit besteht in der Annahme, dass Pflanzen, die an bis zu 20 Stellen im Genom durch Methoden der neuen Gentechnik verändert wurden, gleichzusetzen sind mit konventionell gezüchteten Pflanzen. In ihrer Antwort bekräftigte die EFSA, dass dieses Argument wissenschaftlich solide sei, ohne neue Belege dafür zu liefern. Zugleich stimmte sie der Kritik von ANSES zu, dass diese Anzahl von Veränderungen nichts über das Risiko aussage, das durch gentechnisch veränderte Pflanzen entstehen könne. In ihrem aktuellem Antwortschreiben erklärte die EFSA mehrfach, dass die im Verordnungsentwurf genannten Kriterien nicht dazu gedacht seien, Risikoniveaus zu definieren. (EFSA GMO Panel, 11.07.24, www.efsa.europa.eu) (jd)

NGT-Frage bleibt im EU-Rat umstritten 

Ein weiterer Versuch, im europäischen Rat eine gemeinsame Position bezüglich der Regulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik zu finden, ist gescheitert. Während EU-Kommission und -Parlament sich bereits auf einen Konsens geeinigt haben, ruft die Ungewissheit um die Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen im dritten europäischen Gesetzgebungsgremium kritische Stimmen hervor. Mit einer alternativen Patentregelung wollte die belgische Ratspräsidentschaft widerständige Mitgliedsstaaten zu einem mehrheitsfähigen Kompromiss bewegen, allerdings ohne Erfolg. Ab dem 1. Juli 2024 geht die Ratspräsidentschaft an das NGT-kritische Ungarn, das schon verlauten ließ, die Debatte um den Gesetzesentwurf der EU-Kommission in den kommenden Monaten neu anstoßen zu wollen. Anfang 2025 wird mit Polen ein weiteres Land die Führung im Rat übernehmen, das sich oftmals kritisch gegenüber den Bemühungen der EU-Kommission zur Deregulierung der neuen Gentechnik geäußert hat. (Informationsdienst Gentechnik, 10.07.24, www.keine-gentechnik.de) (psk)

CH: Transparenz bei Pflanzenzucht 

In der Schweiz hat der Bundesrat im Mai 2024 einen Entwurf zur Revision des nationalen Patentrechts in die Vernehmlassung geschickt. Dieser sieht die Einrichtung einer Clearingstelle vor, um die Transparenz bei den Patentrechten im Bereich Pflanzenzucht zu verbessern. Noch bis zum 12. September können Stellungnahmen eingereicht werden. Eine Online-Plattform soll es Züchter*innen ermöglichen, schnell und einfach zu überprüfen, ob eine Sorte von einem Patent betroffen ist. So kann festgestellt werden, ob eine Sorte patentiertes Merkmal enthält, bevor hohe Summen in die Entwicklung einer neuen Sorte investiert werden. Die Clearingstelle soll zwischen Patentinhaber*innen und Züchter*innen vermitteln. Künftig sollen erstere melden können, ob ihre Schutzrechte betroffen sind, und Züchter*innen können die Sorten, mit denen sie züchten wollen, auf der Plattform publizieren. Verantwortlich für die Clearingstelle soll das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) sein. Die Änderung des Schweizer Patentrechtes löst jedoch weder das grundsätzliche Problem der Patentierung von Tieren, Pflanzen und Saatgut noch regelt es den Umgang mit geneditieren Organismen. Dies wird in erster Linie im europäischen Patentrecht geregelt werden müssen. (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), 22.05.24, www.news.admin.ch) (gp/tp)

 

Konzerne

Klagen gegen Gentech-Firma 

Das für seine Gentechnik-Produkte bekannte US-amerikanische Unternehmen Cibus Inc. wird derzeit wegen Täuschung von Investor*innen juristisch untersucht. Zuvor hatte Bonitas Research einen Forschungsbericht veröffentlicht, der bemägelt, „dass die Gen-Editierungstechnologie von Cibus keine wünschenswerten neue Nutzpflanzen auf den Markt bringen.“ Demnach muss sich das Unternehmen gegen Anschuldigungen rechtfertigen, die Investor*innen seien mittels überbewerteter Behauptungen zu GVO-Produkten von Cibus Inc. getäuscht worden. Das Biotech-Unternehmen ist eine Fusion von Cibus und Calyxt Inc.. Dabei handelt es sich um die einzigen beiden Unternehmen, die bis vor kurzem tatsächlich geneditierte Produkte vermarktet haben: ein herbizidtolerantes Rapsöl und eine Sojabohne mit verändertem Fettprofil. Diese Errungenschaften brachten das Unternehmen erst vor wenigen Monaten auf eine prestigeträchtige Liste der weltweit innovativsten Unternehmen des Jahres 2024 des US-Medienunternehmens Fast Company & Inc. Mit den anstehenden Klagen verschiedener US-amerikanischer Anwaltskanzleien könnte sich das Blatt für den Biotech-Vorreiter wenden. (Bonitas Research, 04.06.24, www.bonitasresearch.com; Block&Leviton LLP, 10.06.24, www.globenewswire.com) (psk)

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
270
vom August 2024
Seite 26 - 27

GID-Redaktion

zur Artikelübersicht

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht