Rezension: Gemeinsam für das Leben
Ökofeminismus: Zwischen Theorie und Praxis von Lina Hansen und Nadine Gerner
© Unrast
Lina Hansen und Nadine Gerner beleben Ökofeminismus neu. Mit ihrer Einführung zeigen sie: Er hilft uns, aktuelle Krisen zu verstehen, in Zusammenhang zum patriarchalen, neokolonialen, ökozidalen Kapitalismus zu setzen und Kämpfe zu verbinden. Ihr Buch beginnt bei den Wurzeln ökofeministischer Bewegungen in den 1970er Jahren, wie der indischen Chipko-Bewegung zum Schutz von Wäldern und der internationalen Kampagne „Lohn für Hausarbeit“. Ausgehend davon nähern sich Hansen und Gerner im zweiten Kapitel der Theorie an: Was verbindet die Beispiele? Welche Fragen beleuchtet der Ökofeminismus? Welche Strömungen gibt es? Das dritte Kapitel stellt bestimmte Positionen dar, die sich kurz und prägnant lesen wie ein FAQ. Darin grenzen die Autorinnen ihr Verständnis von Ökofeminismus etwa gegen liberalen Feminismus, Essentialismus und dominante Nachhaltigkeitsdiskurse ab – und wagen sich auch ans Thema Reproduktionstechnologien. Es wird deutlich: Ihr Ökofeminismus ist intersektional, dekolonial, queer, radikal. Auf dieser Basis folgen eine Gesellschaftskritik und Vision, die in ihrer Breite und Dichte beeindrucken – was im Einzelnen zulasten der Tiefe geht. Das Ende führt zurück in die Praxis: zu heutigen Initiativen und Bewegungen, die für das Leben kämpfen – ganz im Sinne des Ökofeminismus. Die Lektüre bietet Interessierten einen sehr guten Einstieg und Engagierten einen Bezugsrahmen. Durch ihre behutsame, anschauliche und teils spielerische Erzählweise tragen Hansen und Gerner für die Vielfalt und Komplexität des Themas Sorge und haben mich als Leserin oft berührt. Sie ermutigen dazu, eigene Anknüpfungspunkte zu suchen und gemeinsam zu „verLernen“. Und wenn wir der Vordenkerin Maria Mies glauben, dass Bücher wie Samenkörner sind, dann dürfte aus diesem etwas Prächtiges wachsen.
Hansen, L. / Gerner, G. (2024): Ökofeminismus: Zwischen Theorie und Praxis. Eine Einführung. Unrast Verlag, 300 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-89771-379-6.
Laura Theuer ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising beim Gen-ethischen Netzwerk e. V.
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