In Bewegung
Das GeN bei Wir haben es satt! – Demo, Vortrag, Workshop
Alle Jahre wieder versammeln sich tausende von Menschen in Berlin, um für eine andere und zukunftsfähigere Landwirtschaft zu demonstrieren. Am 18. Januar 2025 fand die 15. Wir haben es satt!-Demonstration mit dem Titel „Wer profitiert hier eigentlich?“ statt. Das GeN-Team, ausgestattet mit Flyern und mobilem Informationsstand via Lastenrad, war Teil der Menschenmenge. Wir nutzten den Moment, um auf die drohende Deregulierung der neuen Gentechniken in der EU hinzuweisen, unser Netzwerk zu vergrößern und auf unsere finanzielle Notlage aufmerksam zu machen.
Im Anschluss an die Demonstration kehrten viele Menschen in die nahe liegende Heinrich-Böll-Stiftung ein, um sich bei Suppe und Kaffee mit Alternativen und Kritik am bestehenden Landwirtschaftssystem auf dem „Fest der Agrarwende“ auseinanderzusetzen. Wir durften dieses vielfältige und große Publikum nutzen, um in einem Kurzvortrag über die drohende Deregulierung der neuen Gentechniken aufzuklären und aktuelle Handlungsmöglichkeiten vorzustellen. Im Anschluss wurde im Workshop „Gentechnikfreiheit erhalten“, der vom GeN zusammen mit dem BÖLW und der AbL durchgeführt wurde, zum selben Thema weiter diskutiert. An die 30 Personen nahmen an dem Workshop teil. Alles in allem ein sehr erfolgreicher Tag.
Differenzierte Debatten statt Beharren auf Positionen
Bereits im vorletzten Jahr hatte der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF) e.V. dem Thema Reproduktionsmedizin einen Fachtag gewidmet, am 1. November 2024 legte der AKF im Hygienemuseum Dresden mit einer Aktualisierung nach: „Eizellspende und Leihmutterschaft – Wie geht es weiter nach dem Bericht der wissenschaftlichen Kommission?“. Nachdem Sigrid Graumann in Vertretung der leider spontan verhinderten Friederike Wapler einen Überblick und vor allem eine Einordnung des Kommissionsberichts vornahm, beleuchteten im Anschluss Expert*innen unterschiedlicher Disziplinen und Praxisfelder verschiedene Aspekte einer möglichen Legalisierung und der Debatte darum. Reproduktionsmedizinerin Monika Bals-Pratsch erläuterte, was aus ihrer beruflichen Perspektive im Kommissionsbericht fehlt, Gynäkologin Iris Hahn zeigte auf, inwiefern die tatsächlichen Belange von Kinderwunschpatient*innen und potenziellen Eizellspender*innen überhaupt berücksichtigt wurden und Sozialwissenschaftlerin Anne-Kristin Kuhnt widmete sich der etwas polemisch gestellten Frage, ob Reproduktionsmedizin eine demografische Notwendigkeit sei. Jonte Lindemann vom Gen-ethischen Netzwerk räumte mit dem Phantasma einer queeren Legalisierungslobby auf, während Humangenetikerin und Philosophin Sigrid Graumann die selektiven Aspekte der Reproduktionsmedizin kritisch beleuchtete. Höhepunkt war aber die abschließende Fishbowl-Diskussion, bei der die Referent*innen und Menschen aus dem Publikum sehr breit und differenziert diskutierten: Gibt es einen Erfüllungsanspruch beim Kinderwunsch? Dürfen Kinderwünsche bewertet werden? Wessen Rechte werden eigentlich mitgedacht? In vielen Punkten bestand Einigkeit, trotzdem wurde auch gestritten – aber stets konstruktiv und um Verständigung bemüht. Das formulierte Sigrid Graumann zum Schluss auch als Wunsch für die gesellschaftliche Debatte: es brauche mehr Differenziertheit, bei einem Beharren auf „platten Pro/Contra-Positionen“ könne man „nur verlieren“.
www.arbeitskreis-frauengesundheit.de
Gegen die Frustration – bestärkende Tagung
Am zweiten Novemberwochenende 2024 war es endlich so weit: die mittlerweile jedes zweite Jahr stattfindende Präsenztagung des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik und des Bündnisses gegen die Kassenzulassung des Bluttests auf Trisomien* (#NoNIPT) startete. Dieses Mal stand sie unter dem Titel „Mit zweierlei Maß!? Wie ableistische Strukturen unseren Blick auf Behinderung prägen.“ Gleich zu Beginn war Improvisationstalent gefragt – die Lesung von Rebecca Maskos aus „Bist du behindert oder was?!“ musste leider ausfallen. Das Orga-Team entschied sich, dennoch ein bisschen Werbung zu machen und stattdessen ihre Lieblingspassagen vorzustellen. Die Tagungsteilnehmenden zeigten sich glücklicherweise aufgeschlossen und diskussionsfreudig. Diese Atmosphäre sollte das gesamte Wochenende prägen: wohlwollend (auch in der Kritik) und an Austausch interessiert – ob jetzt bei den zahlreichen Vorträgen und Workshops oder abends in der Kneipe der Bildungsstätte. Gekommen waren ganz unterschiedliche Leute: solche, die seit Jahrzehnten zum Thema Behindertenrechte aktiv sind und schon viele Male bei der Tagung waren, ebenso wie solche, die zum allerersten Mal dabei waren. Menschen, die selbst behindert sind, Elternvertreter*innen, Personen, die sich beruflich mit Pränataldiagnostik beschäftigen und andere, die sich politisch oder künstlerisch mit dem Thema auseinandersetzen. Die Frustration über die verschobene Abstimmung zum NIPT-Monitoring, die Tatsache, dass behindertenpolitische Themen mal wieder nicht „wichtig genug“ waren, das alles war wenige Tage nach dem Ampel-Aus sehr präsent. Trotzdem wurde in den Arbeitsgruppen und Diskussionen deutlich, dass Menschen weiter kämpfen wollen – gemeinsam. Besonderen Mut machte auch die Teilnahme einer jungen Filmemacherin, Marie Anhut, die spontan ihren Kurzfilm zeigte – sichtbare Kritik an selektiver Pränataldiagnostik wird es also auch in Zukunft geben. Zusammenkommen, ein wenig schimpfen, gemeinsam weiterdenken, sich bestärken – das war die Essenz der Tagung.
www.nonipt.de/aktivitaeten/unsere-netzwerktagung-…
GeN-Workshop: Politische Vernetzung
Thomas Bless vom GeN leitete im November 2024 einen Workshop mit dem Titel „Politische Vernetzung“ im Rahmen der Ringvorlesung „Zukunftsfähige Landwirtschaft“ an der Universität Halle. 17 Student*innen aus dem Bachelorprogramm nahmen an der Veranstaltung teil. Thomas Bless stellte den Teilnehmenden eine Auswahl an unterschiedlichen Verbänden und Organisationen vor, die im weiten Themenfeld Landwirtschaft aktiv sind. Dabei machte er deutlich, wie wichtig es ist, sich die Hintergründe und die Finanzierung der Organisationen gut anzuschauen, um ihre Standpunkte sinnvoll einordnen zu können. In einem folgenden Rollenspiel zu der Frage, welche Gesetze für die neuen Gentechniken gelten sollen, wurden die Teilnehmenden eingeladen, neue Positionen einzunehmen und den Sachverhalt zu diskutieren. Die Student*innen nahmen diese Einladung sehr positiv an und diskutierten lebhaft. Wir hoffen durch den Workshop zum kritischen Nachfragen und Denken beigetragen zu haben. Die Vorlesungsreihe „Zukunftsfähige Landwirtschaft“ wird von der Studentischen Förderinitiative der Naturwissenschaften e.V. organisiert.
www.landw.uni-halle.de/studium/wintersemester_/zu…
Nachruf: Susann Haltermann
Am 8. Dezember 2024 ist Susann Haltermann verstorben. Sie war eine Verbündete, ein Vorbild, eine Förderin – der das Gen-ethische Netzwerk (GeN) viel zu verdanken hat. Ihr Hauptengagement galt seit 2008, dem Gründungsjahr ihrer Stiftung GEKKO, Projekten, die sich für den Erhalt einer gentechnikfreien und ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft einsetzen. Neben der Bildungsarbeit und der Förderung öffentlichkeitswirksamer Informationskampagnen war Susanns zentrales Anliegen die Unterstützung einer von Konzerninteressen unabhängigen Risikoforschung im Bereich der Gen- und Biotechnologie.
Immer wieder und zuletzt durchgängig seit 2019 hat sie das GeN mit Förderungen, Expertise und ihrer optimistischen und zuversichtlichen Art unterstützt. Neben den gemeinsamen politischen Zielen, ging es ihr auch immer um die Menschen und wie wir gemeinsam ein besseres Leben und Arbeiten erreichen können. Nur Dank ihrer Förderung konnte das GeN 2023 in die Lause umziehen und sich einem längst überfälligen Strukturprozess annähern. Wir danken ihr für ihre Inspiration, ihre Unterstützung und ihre motivierende Art. Sie wird uns noch lange in Erinnerung bleiben!
GID-Redaktion