Kurz Notiert - Mensch & Medizin
Reproduktionsmedizin
ART erhöht möglicherweise Risiko für Herzfehler
Eine Registeranalyse aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden zeigt Hinweise für ein erhöhtes Risiko von Herzfehlern bei Kindern, die mithilfe assistierter Reproduktion (ART) zur Welt kamen. Andere Risikofaktoren, wie z. B. das Alter der Schwangeren, wurden in der Analyse berücksichtigt. Das erhöhte Risiko zeigte sich unabhängig von der konkreten Reproduktionstechnologie – also sowohl bei IVF, als auch bei Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion. Auch zwischen einem Frischtransfer und kryokonservierten Embryonen bestand kein signifikanter Unterschied. Lediglich bei Mehrlingsschwangerschaften zeigte sich ein nochmals erhöhtes Risiko. (Deutsches Ärzteblatt, 19.10.24, www.aerzteblatt.de; European Heart Journal, 26.09.24, www.doi.org/10.1093/eurheartj/ehae572) (jl)
Lebendgeburt nach Eizellreifung mit Stammzellen
Berichten zufolge ist ein erstes Kind mithilfe einer neuen Technologie zur Welt gekommen, bei der pluripotente Stammzellen zur Unterstützung der Heranreifung der Eizelle genutzt werden. Die In-Vitro-Maturation (IVM), eine Methode, bei der unreife Eizellen entnommen und außerhalb des Körpers kultiviert werden, galt bislang als wenig erfolgversprechend. Nun hat das US-amerikanische Biotechnologie-Start-up Gameto ein Verfahren entwickelt, bei dem aus menschlichen Stammzellen gewonnene Ovarian-Support-Cells (OSC) eine Eierstock-ähnliche Umgebung schaffen und die Heranreifung der Eizellen unterstützen. (BioNews, 06.01.25, www.progress.org.uk) (jl)
Genomforschung
CH: Genschere mit Nebenwirkung
Forschende an der ETH Zürich haben eine gravierende Nebenwirkung bei der Anwendung der Genschere CRISPR-Cas aufgedeckt. Um die Gen-Editierung mit dem CRISPR-Cas9-System effizienter zu machen, setzen Forschende seit Kurzem das Molekül AZD 7648 ein. Es soll den Reparaturvorgang einer Zelle starten. Zwar fördert dieses Molekül den Reparaturvorgang, doch bei einem erheblichen Teil der Zellen führt es zu unerwarteten großen Veränderungen des Genoms. Abertausende von DNA-Bausteinen wurden einfach gelöscht. Sogar ganze Chromosomenarme brachen weg. Dadurch wird das Genom instabil, mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die mit der neuen Technik editierten Zellen. Die Forschenden plädieren dafür, dieses Molekül nicht länger für die Gen-Editierung zu verwenden. Zurzeit wird es als mögliches Krebstherapeutikum klinisch geprüft. (ETHZ, 04.12.2024, www.ethz.ch; Nature, 24.10.24, 10.1038/s41587-024-02488-6) (gp/tp)
Genanalyse widerlegt Klischees
Ein internationales Forscher*innenteam, u. a. vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, hat genetische Untersuchungen an den durch Vulkanasche konservierten Leichen von Pompeji durchgeführt und Widersprüche zu vorherigen Annahmen gefunden. Einige der beim Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 n. Chr. Gestorbenen waren zuvor als biologische Familien oder Angehörige eines bestimmten Geschlechts gelesen worden. Bei einer Person mit goldenem Armreif, die ein Kind auf dem Schoß hatte, war z. B. vermutet worden, dass es sich um die Mutter des Kindes handelt. Nun stellte sich heraus, dass die Person zumindest genetisch männlich und biologisch nicht mit dem Kind verwandt war. Die Autor*innen wollen jedoch keine neuen, möglicherweise falschen Narrative entwerfen, sondern „zum Nachdenken über die Vorstellungen und Konstruktionen von Geschlecht und Familie (…) im akademischen Diskurs anregen“. (Cell, 07.11.24, www.doi.org/10.1016/j.cub.2024.10.007; ntv, 08.11.24, www.n-tv.de) (ib)
Datenschutz
USA: Klage gegen DNA-Datenbank
Die bei Hobby-Familienforscher*innen beliebte Online-Gendatenbank GEDMatch ist das Ziel zweier Sammelklagen, die Strafen in Milliardenhöhe nach sich ziehen könnten. Zum einen werfen Kläger*innen in Kalifornien der Eigentümerfirma Verogen vor, Daten von Nutzer*innen mit US-Strafermittlungsbehörden geteilt zu haben, auch wenn sie explizit widersprochen hatten. Genetische Daten sollen auch illegalerweise mit dem multinationalen Mutterkonzern Qiagen geteilt worden sein. Beide Klagen problematisieren zudem, dass Daten an Facebook weitergegeben werden. GEDMatch war 2010 von Hobby-Familienforscher*innen erstellt worden. 2019 kaufte Verogen, ein Unternehmen, das sich auf forensische Genetik spezialisiert hat, die Datenbank für rund 15 Mio. US-Dollar. 2023 kaufte Qiagen wiederum Verogen für 150 Mio. US-Dollar auf. (The DNA Geek, 22.11.24, www.thednageek.com) (ib)
Ausweitung polizeilicher DNA-Analysen
Die Innenminister*innen wollen in Deutschland die sog. biogeografische Herkunftsanalyse (BGA) legalisieren. Dies wurde auf der 222. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IKM) im Dezember beschlossen. 2019 war mit einer Neufassung des §81e die Vorhersage von Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie des Alters von unbekannten Spurenverursacher*innen erlaubt worden. Der Legalisierung ging eine intensive Debatte voraus, bei der Wissenschaftler*innen und u. a. das Gen-ethische Netzwerk (GeN) auf die Fehleranfälligkeit sowie auf die Gefahr des Pauschalverdachts gegenüber rassistisch diskriminierten Minderheiten hinwiesen. Die Vorhersage der BGA, der Herkunft der Vorfahren einer Person, war mit dieser Begründung daher nicht miterlaubt worden. (GeN, 14.11.19, www.gen-ethisches-netzwerk.de; IMK, o.D., www.innenministerkonferenz.de) (ib)
Behinderung
Überfällig: Anerkennung der Opfer der NS-Euthanasie
Am 29. Januar hat der Bundestag einstimmig die offizielle Anerkennung behinderter und psychisch kranker Menschen, die im Nationalsozialismus (NS) ermordet, misshandelt oder zwangssterilisiert wurden, als offizielle NS-Opfer beschlossen. Teil des von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP eingebrachten Antrags war auch eine Ausweitung von Forschung und Aufarbeitung in diesem Bereich. (Deutschlandfunk, 30.01.25, www.deutschlandfunk.de; Jüdische Allgemeine, 30.01.25, www.juedische-allgemeine.de)s (jl)
GID-Redaktion