Kurz Notiert: Mensch & Medizin

Schwangerschaft

Gesetzesnovelle: „Mutterschutz“ bei Fehlgeburten

Der Bundestag hat eine veränderte Regelung zum Mutterschutz beschlossen, die am 1. Juni 2025 in Kraft tritt. Demnach gilt der sogenannte Mutterschutz nun auch für Berufstätige, die nach der 12. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erlitten haben. Die bisherige Regelung sah vor, dass Schwangere sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und acht Wochen nach der Geburt nicht arbeiten müssen. Dieser Anspruch galt bisher nicht bei einer Fehlgeburt, auch ein Anspruch auf Krankschreibung bestand nicht, wenn die Fehlgeburt vor der 24. Woche geschah und der Fötus unter 500 Gramm wog. Mit der neuen Regelung greift der „Mutterschutz“ bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche, allerdings sieht die Regelung eine Staffelung vor: ab SSW 13 zwei Wochen, ab SSW17 sechs Wochen und ab der 20. SSW die vollumfänglichen acht Wochen. Der „Mutterschutz“ muss nicht in Anspruch genommen werden. Vorausgegangen war der Neuregelung eine Verfassungsbeschwerde dreier Frauen. (Deutsches Ärzteblatt, 05/2025, www.aerzteblatt.de; Deutschlandfunk, 14.02.25, www.deutschlandfunk.de) (jl)

 

Genomforschung

Lebenserwartung: Soziale Faktoren stärker als Gene

Eine britische Studie, für die Datensätze von über 500.000 Personen aus der UK-Biodatenbank ausgewertet wurden, zeigt, dass der Einfluss der Gene auf das erreichte Lebensalter und den Alterungsprozess deutlich geringer ist, als die Auswirkungen von Umwelteinflüssen und Lebenswandel, wobei einzelne Krebserkrankungen hier klare Ausnahmen bilden. Untersucht wurden genetische Risikofaktoren sowie 164 Umwelteinflüsse für 22 Krankheiten, die häufige Todesursachen darstellen. Neben dem Rauchen, das einen erheblichen Einfluss auf 21 der 22 untersuchten Krankheiten hatte, zeigten sich auch die Auswirkungen sozialer Ungleichheit sowohl bei der Lebenserwartung, als auch beim Alterungsprozess, welcher mittels einer Proteinbestimmung messbar gemacht wurde. Das Leben in einer Sozialwohnung war nach Datenlage mit sowohl einem höheren Sterberisiko als auch einem schnelleren Alterungsprozess assoziiert. Berufstätigkeit, körperliche Bewegung, ein höheres Einkommen, das Zusammenleben mit Partner*in sowie Weißsein zeigten sich als gesundheitsförderlich. (Deutsches Ärzteblatt, 19.02.25, www.aerzteblatt.de; Nature Medicine, 19.02.25, www.nature.com) (jl)

CAR-T-Zellen made in Germany

Nach einem fünfjährigen Umbau- und Zertifizierungsprozess dürfen in einem Labor der Universitätsklinik Köln nun Car-T-Zellen für Therapien bestimmter Krebserkrankungen sowie Studien hergestellt werden. Bei dem Verfahren werden körpereigene T-Zellen der Patient*innen genetisch so verändert, dass sie am Ende einen chimären Antigenrezeptor ausbilden. Die wieder in den Körper eingebrachten Car-T-Zellen sollen mit ihrem Rezeptor Krebszellen erkennen und die Immunzellen aktivieren, diese zu zerstören. Aktuell werden Car-T-Zellen von Pharmaunternehmen hergestellt, es gibt jedoch Herstellungsengpässe bzw. Planungsunsicherheiten bzgl. der Zeiten, bis die veränderten Zellen zurück zu Patient*innen gelangen, was die Therapie erschwert. Mit den in Eigenregie hergestellten Zellen macht sich die Universitätsklinik ein Stück weit unabhängig. Die Eigenproduktion stellt jedoch lediglich eine Ergänzung zu kommerziell hergestellten Car-T-Zellen dar, die auch weiterhin den überwiegenden Teil der in Köln eingesetzten Präparate ausmachen werden. (Deutsches Ärzteblatt, 05/2025, www.aerzteblatt.de) (jl)

Gentherapie verursacht zweite Krebserkrankung

Forscher*innen der Universitätskliniken Leipzig und Köln haben eine seltene, aber gravierende Nebenwirkung nach einer CAR-T-Zelltherapie bei einem 63-jährigen Patienten festgestellt, der ursprünglich wegen eines multiplem Myeloms behandelt wurde: neun Monate nach Abschluss der Therapie wurde bei ihm ein T-Zell-Lymphom entdeckt. In einer Fallstudie hat das Team sorgfältig untersucht, welche Faktoren zur Entstehung der zusätzlichen Krebserkrankung beigetragen haben. Hier zeigte sich, dass nicht nur aktuelle, mit der Therapie zusammenhängende, genetische Veränderungen, sondern ein Wechselspiel mit bereits früher vorhandenen Veränderungen der blutbildenden Zellen eine Rolle gespielt hat. Eingesetzt wurde sowohl Whole-Genome-­Sequencing, um genetische Veränderungen zu erkennen, als auch Einzelzell-RNA-­Sequenzierung zum Nachvollzug der Vorgänge in den Car-T-Zellen bzw. der Signalwege. Diese und weitere Fallstudien sollen dazu beitragen, Risikofaktoren für diese Nebenwirkung besser zu verstehen. (Informationsdienst Wissenschaft, 21.02.25, www.idw-online.de; Nature Medicine, 21.02.25, www.doi.org/10.1038/s41591-025-03499-9) (jl)

 

Datenschutz

ePA: Praktiker*innen fordern verlängerte Testphase

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich deutlich für eine erweiterte Testphase bei der elektronischen Patientenakte (ePA) ausgesprochen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern bezeichnete den bisherigen Verlauf der Testphase als desaströs. Vertreter*innen aus den Modellregionen berichteten neben technischen Schwierigkeiten, wie Problemen beim Zugriff auf bestimmte Akten, einer geringen Upload-Geschwindigkeit oder Schwierigkeiten beim Speichern von Widersprüchen, auch davon, dass ihre Einschätzung als Praktiker*innen nicht ausreichend Gehör finde. Zudem sei eine regelhafte und umfassende Testung der ePA in mehr als einem Drittel der Modellpraxen wegen technischer Probleme schlicht nicht möglich. In einem gemeinsamen Statement fordern sie, dass der bundesweite Roll-Out erst erfolgen könne, wenn Sicherheitslücken und technische Mängel behoben seien. (Deutsches Ärzteblatt, 07.03.25, www.aerzteblatt.de) (jl) 

USA: Gentest-Riese Pleite

23andme hat im März Insolvenz angemeldet. Die US-amerikanische Firma ist nach Ancestry DNA die größte Firma auf dem Markt für Gentests, die direkt über das Internet an Kund*innen vertrieben werden. Die bisherige Geschäftsführerin und Mitgründerin Anne 
Wojcicki trat von ihrem Posten zurück. Das Unternehmen befand sich bereits in einer Krise, als Ende 2023 die Daten von fast sieben der rund vierzehn Mio. Kund*innen gehackt wurden. Die Aktienwerte des Unternehmens sanken danach stark. Es soll nun verkauft werden – wer demnächst Zugriff auf die hochsensiblen Gendaten bekommt, ist also unklar. Der kalifornische Justizminister Rob Bonta veröffentlichte daher eine Warnung für Kund*innen von 23andme – inklusive einer Anleitung wie diese ihre Daten löschen können. Dies könnte jedoch nicht immer umsetzbar sein, denn das Unternehmen behält sich vor, die Löschung in einigen Fällen nicht vorzunehmen, z.B. wenn die Daten bereits für Forschungszwecke verwendet wurden. Rund 80 Prozent der Kund*innen von 23andme haben dieser Nutzung zugestimmt. (PM Rob Bonta, 21.03.25, www.oag.ca.gov; Netzpolitik, 25.03.25, www.netzpolitik.org) (ib)

Schweden: Verwandtensuche in Gendatenbank

Nach einer Entscheidung der schwedischen Regierung ist es der Polizei ab dem 1. Juli 2025 erlaubt, in kommerziellen DNA-Datenbanken nach Verwandten von Verdächtigen zu suchen. Schweden ist damit neben den Niederlanden und Großbritannien eines der wenigen Länder in Europa, in denen „forensische genetische Genealogie“ (FGG) legal ist. In den USA wird inzwischen routinemäßig durch Zugriff auf die Gendatenbank GEDMatch, die eigentlich der Hobby-Familienforschung dient, ermittelt. Sie wurde inzwischen zweimal verkauft – 2019 an Verogen, ein Unternehmen, das sich auf forensische Genetik spezialisiert hat und 2023 an den Biotech-Konzern Qiagen Verogen für 150 Mio. US-Dollar. Momentan laufen in den USA zwei Sammelklagen gegen GEDMatch aufgrund der Weitergabe von Daten ohne Zustimmung der Nutzer*innen. Auslöser für die Entscheidung in Schweden war ein ungeklärter Doppelmord von 2004 in der Kleinstadt Linköping, der nun durch die kontroverse Technologie neu aufgerollt werden soll. (SRF, 13.03.25, www.srf.ch) (ib)

CH: Leitlinien zur Weiterverwendung genomischer Daten

Die Schweizer Advisory Group für ethische, rechtliche und soziale Implikationen (ELSlag) hat für das Schweizer Netzwerk Personalisierte Medizin neue Leitlinien zur Weiterverwendung genomischer Daten von Personen veröffentlicht. Die Empfehlungen sollen dazu dienen, Anbieter*innen, Empfänger*innen und Verarbeitende von Proben oder Genomdaten zu unterstützen, die Regulierung der ständig weiterentwickelten Genomik-Technologie anzupassen. Vorderstes Ziel der Leitlinien sei es, Vertrauen in Wissenschaft und Forschung zu fördern, um auch sensible genomische Daten für medizinische Forschung außerhalb des eigentlichen Forschungsprojektes weiterverwenden zu können. Hierfür soll im Rahmen der Generaleinwilligung die Bedeutung der genomischen Forschung betont und möglichst detailliert über die Weiterverwendung der Daten informiert werden. Zudem sollen genetische Befunde mit Folgen für die Gesundheit der betroffenen Personen mitgeteilt werden, wenn sie klinisch relevant, ordnungsgemäß validiert und sowohl rechtlich als auch ethisch zulässig sind. (SPHN, 02/2025, www. sphn.ch) (gp/tp)

 

Reproduktionsmedizin

Repro-Mediziner*innen fordern Gesetzesänderungen

In einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, veröffentlicht auf der Internetpräsenz des Deutschen IVF-Registers (DIR), fordern mehrere Reproduktionsmediziner*innen eine Legalisierung von Eizell“spende“ und elektivem Single Embryo Transfer (eSET). Darin stellen sie den Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin als eindeutige Empfehlung der Legalisierung der Eizell“spende“ dar. Der eSET ist in vielen Ländern bereits Praxis, er minimiert das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften und damit assoziierten Beeinträchtigungen der Gesundheit von Schwangeren und Föten. Beim eSET wird, auch bei Vorliegen mehrerer geeigneter Embryonen, eine Auswahl anhand der Entwicklungschancen getroffen und lediglich einer eingesetzt. Derzeit verbietet das Embryonenschutzgesetz, mehr Embryonen zu erzeugen, als zu übertragen geplant sind. (DIR, 14.03.25, www.deutsches-ivf-register.de) (jl)

Genetische Erkrankung in utero behandelt

In den USA ist in einem experimentellen Verfahren erstmals eine Spinale Muskelatrophie Typ 1 (SMA1), auch Werding-Hoffman-Syndrom genannt, bereits pränatal behandelt worden. Bei SMA1 handelt es sich um eine seltene genetische neuromuskuläre Erkrankung, die meist bereits früh diagnostiziert wird – Neugeborene zeigen eine ausgeprägte Muskelschwäche sowie Schwierigkeit mit dem Atmen, Abhusten und Schlucken, die meisten werden nicht älter als zwei Jahre. Die zuständige US-Behörde FDA (Food and Drug Administration) hat nun in einem Einzelfall die pränatale Gabe eines Medikaments, das bisher nur für die Behandlung nach der Geburt zugelassen war, erlaubt. Die werdenden Eltern hatten dies beantragt, nachdem sie bereits ein Kind aufgrund von SMA1 verloren hatten und beim Fötus pränatal ebenfalls SMA1 festgestellt wurde. Die Schwangere nahm dafür täglich das Medikament Risdiplam ein. Bei der Geburt wies das Neugeborene keine Anzeichen einer Entwicklung von SMA1 auf, kam allerdings mit anderen Behinderungen zur Welt. Expert*innen sehen jedoch keinen Zusammenhang mit der Behandlung. (Nature, 20.02.25, www.doi.org/10.1038/d41586-025-00534-0; The Tartan, 16.03.25, www.the-tartan.
org) (jl)

UK: die meisten buchen IVF-„Extras“

Laut einer Patient*innenbefragung der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) nutzen beinahe zwei Drittel der IVF-Patient*innen sogenannte Add-ons, also zubuchbare Leistungen, neben der klassischen In-Vitro-Fertilisation. Neben Behandlungen, die das Gelingen der Schwangerschaft begünstigen sollen, wie zusätzliche Medikamente, Akupunktur oder der Einsatz bildgebender Verfahren, war vor allem im Bereich der Präimplantationsdiagnostik eine Zunahme zu verzeichnen. Tests auf Unregelmäßigkeiten der Chromosomenzahl waren von 7 Prozent in 2021 auf 13 Prozent in 2024 gestiegen. Die 1.500 Patient*innen wurden auch zur Risikoaufklärung befragt: lediglich 37 Prozent gaben an, von der behandelnden Klinik über Risiken von Zusatzbehandlungen aufgeklärt worden zu sein. (BioNews, 31.03.25, www.progress.org.uk) (jl)

Erschienen in
GID-Ausgabe
273
vom Mai 2025
Seite 8 - 9

GID-Redaktion

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