Rezension: Reproduktion und das gute Leben
Reproduktionstechnologien – Dienstleistung ohne Dienstleister?
Mit ihrem Sammelband wollen die Herausgeber*innen Claudia Wiesemann und Isabella Marcinski-Michel eine Lücke füllen: „[i]n der deutschsprachigen Medizinethik sind Forschungen zur Reproduktionsmedizin, die mit dem Konzept der Intersektionalität arbeiten, noch wenig verbreitet“, ebenso wie Reproduktive Gerechtigkeit.

Das Buch vereint also Beiträge aus Philosophie, Soziologie, Medizinethik und Gender Studies und stellt Fragen nach der Rolle von Reproduktion für das gute Leben. Dabei geht es auf vielfältige Weise um Ermöglichungspflichten des Staates und das Zustandekommen unserer Vorstellungen davon, was überhaupt ein gutes Leben ist. Diese Fragen werden immer wieder in den Kontext von Machtverhältnissen und gesellschaftlichen Normen gerückt. Im Fokus stehen dabei Zugang zu und Nutzung von Reproduktionstechnologien. Dabei bleiben die Beiträge aber größtenteils beim Erleben und den Perspektiven von Wunscheltern und unseren Vorstellungen von Familie. Die Gewinne von Klinikkonzernen oder die Frage, ob man mit dem gesundheitlichen Risiko etwa von Eizell“spender*innen“ Geld machen darf, bleiben leider unterbeleuchtet. Intersektionalität als Rahmen schafft eben nicht automatisch eine umfassende kritische Betrachtung von Machtverhältnissen. Erst recht nicht, wenn man einen erheblichen Teil von assistierter Reproduktion außerhalb des eigenen Analyserahmens belässt. Schade!
Marcinski-Michel, I./Wiesemann, C. (Hg.) (2024): Reproduktion und das gute Leben. Intersektionale Perspektiven. Transcript Verlag, 223 Seiten, Taschenbuch: 35,- Euro, ISBN: 978-3-83767-386-9, online kostenlos: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7386-9/reprod….
Jonte Lindemann ist Mitarbeiter*in des GeN und Redakteur*in des GiD.