Kurz Notiert: Landwirtschaft & Lebensmittel
Wissenschaft
Herausforderung Resistenzen
Trotz des stetigen Wissenszuwachses und neuer Methoden sind die biotechnologischen Erfolge in der Abwehr von Krankheitserregern durch Gentechnik bei Pflanzen sehr bescheiden. In einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Molecular Plant Pathology“ (MPP) diskutieren zwei Wissenschaftler*innen von der North Carolina State University und der Wissenschaftsabteilung des Unternehmens Syngenta die möglichen Ursachen. Nach 40 Jahren Forschung gibt es nur gentechnisch veränderte (gv) Papaya- und Kürbissorten mit einer Krankheitsresistenz, die als wirtschaftlich erfolgreich gelten. Die Autor*innen argumentieren, dass es weltweit nur eine Handvoll Organisationen gibt, die das notwendige wissenschaftliche, juristische und marketingtechnische Fachwissen und die finanziellen Mittel haben, um gv-Organismen erfolgreich zu entwickeln, durch Zulassungsprozesse zu bringen und zu vermarkten. Auf der biologischen Ebene identifizieren sie drei Herausforderungen: Erstens seien die Abwehrreaktionen in Pflanzen komplex und nicht verstanden. Zweitens erziele die konventionelle Pflanzenzüchtung gute Ergebnisse und findet Lösungen. Und drittens veränderten sich Krankheiten, die größeren Schaden verursachen, ständig. Bemühungen zur Herstellung von Resistenzen durch Gentechnik seien laut den Autor*innen nur gerechtfertigt, wenn konventionelle Ansätze nicht geeignet oder erfolglos sind, und in Fällen, in denen biotechnologische Ansätze realistisch erscheinen. (MPP, 19.03.25, www.doi.org/10.1111/mpp.70077) (jd)
Regulierung als Chance
Teile der Wissenschaft betrachten die gesetzliche Regulation von gentechnisch veränderten Organismen als Hürde um, eine Fülle an möglichen Produkten auf den Markt zu bringen. Forschende der University of Adelaide in Australien werben hingegen im Fachmagazin „the Plant Journal“ (TPJ) für einen positiveren Blick auf Regulierung. Die Autor*innen argumentieren, dass ein gesetzlicher Rahmen gewährleisten würde, dass neue Technologien sicher und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Daher spiele Regulation eine wichtige Rolle in Innovationsprozessen, denn sie förderten die Beteiligung der Öffentlichkeit und schafften Vertrauen in neue Technologien. In dem Übersichtsartikel geben die Wissenschaftler*innen einen knappen und selektiven Überblick über die aktuelle sozialwissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit der Regulierung von Gentechnologie. Sie stellen eine Anleitung für Naturwissenschaftler*innen vor, wie sie sich besser in Regulierungsprozesse einbringen können, und umreißen eine Reihe offener Fragen, um Wissenschaftler*innen zu ermutigen, diesen komplexen, sich schnell verändernden und wichtigen Bereich weiter zu untersuchen. (TPJ, 16.06.25, www.doi.org/10.1111/tpj.70277) (jd)
Nahrungsmittel
USA: CRISPR-Schweine kommen
Anfang Mai hat die US-Behörde für Lebensmittelsicherheit die Vermarktung von CRISPR-Schweinen in den USA als Lebensmittel genehmigt. Forscher*innen hatten die Schweine mittels CRISPR-Cas manipuliert und immun gegenüber dem PRRS-Virus (Porcine reproductive and respiratory syndrome) gemacht. Dafür wurde der Rezeptor in den Zellen der Schweine entfernt, über den das Virus die Zelle infizieren kann. Wissenschaftler*innen des Roslin Institute der Universität von Edinburgh (Schottland) hatten die Technologie entwickelt, und die britische, auf Tiergenetik spezialisierte Firma Genus vermarktet die Schweine. Das Fleisch wird wohl in 2026 auf den US-Markt kommen und nicht gekennzeichnet sein. Nach eigenen Angaben strebt Genus auch Genehmigungen in Mexiko, Kanada, Japan und China an – Länder mit einem hohen Absatz an Schweinefleisch aus den USA. Bisher gibt es sehr wenige gentechnisch veränderte (gv) Tiere, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind, da die Technologie komplex und teuer sowie in den meisten Ländern streng reguliert ist. Häufig zahlt sich der Aufwand daher nicht aus, wie das Scheitern des gv-Lachses der Firma AquaBounty zeigt. (MIT Technology Review, 02.05.25, www.technologyreview.com; agrarheute, 06.05.25, www.agrarheute.com) (jd)
Risikodebatte
KI-Experiment gibt zu denken
Mit den richtigen Eingaben, kann eine öffentlich zugängliche KI (ChatGPT-4o) den Bauplan für eine insektengiftige CRISPR-Pflanze entwickeln, die aus der aktuell in der EU diskutierten angepassten Gentechnik-Regulation fallen würde. Die Vorschläge der EU-Institutionen sehen vor, dass Pflanzen, die an bis zu 20 Stellen auf der DNA mittels neuer Gentechnikverfahren verändert wurden, ohne Risikoprüfung auf den Markt kommen können. Die drei Gentechnik-kritischen Organisationen Testbiotech, Aurelia Stiftung und Save Our Seeds zeigten in einem Proof-of-Concept-Experiment, dass Pflanzen mit Veränderungen, die unter diese Grenze fallen, entwickelt werden können und dringend auf ihre Biosicherheit untersucht werden müssen. Den Organisationen zufolge muss bei einer Insektengiftigkeit ausgeschlossen werden, dass diese Nicht-Zielorganismen schädigt oder Nahrungsnetzte und Ökosystemfunktionen beeinträchtigt. Somit zeige das Experiment laut Testbiotech, dass die möglicherweise künftig geltende Regulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik unzureichend und bereits jetzt überholt sei – und deshalb zurückgezogen werden müsse. (Testbiotech, 27.05.25, www.testbiotech.de) (jd)
Anbau & Pestizide
CH: Bundesgericht stärkt Schutz für Artenvielfalt
Der Chemiekonzern Syngenta Agro AG wollte die Zulassung eines Insektizids mit dem Wirkstoff Tefluthrin zur Anwendung auf weitere Pflanzenarten ausdehnen – darunter Getreide, Mais und Chicorée. Damit wäre der Einsatz auf mehr Flächen möglich geworden, mit entsprechend größeren Gefahren für die Umwelt und insbesondere die Biodiversität. Bereits 2020 hatten die Zulassungsbehörden grünes Licht für die Ausweitung gegeben. Seit 2012 verfügt Syngenta mit Sitz im aargauischen Stein über die Bewilligung für das Insektizid, die sich bisher allerdings auf den Einsatz bei Futtermitteln und Zuckerrüben beschränkte. Gegen die geplante Ausweitung reichte Greenpeace Schweiz eine Verbandsklage ein und zog bis vor das Bundesgericht – mit Erfolg. Das höchste Schweizer Gericht urteilte, dass die Risiken eines erweiterten Einsatzes nicht ausreichend geprüft worden seien. Unter anderem seien die Auswirkungen des Insektizids auf Gewässer und Insekten ungenügend abgeklärt. Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen wird aufgefordert, den Wirkstoff einer detaillierten Risikoprüfung zu unterziehen. (Greenpeace Schweiz, 12.06.25, www.greenpeace.ch) (gp/tp)
Politik & Handel
EU-Deregulierung nicht vereinbar mit internationalem Recht
Die Deregulierungspläne der EU-Kommission zu neuer Gentechnik (NGT) verstoßen gegen das „Cartagena-Protokoll über Biologische Sicherheit“. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Völkerrechtlerin Silja Vöneky und Kolleg*innen im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Das Cartagena-Protokoll ist ein international verbindliches Abkommen, das die biologische Vielfalt schützt, indem es Regeln für den sicheren Transport von „lebenden veränderten Organismen“ (LMO) über Landesgrenzen hinweg festlegt. Das Cartagena-Protokoll gilt in 173 Staaten. Laut dem Rechtsgutachten wird der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung den verbindlichen Anmelde-, Mitteilungs- und Kennzeichnungspflichten des Cartagena-Protokolls nicht gerecht. Denn Pflanzen, die laut dem Vorschlag in die Kategorie „NGT-1“ fallen würden, weil sie mittels neuer Gentechnik an bis zu 20 Stellen auf der DNA verändert wurden, müssen möglicherweise nicht gekennzeichnet werden. Da laut dem Gutachten die neuen Gentechniken als „moderne Biotechnologie“ einzustufen sind und diese Pflanzen daher unter die Definition des Cartagena-Protokolls von LMOs fielen, müssten diese Pflanzen laut Protokoll bis zum Endprodukt gekennzeichnet werden. Zudem würden sie einer Anmelde- und Mitteilungspflicht unterliegen. (BMEL, 15.04.25, www.bmleh.de; VLOG, 12.05.25, www.ohne-gentechnik.de) (jd)
NO: Risikoprüfung und Kennzeichnung für neue Gentechnik
Das Norwegische Parlament hat mit großer Mehrheit Änderungen am nationalen Gentechnikgesetz beschlossen. Das Gesetz wird am 1. Oktober 2025 in Kraft treten. Die Änderungen sollen Forschung und Innovation ermöglichen, aber die Eckpfeiler der bestehenden Gesetzgebung beibehalten. Konkret bedeutet dies, dass alle gentechnisch veränderten Organismen (GVO) einer unabhängigen Risikobewertung unterzogen werden müssen, bevor sie in die Umwelt freigesetzt werden dürfen. Dies gilt auch für Feldversuche. Alle GVO müssen gekennzeichnet und rückverfolgbar sein, damit die Erzeuger*innen und Verbraucher*innen entscheiden können, ob sie die Produkte nutzen oder nicht. In die Bewertung der Anträge zum Inverkehrbringen und Anbau von GVO sollen der mögliche Nutzen der GVO für die Gesellschaft und eine nachhaltige Entwicklung miteinfließen. Ein wichtiger Vorbehalt besteht noch, denn Norwegen ist zwar nicht Teil der EU, aber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums – und somit verpflichtet, einer möglichen Änderung der EU-Definition von GVO zu folgen. (Stortinget, 13.05.25, www.stortinget.no; GMWatch, 05.06.25, www.gmwatch.org) (jd)
UK: Verordnung ohne Vorsorge
Das britische Parlament hat die Durchführungsverordnung zu dem 2023 beschlossenen Gesetz über die neuen Gentechniken (NGT) verabschiedet. Diese soll im November dieses Jahres – nach der Meldung an die Welthandelsorganisation – in Kraft treten. Die Verordnung war nötig, da das Gesetz zu NGT-Pflanzen viele Details offenließ. Durch die Verordnung ist unter anderem festgelegt, dass Produkte aus NGT-Pflanzen nicht gekennzeichnet werden müssen. Stattdessen wird es ein Register für diese Pflanzen sowie Produkte mit deren Inhaltsstoffen geben. Eine Risikoprüfung ist nicht erforderlich. Die NGT-Pflanzen müssen zwar angemeldet werden und die Unternehmen darlegen, dass sie mögliche negative Veränderungen der Organismen untersucht haben. Diese Informationen werden von staatlicher Seite jedoch nur entgegengenommen und nicht geprüft. Das System basiere „auf Selbstzertifizierung“ kommentierte die Organisation Beyond GM. (UK Legislation, 13.05.25, www.legislation.gov.uk, Informationsdienst Gentechnik, 05.06.25, www.keine-gentechnik.de) (jd)
Patente
Mit vereinten Kräften gegen Patente auf Pflanzen
Ein neues Bündnis aus landwirtschaftlichen und kirchlichen Initiativen hat sich zusammengefunden, um eine umfassende Einschränkung der Patentierung von biologischem Material für die Pflanzenzüchtung zu fordern. Unterzeichner*innen des Positionspapiers sind neben ökologischen Verbänden wie Bioland auch der Deutsche Bauernverband und der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter. Damit einigten sich Organisationen, die sonst häufig unterschiedliche Standpunkte vertreten, auf eine gemeinsame Forderung. Das neue Bündnis fordert ein vollständiges Verbot von Patenten auf Pflanzen und ihre Eigenschaften, die in der Natur vorkommen, dort vorkommen könnten oder zufällig entstanden sind. Dies schließt neben Produkten der Zufallsmutagenese auch Produkte aus Verfahren der Genomeditierung und der markergestützten Selektion ein. Zudem wird eine generelle Ausnahme für die Züchtung von Pflanzen vom Patentrecht vorgeschlagen. Der Verein Keine Patente auf Saatgut! unterstützt die Kernforderungen des Positionspapiers, hätte aber weitere Präzisierungen befürwortet und verzichtete deswegen auf die Unterzeichnung. Die Hoffnung des neuen Bündnisses ist es, mit dem Papier, die laufenden Verhandlungen in der EU zur Regulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik zu beeinflussen (siehe Seite 22). In den Verhandlungen ist das Thema Patente ein wichtiger Streitpunkt. (Bioland, 13.06.25, www.bioland.de; Keine Patente auf Saatgut, 18.06.25, www.no-patents-on-seeds.org) (jd)
GID-Redaktion