Agrofuels - grünes Gewissen für Autofahrer?

Ethanol aus pflanzlichen Rohstoffen ist ein Schlager im Energie-Konzert

Die Beimischung von Agrar-Treibstoffen zu fossilem Diesel und Benzin ist politsch gewollt. Unternehmen erweitern ihre Kapazitäten aufgrund der zu erwartenden Nachfrage. Ein nachhaltiges Konzept beziehungsweise eine Prüfung, welcher Bedarf gedeckt werden kann, fehlen bisher.

Wer sein Geld mit Börsenspekulationen verdient, kommt am Alkohol momentan nicht vorbei. Die Prognosen der Erdölkonzerne über rückläufige Ölvorkommen und die Bedrohung durch den Klimawandel haben Agro-Ethanol auf dem Börsenparkett zu einem Erfolgsschlager werden lassen. Dass dieser Erfolg nicht nur eine Spekulationsblase ist, belegt unter anderem die in Mexiko als Tortillakrise beschriebene Verknappung an Mais. Mexiko, dass nur etwa zwei Drittel des benötigten Mais selbst produziert, ist auf Importe aus den USA angewiesen. Der großtechnische Einstieg der US-Amerikaner in die Ethanolproduktion lässt die Maisbestände schwinden und die Preise ansteigen.

Erneuerbare Energien politisch gewollt

Der Ethanolboom beschränkt sich alledings nicht allein auf die USA, die beabsichtigen auf diese Weise von Ölimporten unabhängiger zu werden. Auch in Europa sind im vergangenen Jahr ehrgeizige Ziele für den Einsatz biogener Treibstoffe formuliert worden. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien an den getankten Kraftstoffen bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu steigern. In Deutschland sollen die erneuerbaren Energien nach dem Willen der Bundesregierung im Jahr 2020 einen Anteil von 14 Prozent bei der Erzeugung von Wärme, 17 Prozent bei Kraftstoffen und 27 Prozent bei Strom erlangen. Um diese Ziele erreichen zu können, legte die Bundesregierung verschiedene Förderprogramme auf. Eines der erfolgreichsten dürfte das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) sein, dass einen festen Vergütungssatz auf Strom aus alternativen Energiequellen garantiert. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte soll auch das Anfang diesen Jahres in Kraft getretene Biokraftstoffquotengesetz werden. Das Gesetz regelt die Mindestbeimischung von Agrar-Kraftstoffen zu Benzin und Diesel.(1)

Alkohol vom Acker

Derzeit sind Biodiesel und Bioethanol als Biokraftstoff erhältlich. Während Agro-Diesel durch einen chemischen Prozess (Umesterung) aus Raps- und Sojaöl gewonnen wird, entsteht Agro-Ethanol durch die Vergärung von Zucker in Alkohol und die anschließende Destillation. Die längste Tradition beim Einsatz von Ethanol zum Betanken von Fahrzeugen hat Brasilien, wo schon seit vielen Jahrzehnten aufgrund der Ölknappheit Ethanol aus Zuckerrohr gewonnen und genutzt wird. In den USA wird dagegen vor allem Mais als Ausgangssubstrat eingesetzt, während in Europa aufgrund anderer Böden und klimatischer Bedingungen hauptsächlich Weizen, Roggen, Triticale und Zuckerrüben Verwendung finden. Anders als bei Zuckerrohr und Zuckerrübe ist im Getreide kaum Zucker enthalten. Es ist daher in einem ersten Schritt notwendig die enthaltene Stärke in Zucker umzuwandeln. Hierfür werden die Körner gemahlen und mit dem Enzym Amylase versetzt. Die Verfahrensbedingungen, insbesondere die Temperaturen zwischen 40 und 160 Grad, unter denen der Verzuckerungsprozess abläuft, sind entscheidend für die verwendeten Enzyme. Bisher sind die Enzyme eine Art Zutat, die separat hergestellt wird. Allerdings strebt der Saatgutkonzern Syngenta derzeit in den USA eine Zulassung für eine gentechnisch veränderte (gv) Maissorte (in Fachkreisen unter dem Kürzel „3272“ bekannt) an, die selbst eine hitzebeständige Amylase produziert. Über diesen Antrag, der beim US-Landwirtschaftsministerium liegt, ist bisher noch nicht entschieden worden und es ist nicht klar, ob dies in diesem Jahr noch geschehen wird. In eher allgemeinen aber hohen Tönen wird zudem die Bedeutung der Gentechnik für die zukünftige Steigerung des Ertrages beim Mais hervorgehoben. So äußerte zum Beispiel Bill Niebur, der Vizepräsident für genetische Forschung und Entwicklung des US-Agrarmultis Dupont (Pioneer), dass neue transgene Linien eine Schlüsselrolle spielen werden, um den durch die Ethanol-Nachfrage rapide steigenden Bedarf an Mais zu stillen. (Siehe dazu auch den Artikel von Martha Mertens “Transgener Mais in der Pipeline”, Seite 7-10 in diesem Heft.)

Zucker zu Alkohol

Auf die Verzuckerung der Stärke folgt der eigentliche Gärprozess und die Destillation. Neben Ethanol entsteht eine hochwertige so genannte Schlempe. Diese hat einen hohen Gehalt an Eiweiß und kann in getrocknetem Zustand als Tierfutter verkauft werden. Eine zweite Verwendungsmöglichkeit ist die Abtrennung der festen Bestandteile zur direkten Tierfütterung. Der als Dünnschlempe bezeichnete Rest kann dann als Ausgangssubstrat für Biogasanlagen dienen.(2) In Deutschland gibt es derzeit drei großindustielle Ethanolanlagen mit einer Gesamtproduktionskapazität von fast 500.000 Jahres-Tonnen (JT) Ethanol:
• CropEnergies (Zeitz, Sachsen-Anhalt): zirka 205.000 JT Produktionskapazität • NBE (Schwedt, Brandenburg): zirka 200.000 JT Produktionskapazität • MBE (Zörbig, Sachsen-Anhalt): zirka 80.000 JT Produktionskapazität.
In Bau sind derzeit eine Anlage der Firma fuel21 in Klein Wanzleben mit einer Gesamtkapazität von 130.000 Jahres-Tonnen und von Danisco in Anklam mit einer Kapazität von zirka 350000 JT. CropEnergies plant eine Aufstockung der Kapazität um weitere 80.000 Jahres-Tonnen. Die Investoren sind alle keine Neueinsteiger. So ist CropEnergies eine Tochter der Südzucker AG. NBE und MBE gehören zur Verbio AG. Auch die im Bau befindlichen Anlagen gehören zu bekannten Unternehmen. Fuel21 ist eine 100-prozentige Tochter der Nordzucker und Danisco ist eine Ethanolfabrik auf dem Gelände der Zuckerfabrik Anklam. Während die Anlage der Danisco und die der fuel21 mit Zuckerrüben betrieben werden sollen, werden die drei anderen Anlagen, auch die der Südzucker, mit Getreide beschickt.(3) Aufgrund der riesigen Kapazitäten sind enorme Rohstoffmengen notwendig. Bei der Verbio AG versucht man die Rohstoffe, hauptsächlich Roggen, in einem Radius von 100 Kilometern um das Werk beziehen zu können. Dabei liegt es im Interesse der Unternehmen möglichst langfristige Lieferverträge mit der Landwirtschaft zu machen. Im Gegensatz zur Biogasbranche, wo Rohstofflieferverträge von zehn Jahren keine Seltenheit sind, werden die Verträge mit den Getreidelieferanten aber in der Regel nur für kurze Zeiträume, bis zur kommenden Ernte, geschlossen. Grund hierfür ist, dass Getreide an der Börse notiert ist und weltweit gehandelt wird. Insgesamt benötigt die Verbio die Ernte von 200.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Grundsätzlich geht man bei Getreide von einem Ertrag von 2.560 Litern Ethanol je Hektar und Jahr aus.(4)

Keine Chance für dezentrale Lösungen

Derzeit werden vor allem Großanlagen geplant und realisiert. Völlig außer Acht gelassen werden in der aktuellen Förderpolitik und Investitionstätigkeit die vielen kleinen und mittelständischen Brennereien, die es heute noch über das ganze Land verteilt gibt. Sie sind dezentral in der ländlichen Region verteilt und haben damit den enormen Vorteil kurzer Transportwege. Dies gilt sowohl für die Transporte der Rohstoffe zur Brennerei als auch für die Reststoffe, die entweder als Futter oder als Dünger zu den Landwirten transportiert werden müssen. Darüber hinaus schaffen mittelständische Brennereien deutlich mehr Arbeitsplätze und gewährleisten in der Regel eine regionale Wertschöpfung. Vor allem die Mineralölwirtschaft boykottiert aber im Moment dezentrale Strukturen. Sie möchte große Mengen von einem Lieferanten.

Agro-Ethanol - eine sinnvolle Alternative?

Die Confédération Paysanne, eine große Bauernorganisation in Frankreich, kritisiert den Begriff und die Produktion von Biofuels (Biokraftstoffen). Der Name, so die Organisation, sei irreführend, denn weder der landwirtschaftliche Anbau noch die industrielle Nutzung hätten auch nur entfernt mit biologischer Produktion zu tun. Vielmehr würde durch die großen Ethanolanlagen die Industrialisierung der Landwirtschaft weiter vorangetrieben. Auch in der deutschen Öffentlichkeit, so der Eindruck, schaffen die Begriffe Bioethanol und Biodiesel ein grünes Gewissen.(5) In der Diskussion geht es vor allem darum, wie schnell und wie viel Treibstoff auf dem Acker hergestellt werden kann. Dabei kommen alle Studien zu dem Ergebnis, dass die Menge an Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen nie ausreichen wird, um den heutigen Erdölbedarf auch nur annähernd zu ersetzten. Wenig beachtet wird in der aktuellen Debatte auch die unterschiedliche Effizienz der verschiedenen energetischen Nutzungen landwirtschaftlicher Ernteprodukte. (6) Diese kann zum Beispiel in Kilojoule je Hektar angegeben werden. Biogene Treibstoffe sind hier bei weitem nicht die energetisch sinnvollste Verwertung. Bisher ist Biogas unschlagbar, insbesondere wenn es gelingt sowohl Wärme als auch Strom zu nutzen. Aber selbst wenn die Wärme, die zwei Drittel der Energie ausmacht, ungenutzt bleibt, hat Biogas eine höhere Energieeffizienz als die Biokraftstoffe. Allerdings kommen in manchen Regionen auch in Bezug auf die Nutzung des Biogases Zweifel auf, ob sich die Rohstoffe - in der Regel kommt in Deutschland Mais zum Einsatz - nachhaltig produzieren lassen.

Sind die Ziele erreichbar?

Die Politik hat dieses Manko der biogenen Treibstoffe ignoriert, als sie Anfang des Jahres das Biokraftstoffquotengesetz einführte. Bis zum Jahr 2010 muss die Gesamtquote an zu Benzin und Diesel beizumischendem Biodiesel und Bioethanol mindestens 6,75 Prozent betragen. Ein viel zu ambitionierter Ansatz, wie zum Beispiel der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung zu bedenken gibt. Um diesen Prozentsatz der Beimischung in Europa allein aus der europäischen Produktion zu gewährleisten, würde die gesamte derzeit verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche benötigt. Da selbstredend auch für die Nahrungsmittelproduktion Flächen benötigt werden, wäre man auf Importe von Getreide und Ölsaaten angewiesen. Diese Importe bringen aber ihrerseits ökologische, und nicht zuletzt auch soziale Probleme mit sich. Der Sachverständigenrat empfiehlt daher die Beimischungsquoten zu senken.(7) Dem Bauernverband geht diese Kritik zu weit. Er sieht im Anbau nachwachsender Rohstoffe eine große Chance die Einkommensmöglichkeiten für Landwirte zu sichern. Derzeit herrscht schon fast Goldgräberstimmung. Die Preise für Getreide waren selten so gut wie im Moment. Aber es gibt auch unter den Bauern warnende Stimmen. Der Einstieg von großen Kapitalgebern und Investmentfonds lassen keine Möglichkeit zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft warnt daher vor einer Situation, wie sie für US-amerikanische Bauern schon heute Normalität ist: der Bauer als Rohstofflieferant - ohne eine Beteiligung am finanziellen Erfolg in einem nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Markt.

  1. www.biokraftstoff-portal.de/data/File/Downloads/B….
  2. www.lab-biokraftstoffe.de.
  3. www.biokraftstoff-portal.de.
  4. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (www.biokraftstoffe.info/cms35/Bioethanol.837.0.ht….)
  5. Siehe dazu auch den Artikel „Transgener Treibstoff“ von Antje Lorch im GID 182.
  6. Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen „Klimaschutz durch Biomasse“ Seite 31.
  7. Das gesamte Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen vom 26.07.07 im Netz unter www.umweltrat.de/02gutach/sondergu.htm.
Erschienen in
GID-Ausgabe
183
vom August 2007
Seite 14 - 16

Marcus Nürnberger ist Redakteur der Unabhängigen Bauernstimme, im Netz unter www.bauernstimme.de.

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