Der Schatz im Boden
Mehr Bodenschutz für eine resiliente Landwirtschaft
Ackerböden stellen ein komplexes Ökosystem aus Pilzen, Pflanzen und Mikroorganismen dar. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise hat eine Vielzahl von Ansätzen zum Schutz von Wasserressourcen hervorgebracht. Insbesondere naturbasierte Lösungen haben sich als hilfreiche Strategien für die Klimaanpassung erwiesen.

Pilze haben eine positive Wirkung auf Boden und Pflanzengesundheit im landwirtschaftlichen System. Foto: gemeinfrei auf pixabay.com
Landwirtschaft musste sich seit jeher an Witterung und Klima anpassen. Landwirtschaftliche Praxis ist daher immer auch „Risikomanagement“. Doch die Dimension und Geschwindigkeit der Änderungen sind deutlich größer und unberechenbarer als in der Vergangenheit, das haben die letzten drei Jahre gezeigt. Für die Landwirtschaft wird es besonders wichtig, ja existenziell, Anpassungssysteme zu entwickeln (oder wieder zu entdecken), die eine Minimierung der Risiken durch den Klimawandel mit sich bringen.
Initiativen wie zum Beispiel die „Global Alliance for Climate-Smart Agriculture“1 setzen dabei überwiegend auf ein industrielles Agrarmodell und Gentechnik, statt auf ökologische Systeme. Das ist nachvollziehbar, da die Mitglieder mit der Förderung agrarökologischer Methoden ihren eigenen Geschäftsinteressen – z.B. Patentierung sowie Dünger- und Pestizidabsatz – schaden würden. Die Züchtung trockenheits- oder insektenresistenter Pflanzen mit Mitteln der Gentechnik wird dabei als Lösung angepriesen. Doch Trockenheits- oder Insektenresistenz sind Merkmale, die Pflanzen in direkter Interaktion mit ihrer Umwelt über mehrere Generationen ausprägen. Dabei sind sehr viele Gene beteiligt, die man noch gar nicht alle kennt, geschweige denn per Gentechnik schnell und zielgenau verändern könnte.
Die von der Bill & Melinda Gates Stiftung und Monsanto geförderte Initiative „Wassereffizienter Mais für Afrika“ (WEMA) galt beispielsweise als Vorzeigeprojekt der Climate-Smart Agriculture. Sie sollte Kleinbäuer*innen dabei helfen, sich mittels dürretoleranter Saatgutsorten an den Klimawandel anzupassen. Gefördert wurden allerdings vorwiegend Hybridmais und gentechnisch manipulierte Sorten. Dieses Hochleistungssaatgut benötigt viel Agrarchemie und kann nicht nachgezüchtet werden. Eine Analyse des „African Centre for Biodiversity“ verwies bereits 2015 auf den geringen Nutzen der neuen Sorten und warnte vor existenzgefährdenden Abhängigkeiten für die Kleinbäuer*innen, wie Verschuldung, dem Verlust ihrer traditionellen Sortenvielfalt sowie vor dem zunehmenden Einfluss von multinationalen Agrarkonzernen im afrikanischen Saatgutmarkt.2
Einzelne Gene in der DNA von Pflanzen zu manipulieren, verankert neue Eigenschaften deutlich weniger stabil als herkömmliche Züchtung, wo natürliche Selektionsprozesse entscheiden, wie das Erbmaterial auf die neue Kombination reagiert und die neuen Eigenschaften genetisch breiter verankert sind. Saatgut heterogener, samenfester Sorten ist genetisch deutlich breiter aufgestellt als die aktuell genutzten Hochleistungssorten und die einzelnen Pflanzen auf dem Acker variieren stärker. Dies bietet ein hohes Potenzial der Anpassung auf sich verändernde Umweltbedingungen, wie Dürre oder Nässe.
Klimaresilienz mit Bodenbiodiversität und Bioporen
Um Agrarökosysteme klimaresilient zu machen, ist es besonders wichtig, die schon lange verminderte Wasseraufnahme-, Speicher- und Filterfähigkeit landwirtschaftlich intensiv genutzter Böden zu beheben. Laut Umweltbundesamt haben in den letzten rund 40 Jahren die Bodenwasservorräte in Deutschland während der Vegetationsperiode mit signifikantem Trend abgenommen.3
Ausgelaugte, verdichtete Böden können Wetterextreme um ein Vielfaches weniger ausgleichen als Böden mit einem gesunden Bodengefüge. Eine Bodenstruktur, die gut Wasser speichern kann, – also eine Schwammstruktur – entsteht nur biologisch, über die Entwicklung von Bioporen durch Bodenorganismen. Technisch funktioniert das nicht. Um Wasser effizient zu speichern und an Pflanzen abgeben zu können, müssen Poren eine bestimmte Größenordnung aufweisen. Nicht zu klein und auch nicht zu groß. Um diese zu erreichen braucht man eine gute Humusversorgung und Nahrung für das Bodenleben. Wichtig sind weite Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, Untersaaten und eine hochwertige organische Düngung z.B. mit Qualitätskompost.4 Mineraldünger und Pestizide beeinträchtigen dagegen das Bodenleben. Der Ökolandbau hat hier schon lange Maßnahmen im Angebot, die den Zustand der Böden im Vergleich zu konventionell bewirtschafteten maßgeblich verbessern können. Ökologisch bewirtschaftete Böden zeigen daher eine Infiltrationsrate von 137 Prozent im Vergleich zu konventionellen Böden und können daher durchschnittlich doppelt so viel Wasser speichern.5 Dies liegt vor allem an einem höheren Humusgehalt im Boden und einer höheren biologischen Aktivität.6 Verglichen mit konventionellen Methoden führen agrarökologische Techniken auch zu signifikant höheren Kohlenstoffvorräten. Das Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) maß durchschnittlich 3,5 Tonnen pro Hektar mehr Kohlenstoff in ökologischen als in konventionell bewirtschafteten Böden.7
Pilze als Verbündete
Seit Anfang der 1990er Jahre nimmt die Forschung zu Mykorrhizapilzen kontinuierlich zu. Seit Anfang der 2000er Jahren wird diese Form der symbiotischen Beziehung zwischen dem Feinwurzelsystem von Pflanzen und Pilzen auch zu ihrer Wirkung auf Boden und Pflanzengesundheit im landwirtschaftlichen System erforscht.
So gut wie alle Verbesserungen, die uns mit Hilfe der (neuen und alten) Gentechnik versprochen werden, wie Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit, gegenüber Schadstoffen und Versalzung sowie Krankheiten und Schadorganismen, könnten wir heute schon im Ackerbau umsetzen, wenn wir die Symbiose, in der Mykorrhizapilze mit Pflanzen leben, besser nutzen würden. Die Mykorrhizabesiedlung verbessert die Pflanzengesundheit durch Verbesserung des Nährstoffstatus und optimiert in der Folge die ökologischen Leistungen des Agrarsystems.8 Mykorrhizapilze stabilisieren nicht nur Bodenaggregate und verhindern Bodenerosionen, sie unterbinden im Zusammenspiel mit anderen Bodenorganismen auch die Ansiedlung von Krankheitserregern an den Wurzeln, verbessern die Nährstoffaufnahme von Pflanzen entschieden und sorgen für eine verbesserte Widerstandsfähigkeit gegenüber Wasserstress.9
Schon lange ist allerdings auch bekannt, dass Mineraldünger und Pestizide Mykorrhizapilzen schaden.10 Das überaus effiziente Zusammenspiel zwischen Pilz und Wurzel wird gestört und die Nährstoffaufnahme dadurch verschlechtert. Es kommt zu einer sehr einseitigen stickstoffbetonten Pflanzenernährung, die die Pflanze anfällig macht, was die (falsche) Reaktion bedingt, sogenannte Pflanzenschutzmittel – also Biozide – einzusetzen, die das Ökosystem und das Bodenmikrobiom umso mehr stören.11 Wir wären viel besser dran, die naturbasierten Lösungen zu nutzen, statt unsere Fehler mit Technik zu kompensieren.
Schwammlandschaften schaffen
Dürren und Wasserknappheit müssen angegangen werden, solange es noch möglich ist, das von unseren Süßwasserökosystemen bereitgestellte Wasser für die nächste Dürre zu bevorraten. Hier gibt es noch viel Raum für Verbesserungen in der Wasserbewirtschaftung, um die Auswirkungen zu mildern. Die Entwässerung von Feuchtgebieten, Abflusssysteme in Wäldern, die Begradigung von Flüssen und die Ausräumung der Landschaft tragen dazu bei, dass das Wasser in den Flusseinzugsgebieten nicht als blaues und grünes Wasser zurückgehalten wird. Europas Flüsse, Seen und Küsten sind seit Jahrhunderten durch Wehre, verstärkte Ufer, Dämme, Umleitungen und ausgebaggerte Kanäle verändert worden. Belastungen durch Ausbau oder Begradigung betreffen 40 Prozent der europäischen Oberflächengewässer, und 17 Prozent sind als erheblich verändert oder künstlich ausgewiesen.12
Naturnahe Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Flüssen, um sicherzustellen, dass sie gesund und funktionsfähig sind, sind ein weiterer wichtiger Schlüssel zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels. Sie können dazu beitragen, Wasser zu speichern und die Infiltration in den Boden und die Grundwasserleiter zu erhöhen. Zusätzlich können sie Temperaturschwankungen abfedern und den damit verbundenen Wasserstress mildern. Im Gegensatz dazu erweisen sich Betonbecken zur Wasserspeicherung und -entnahme als überflüssig, denn Wasser wird am besten im Grundwasser gespeichert, wo es gefiltert ankommt und im Kühlen und Dunklen lagert.
Wir benötigen den Wasserrückhalt in der Landschaft und die Renaturierung von Wasserläufen. Agroforstsysteme – der Anbau von Bäumen auf Ackerflächen – oder Permakultur – eine Anbaumethode, die sich natürliche Kreisläufe zum Vorbild nimmt, um selbstregulierende Ökosysteme zu bilden – bieten hier ein hohes Potenzial. Bereits nach sieben Jahren bewirkte das Agroforstsystem im Versuch des Schweizer Kompetenzzentrums für landwirtschaftliche Forschung AGROSCOPE eine substanzielle Humusanreicherung von 18 Prozent, verglichen mit der kultivierten Fläche – und dies nicht nur im Oberboden, sondern bis in eine Tiefe von 60 Zentimetern.13 Die Wasserhaltekapazität wurde damit entschieden erhöht. Durch die Integration von Bäumen und Hecken können Oberflächentemperatur und Verdunstung verringert werden, wodurch die Wasserhaltekraft und somit die Widerstandskraft des Systems gegenüber Wetterextremen optimiert wird. Die Artenvielfalt und das Nützlingsvorkommen steigen. Das erhöht die Resilienz gegenüber Schädlingsdruck und Krankheiten. Das „AGFORWARD“-Projekt setzte sich von 2014 bis 2017 zum Ziel, agroforstwirtschaftliche Praktiken in Europa zu fördern, um ländliche Entwicklung voranzutreiben. Beteiligt waren 100 Wissenschaftler*innen von 27 Institutionen aus 14 europäischen Ländern. Die Ergebnisse zeigen positive Wirkungen der Agroforstwirtschaft in vielen Bereichen, die direkt und indirekt mit dem Klimaschutz und der Klimaanpassung zusammen hängen.14
Mit einer an das Gelände angepassten Linienführung des Bewuchses zur Minderung der Erosion und zur Verstärkung der Wasserversickerung kann ebenfalls Wassermangel vorgebeugt werden und ein Beitrag zum Humusaufbau geleistet werden. Das nennt man Keyline Design.15 Bei der Umsetzung von Keyline Design werden Landschaften und der Wasserfluss anhand der Geomorphologie analysiert. Auf dieser Grundlage können unter anderem Bearbeitungs- und Pflanzmuster erstellt werden, die sowohl Oberflächen- als auch Bodenwasser entlang der Geländekontur leiten können, so dass es besser aufgenommen, verteilt und gespeichert werden kann. Andere Ideen gehen noch weiter: Es werden nicht nur Bäume gepflanzt, sondern auch natürliche Biotope, Mulden und Dämme an das Relief angepasst, um Wasser zu verlangsamen und zum Einsickern zu bringen.16
Es liegt also auf der Hand: Ökologisch angepasste Systeme können viel mehr, als uns Gentechnik je liefern könnte. Warum sie nur zögernd zum Einsatz kommen, liegt einzig und allein an wirtschaftlichen Interessen veralteter Branchen, die weiter verdienen wollen und an Politiker*innen, die mehr auf pseudo-hilfreiche Techniken setzen, als auf gesetzliche Rahmenbedingungen für mehr Nachhaltigkeit.
- 1Der „Global Alliance for Climate-Smart Agriculture“ gehören mehr als 20 Regierungen, 30 Organisationen und Unternehmen wie McDonald’s und Kellogg, aber auch der weltgrößte Düngemittelhersteller Yara sowie Syngenta an.
- 2African Centre for Biodiversity (2015): Profiting from the Climate Crisis, Undermining Resilience in Africa: Gates and Monsanto’s Water Efficient Maize for Africa (WEMA) Project. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskb.
- 3Gömann, H. et al. (2015): Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). In: Thünen-Report 30, www.doi.org/10.3220/REP1434012425000.
- 4Beste, A./Lorentz, N. (2022): Ecosystem Soil – Bringing nature-based solutions on climate change and biodiversity conservation down to earth. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Online: www.kurzelinks.de/gid267-pske.
- 5Sanders, J./Heß, J. (2019): Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. In: Thünen-Report 65, www.doi.org/10.3220/REP1576488624000.
- 6Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU) (Hg.) (2016): Böden als Wasserspeicher – Erhöhung und Sicherung der Infiltrationsleistung von Böden als ein Beitrag des Bodenschutzes zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskg.
- 7Gattinger, A. et al. (2012): Enhanced top soil carbon stocks under organic farming. In: PNAS, 15, www.doi.org/10.1073/pnas.1209429109.
- 8Beste, A. (2021): Greenwashing & viel Technik. Vermeintlich nachhaltige Lösungen für die Landwirtschaft. Europabüro Hessen. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pska.
- 9Solanki, M. K. et al. (2021): Mycorrhizal fungi and ist importance in plant health amelioration. In: Micribiomes and Plant Health, S.205-223, www.doi.org/10.1016/B978-0-12-819715-8.00006-9.
- 10Khan, S. et al. (2007). The Myth of Nitrogen Fertilization for Soil Carbon Sequestration. In: Journal of Environmental Quality, Vol. 36, Issue 6, S.1821-1832, www.doi.org/10.2134/jeq2007.0099.
- 11Oehl, F. et al. (2005): Community structure of arbuscular mycorrhizal fungi at different soil depths in extensively and intensively managed agroecosystems. In: New Phytologist, Vol. 165, Issue 1, S.273-283, www.doi.org/10.1111/j.1469-8137.2004.01235.x.
- 12WWF (Hg.) (2018): Bringing life back to Europe‘s waters: The EU water law in action. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskl.
- 13Seitz, B. et al. (2017): Erhöhte Humusvorräte in einem siebenjährigen Agroforstsystem in der Zentralschweiz. In: Agrarforschung Schweiz 8, S.318–323. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskm.
- 14AGFORWARD (o.D.): AGroFORestry that Will Advance Rural Development. Online: www.agforward.eu.
- 15Baumfeldwirtschaft (o.D.): Keyline Design: Wasser in den Flächen halten & lenken. Online: www.baumfeldwirtschaft.de/keyline-design/.
- 16SEKEM (17.06.2017): Eine blühende Oase in der Ägyptischen Wüste. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskp.
Dr. Andrea Beste ist Diplomgeografin, Agrarwissenschaftlerin und Bodenexpertin. 2001 gründete sie das Büro für Bodenschutz und Ökologische Agrarkultur. Seit 2017 ist sie Mitglied der Expertengruppe für technische Beratung im ökologischen Landbau (EGTOP) bei der EU-Komission.
Erfolg mit alten Sorten
Das Finden alter Sorten kann auch schon ohne Züchtung zum Erfolg führen: So bescherte beispielsweise das Sammeln von über 2.000 verschiedenen Reissorten dem Netzwerk MASIPAG zwölf Sorten, die überleben, wenn sie für einige Tage überflutet werden; 18 Sorten, die gut mit Dürre zurechtkommen; 20 Sorten, die eine Toleranz gegenüber Salzwasser zeigen und 24, die resistent gegen bestimmte Schädlinge sind.a MASIPAG ist ein von Landwirt*innen geführtes Netzwerk aus Volksorganisationen, NGOs und Wissenschaftler*innen, das die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt fördert. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, dass Landwirt*innen die Kontrolle über die genetischen und biologischen Ressourcen, die landwirtschaftliche Produktion und das damit verbundene Wissen erlangen.
- aMisereor (07.06.2017): Erfolgsstory MASIPAG: Wie Kleinbauern auf den Philippinen die Kontrolle über ihr Saatgut zurückerlangen. Online: www.kurzelinks.de/gid267-pskb [letzter Zugriff: 31.10.23].