Moratorium beendet
Zulassung von Amflora mit Fragezeichen
Der für Agro-Gentechnik zuständige EU-Kommissar John Dally hat die gentechnisch veränderte BASF-Kartoffel Amflora für den Anbau in der Europäischen Union zugelassen. Damit wurde das seit zwölf Jahren existierende Moratorium beendet.
„Langjähriges Lobbying zahlt sich aus.“ Das konnten Leserinnen und Leser der Financial Times vom 7. April als Kommentar zu der Zulassung von Amflora vernehmen. Wie wahr, möchte man denken. Hatte es die gentechnisch veränderte (gv) Stärkekartoffel des deutschen Chemiekonzerns BASF doch erst im vergangenen Herbst bis in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geschafft. Amflora ist jetzt, neben dem gentechnisch veränderten Mais der Linie MON810, die einzige gv-Pflanze in Europa mit einer Anbau-Genehmigung. Ohne das Wirken solch „gezielter Information“ ist es schlicht nicht zu erklären, warum ausgerechnet diese gv-Pflanze das langjährige Moratorium über neue Anbauzulassungen für gv-Pflanzen in der Europäischen Union (EU) beenden sollte. Vierzehn Jahre war Amflora im Verfahren - für eine detaillierte Prüfung wurde diese Zeit nicht genutzt.
Skandal überdeckt
In den letzten Jahren standen die in den Pflanzen verwendeten Antibiotikaresistenz-Markergene im Mittelpunkt der Amflora-Kritik. Deren Verwendung, so die Warnungen, könnte dazu führen, dass wichtige Antibiotika schneller ihre Wirkung verlieren. Ganz konkret geht es um die Wirkstoffe Kanamycin und Neomycin, die von der Weltgesundheitsorganisation „als besonders wichtige anti-bakterielle Mittel“ eingestuft werden.1 Allerdings muss betont werden, dass diese Auseinandersetzung den tatsächlichen Skandal des Verfahrens in den Hintergrund treten lässt: Grundlegende Aspekte des EU-Gentechnikrechts wurden nicht befolgt. Zuletzt hat Greenpeace die Unterlagen des Zulassungsverfahrens gesichtet. In ihrem Kurzgutachten für die Umweltorganisation schreibt die wissenschaftliche Beraterin Antje Lorch, dass „keine wissenschaftlichen Studien zu Umwelteffekten veröffentlicht sind“. Es gibt zwar zwei Untersuchungen, die zur Bestätigung der Ungefährlichkeit der Amflora-Kartoffeln herangezogen werden. Diese sind aber von der BASF nicht veröffentlicht worden - lediglich die Ergebnisse sind im Antrags-Dossier zu finden, die Originaldaten dagegen liegen nicht vor. Die Analyse der darin berücksichtigten Organismen und die Versuchsbeschreibung lässt Lorch zufolge darauf schließen, dass es sich um Beobachtungen handelt, in denen die Wirkung von „Organismen auf die Kartoffeln“ in Augenschein genommen wurde.2
EU ohne weiteren Fragen
Vor diesem Hintergrund spotten die Aussagen der beteiligten EU-Akteure den eigenen Regularien. Der bereits erwähnte EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik, John Dalli, zum Beispiel erklärte, dass es „keine weiteren wissenschaftlichen Fragen mehr [gebe], die untersucht werden müssten. Alle wissenschaftlichen Aspekte und besonders die Sicherheitsbedenken [seien] bereits ausgiebig berücksichtigt worden“. Das Hintergrundpapier zu seiner Pressemitteilung berichtet gar von einer „beträchtlichen Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten, die die Basis für die Entscheidung [Amflora zuzulassen] unterstützen würden“.3 Die Zulassung der Amflora ist aber aus noch einem anderen Grund nicht nachvollziehbar: Die EU überarbeitet gerade im Moment das Verfahren der Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen, nicht zuletzt um deren Umweltwirkungen besser abbilden zu können. Die Umweltminister aus den EU-Mitgliedsländern hatten dies im Dezember 2008 einhellig gefordert. Amflora wurde also auf der Basis eines Testprogramms zugelassen, das als nicht ausreichend angesehenen wird. Für die Mitgliedstaaten kann dies nur bedeuten, den Anbau der gv-Kartoffeln zu verbieten - ganz so wie Österreich dies bereits ankündigte.
- 1Beschluss der EU-Kommission vom 2. März 2010.
- 2Greenpeace (2010): Amflora - Eine Anbauzulassung ohne Umweltrisikoabschätzung. Im Netz unter: www.greenpeace.de > Themen > Gentechnik.
- 3Pressemitteilung IP/10/ 222 der Europäischen Kommission vom 2. März 2010. Siehe auch den Beitrag von Antje Kölling und Mute Schimpf in diesem Heft.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.