Auf dem Weg in die Embryonenindustrie
Der öffentlich in Verruf geratene südkoreanische Klonforscher Woo-Suk Hwang hat zahlreiche Patente angemeldet, teils beim koreanischen Patentamt, teils bei der Weltpatentbehörde WIPO: Insgesamt konnten 14 Anmeldungen, die Hwang als Erfinder nennen, bei einer im Auftrag von Greenpeace durchgeführten Recherche der Münchner Initiative "Kein Patent auf Leben" identifiziert werden. Der GID sprach mit dem Patentexperten von Greenpeace, Christoph Then, über den aktuellen Fall und ethische Grenzen des Patentrechts.
Unter den von Hwang beantragten Patenten befindet sich auch jenes Verfahren zur Züchtung von Stammzellen aus geklonten Embryonen, das Grundlage für die als Fälschung entlarvte Veröffentlichung in Science ist. Das Patent (WO 2005/063972) wurde bereits im Dezember 2003 bei der WIPO eingereicht, im Juli 2005 veröffentlicht und soll laut Registrierung auch an das Europäische Patentamt (EPA) in München weitergeleitet werden. Bis zur Prüfung durch das EPA dürfte allerdings noch ein Jahr, bis zur möglichen Erteilung, weitere drei bis sechs Jahre vergehen. Welchen Einfluss haben Betrugsvorwürfe auf Patenterteilungen?
Betrugsvorwürfe haben zunächst keine Auswirkungen auf Patentanmeldungen. Es ist so, dass das Patentamt in der Regel nicht überprüfen kann, ob eine Erfindung wirklich so dargelegt worden ist, dass sie tatsächlich ausgeführt werden kann. Wichtig für das Patentamt ist, ob ein Verfahren so bereits schon einmal veröffentlicht worden ist, ob es neu ist und ob ein erfinderischer Schritt dabei ist. Ansonsten geht das Patentamt davon aus, dass es die technische Durchführung einer Erfindung sowieso nicht überprüfen kann. Es ist ja auch üblich, dass Erfinder ein Patent anmelden, sobald sie die Idee für eine Durchführung haben und es wahrscheinlich und plausibel ist, dass man auf diese Weise ein Produkt oder ein entsprechendes Verfahren entwickeln kann. Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung sind viele Erfindungen noch nicht so weit, dass sie technisch auch verwirklicht werden können. Entscheidend für den Patentanmelder wiederum ist, dass er der Erste ist und die Konkurrenz überholt, nicht, dass er die in der Patentanmeldung beschriebene Erfindung auch verwirklicht hat. Daher ist es so, dass die Betrugsvorwürfe eigentlich keine große Rolle spielen. Das Einzige, was passieren könnte, wäre, dass tatsächlich ein anderer Forscher nachweist, dass man Hwangs Klonverfahren prinzipiell nicht durchführen kann; dies ist aber, soweit ich das bisher sehen kann, nicht absehbar. Zwar ist klar, dass die Veröffentlichungen gefälscht wurden. Es gibt aber möglicherweise auch gezielt gestreut aus Korea - die Einschätzung, dass Hwang das beschriebene Verfahren grundsätzlich durchführen kann - nur hat er eben die Publikation gefälscht, um das Verfahren noch erfolgreicher darzustellen, als es tatsächlich war. Solange der Verdacht im Raum steht, dass er das im Patentantrag dargestellte Verfahren irgendwie technisch durchführen könnte, müsste tatsächlich jemand anderes den Beweis antreten und genau das von Hwang dargelegte Verfahren abarbeiten, einen technischen Fehler entdecken und sagen, hier an der Stelle kann es gar nicht funktionieren, es ist nicht durchführbar. Dann wäre das Patent natürlich "tot". Aber solange dieser Beweis nicht vorliegt, wird das Patentamt erstmal davon ausgehen, dass es patentierbar ist.
Bisher hat ja noch kein Forscher den Nachweis erbracht, dass die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus geklonten Embryonen tatsächlich möglich ist. Wenn der Nachweis nun erbracht würde, also ein Forscher nun tatsächlich die von Hwang beschriebene Methode anwenden könnte, würde also Hwang davon profitieren und Lizenzgebühren einstreichen?
Richtig, Hwang würde diese Patent-Gebühren einkassieren. Die Logik dabei ist ganz klar: Es gibt einen Wettlauf um die Gewinnung von embryonalen Stammzellen. Es ist nahe liegend, dass es ein entsprechendes Verfahren geben könnte. Im Grunde hat Hwang hier also erfolgreich den Claim abgesteckt wenn "seine" Technik nachträglich jemand gelingt, wird er kassieren.
Da müsste man Hwang ja dann fast dankbar sein- weil er damit im Grunde weiteren Forschungsarbeiten den Anreiz nimmt...
Dem ist nicht so. Denn der Wettlauf geht weiter. Leider ist es so, dass Patente eher dazu führen, dass mehr geforscht wird. Das heißt, es wird unnötigerweise noch weiter geforscht, weil Forscher, die unabhängig von Hwang arbeiten, nun versuchen wollen, ihre eigenen Verfahren abzuändern, um ebenfalls einen Anspruch auf Patentierung zu bekommen. Sie versuchen, neue Verfahren zu finden und dafür werden natürlich wieder Embryonen verbraucht. An diesem Fall kann man sehr gut sehen: Wir befinden uns auf dem Weg in eine Embryonenindustrie. Es geht um die wirtschaftliche Inwertsetzung von Teilen des menschlichen Körpers, wie sie eigentlich in der Bioethik-Konvention des Europarates verboten ist. Das wird im Patentrecht schleichend eingeführt. Das ist etwas, was niemand gut finden kann. Es sollte klar sein, dass man aus wirtschaftlichen Beweggründen menschliches Leben nicht vernutzen darf. Leider ist es nicht gelungen, dies auch im Patentrecht klarzustellen.
Die Frage, ob embryonale Stammzellen patentiert werden dürfen, ist ja bisher noch nicht endgültig entschieden.
Es reicht aber die Erwartung, dass sie patentiert werden könnten. Auch vom EPA ist diese Erwartung bisher nicht ausgeräumt worden. Zwar sind Patente zurückgewiesen worden, unter anderem, weil Greenpeace und andere Gruppen eingesprochen haben. Nun wird die Entscheidung, Patente auf Embryonen zu erteilen aber vor der Großen Beschwerdekammer des EPA erneut aufgerollt. Allein diese erneute Überprüfung ist an sich schon ein Skandal und zeigt, dass hier diese ethischen Grenzen im Patentrecht nicht ausreichend definiert sind.
Es gibt im europäischen Patentrecht unter anderem die Formulierung, ein Patent dürfe nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Gäbe es hier nicht ausreichende Anhaltspunkte, um Hwangs Patentantrag abzulehnen? Immerhin wurden Frauen für seine Forschungsarbeiten zur Eizellenspende gezwungen.
Die Informed Consent (informierte Einwilligung) ist im Patentrecht nicht vorgeschrieben. Selbst wenn er vorgeschrieben wäre, müsste nachgewiesen werden können, dass er genau in dem für die Patentierung vorgesehenen Verfahren gebrochen worden ist. Die Auslegung solcher Klauseln ist von den Patentämtern immer sehr eng vorgenommen worden. Wenn das EPA die Gelegenheit hatte, diese Grenzen zu überschreiten, dann hat es dies gemacht. Grundsätzlich geht das EPA davon aus, dass alle Verbote eng auszulegen sind. Wenn man diesen Maßstab an den Fall der Eizellenspende anlegt, müsste man im Grunde nachweisen, dass das Patent ausschließlich verwertet werden kann, wenn auf unmoralische Weise Eizellen gewonnen werden müssen. Dies ist nicht der Fall.
Es ist also zumindest aufgrund dieser Vorwürfe - mit keiner Ablehnung des Patentantrags durch das EPA zu rechnen?
Das EPA müsste hier zu einer ganz neuen Rechts-Auslegung kommen natürlich wäre dies grundsätzlich möglich und begrüßenswert - aber es gab bisher wenige Anzeichen in diese Richtung. Zwar gab es vollmundige Ankündigungen des derzeitigen Präsidenten des EPA, der sagte, dass er solche Patente kritisch sähe. Aber dann hätte er beispielsweise die Entscheidung über die Patentierung von embryonalen Stammzellen nicht an die große Beschwerdekammer abgeben dürfen, weil die nun im Grunde frei entscheiden dürfen. Wenn die Beschwerdekammer entschieden hat, ist eine Überprüfung dieser Entscheidung durch ein unabhängiges europäisches Gericht nicht mehr möglich. Indem das EPA die Frage neu aufgemacht hat, ist es mit schuld an derartigen Patentanträgen. Das EPA und das US-amerikanische Patentamt müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie zu solchen Verhältnissen beigetragen haben. Bei Hwang ging es ja eindeutig nicht nur um wissenschaftlichen Ehrgeiz er konnte bereits einige wissenschaftliche Erfolge beim Klonen von Tieren vorweisen, wissenschaftliche Meriten hatte er. Es ging vielmehr um Fördersummen, riesige Beträge, mit denen er hätte forschen sollen, und um die damit verknüpften Erwartungen an wirtschaftliche Verwertbarkeit, dazu gehören auch Patentanmeldungen.
Christoph Then ist Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Testbiotech und Sprecher des internationalen Bündnisses No Patents on Seeds (Keine Patente auf Saatgut), www.no-patents-on-seeds.org.