Bt10-Mais freigesetzt

Der schweizerische Agrar- und Chemiekonzern Syngenta musste zugeben, dass seit dem Jahre 2001 in den USA gentechnisch veränderter Mais in den Verkehr gebracht wurde, der nicht zugelassen ist. Der Mais mit dem Genkonstrukt Bt10 ist insektenresistent und trägt ein Antibiotika-Resistenzmarkergen gegen Ampicillin.

Die Situation zeigt, dass das System [der Überwachung] funktioniert, wie es funktionieren soll: die Firma hat es an uns gemeldet". Vor dem Hintergrund von vier Jahren illegaler Freisetzung einer nicht genehmigten gentechnisch veränderten Maissorte mutet dieser Kommentar des Sprechers des US-Landwirtschaftsminsterium, Jim Rogers, etwas merkwürdig an. Immerhin rät zum Beispiel die - in Sachen Gentechnik nicht gerade für ihre große Besorgnis bekannte - Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, dass Pflanzen mit dem Ampicillin-Marker "auf Feldversuche beschränkt bleiben und nicht in Pflanzen vorkommen sollten, die in den Verkehr gebracht werden sollen". Der Fall der illegalen Freisetzung ist Mitte Dezember "sofort" an die US-Behörden gemeldet worden. Allerdings musste erst ein Pflanzenzüchter, der bei Syngenta Bt11-Mais bestellt hatte, zufällig bei Tests merken, dass er einen anderen Mais bekommen hatte. Die beiden Sorten seien weitgehend identisch, so hatte Syngenta zunächst behauptet, Bt10 und der in Europa zugelassene Bt11 unterschieden sich nur in einigen, sehr kleinen Gensequenzen.

Katz und Maus

Die genauen molekularen Merkmale sind bisher nicht veröffentlicht und um diese Details entwickelte sich ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel: Die US-Behörden hatten den Fall am 22. März an die Europäische Kommission gemeldet, allerdings zu dem Zeitpunkt noch verschwiegen, dass der Bt10-Mais das Antibiotikaresistenzgen trägt. Darauf wiederum machte ein Artikel in der Online-Ausgabe des Fachmagazis Nature vom 29. März aufmerksam, zwei Tage bevor Syngenta dies offiziell der EU-Kommission meldete. Im Übrigen behauptete die Firma, das Gen sei "in der Pflanze nicht aktiv". Die EU-Kommission "will", so heißt es in einer Pressemitteilung der Generaldirektion für Gesundheit und Konsumentenschutz, eine "Klarstellung von den USA und Syngenta". Doch scheint sie daran selber nicht zu glauben, denn Robert Madelin, zuständiger EU-Generaldirektor, äußerte laut Spiegel Zweifel, ob die USA überhaupt zu "ausreichenden Kontrollen" in der Lage seien. Bundesverbraucherministerin Renate Künast ordnete die Entwicklung von Testverfahren an, über solche müsse dringend sichergestellt werden, dass kein Bt10 mehr nach Deutschland komme.

Vielleicht Frankreich - vielleicht Spanien

"Bis zu 10 kg Bt10-Saatgut" und etwa "1000 Tonnen Bt10 enthaltende Lebens- und Futtermittel" könnten in die Europäische Union gelangt sein. Das Saatgut sei, wenn es überhaupt in die EU gelangt sei, in Frankreich oder Spanien zu Forschungszwecken freigesetzt worden. Das daraus hervorgegangene Material sei "vollständig vernichtet" worden. Die USA sollten "ab jetzt" dafür sorgen, dass nicht zugelassene GVO nicht in die EU gelangen, heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission. Syngenta hat unterdessen dargelegt, dass der Bt10 in den USA auf einer Fläche von knapp 15.000 Hektar angebaut worden sei, was einem Gesamtertrag von 165.000 Tonnen entspricht. Adrian Bebb von der Umweltorganisation Friends of the Earth Europe spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch des Beobachtungssystems. Die amerikanischen Behörden müssen gegen Syngenta vorgehen und die europäischen Juristen müssen das Prozedere überprüfen, nach dem der Import geregelt wird."

Quellen:

  • The EFSA Journal (2004) 48, 1-18
  • PM der EU-Kommission vom 1.04.05
  • Nature-online, 29,03.05, www.nature.com
  • New York Times, 6.04.05, www.nytimes.com
  • Berliner Zeitung 4.04.05
Erschienen in
GID-Ausgabe
169
vom April 2005
Seite 23

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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